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Pflege dein Portfolio

Wie freie Journalist:innen neue Aufträge finden, darum geht es in dieser Woche. Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest.

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Letzte Chance: Am Freitag veranstaltet Steady in Kooperation mit NextMedia.Hamburg (Abre numa nova janela) den Steady Growth Day. Da wie üblich einige Angemeldete abgesagt haben (danke dafür!), gibt es wieder Restkarten. Schnell registrieren, dann sehen wir uns am Freitag!

Hallo!

Ich bin immer wieder erstaunt über die prekäre Situation von Freien Journalist:innen. Freie sind so etwas wie die Zulieferbetriebe der Medienindustrie. Sie stellen das Auto nicht selbst her, liefern aber die essenziellen Bauteile, die dann nur noch zu einem Produkt zusammengesetzt werden. Ohne sie wäre es Verlagen und Sendern heute kaum noch möglich, ein mediales Produkt zu produzieren. Aber ihre Bezahlung ist wirklich erschreckend schlecht.

Zum Glück gibt es die Freischreiber (Abre numa nova janela), die versuchen, den Freien eine Stimme zu geben. Der Verband erfragt auf der Seite Was verdienen Journalist:innen? (Abre numa nova janela) die tatsächlichen Honorare, die deutsche Verlage überweisen. Die Zahlen sind ernüchternd: Ob regionale oder überregionale Medien, die Honorare sind einfach indiskutabel niedrig.

Laut Freischreiber liegt der Nettoverdienst freier Journalist:innen pro Stunde bei durchschnittlich 22,22 Euro. Beim Berliner Tagesspiegel sind es nur 15,18 €, bei der Zeit gerade mal 21,95 €, bei der Süddeutschen Zeitung nur 17,25 €, und bei der Rhein-Neckar-Zeitung als Beispiel für Regionalzeitungen sogar nur 12,70 €. Zur Erinnerung: Der Mindestlohn in Deutschland liegt bei 12,41 Euro brutto pro Stunde.

Als freie:r Journalist:in ist man ja nicht durchgehend mit Aufträgen versorgt. Freelancer in anderen Branchen sind in der Regel teurer als fest Angestellte, weil sie eine Mischkalkulation betreiben müssen. Das heißt, die Phasen ohne Aufträge finanzieren sie durch höhere Stundensätze mit. Doch wenn die Honorare so niedrig sind, dass sie nicht einmal in arbeitsintensiven Phasen ausreichen, wird es fast unmöglich, die Leerlaufzeiten zu kompensieren. Wenn man bedenkt, dass die meisten freien Journalist:innen ein Hochschulstudium und eine abgeschlossene Berufsausbildung absolviert haben wie ein Volontariat oder eine Ausbildung an einer Journalistenschule, ist diese Bezahlung sehr, sehr schlecht.

Was tun?

Erstmal können die Freien Unterstützung gebrauchen bei der Vermarktung ihrer Arbeit. Ein wichtiger Baustein ist ein Service namens Torial.com (Abre numa nova janela). Die kostenlose Plattform hilft den freien Journalist:innen, ihre Arbeit zu sammeln und sichtbar zu machen. Viele arbeiten für verschiedene Medien, was es schwer macht, alle Artikel einer Person aufzufinden. Torial löst dieses Problem, indem es allen Freien ermöglicht, kostenlos ein Portfolio zu erstellen, das ihre Arbeit übersichtlich darstellt. So können Auftraggeber leicht nach Themen oder Autor:innen suchen und freie Journalist:innen finden, die zu ihren Anforderungen passen.

Torial ist genau das, was man als kritische Infrastruktur des deutschen Journalismus bezeichnen könnte, auch wenn das vielen nicht bewusst ist. Die Plattform gibt es seit 2013. Impulsgeber und Finanzier war Konrad Schwingenstein (unten rechts). Er engagierte sich in der Tradition seines Großvaters August für den Journalismus, der 1945 mit der „License No.1“ die „Süddeutschen Zeitung“ herausgegeben hatte. Gründer und Mastermind von Torial ist der Unternehmer Marcus Jordan (links), der unter vielem anderen auch die Kurations-Plattform Piqd (heute forum.eu (Abre numa nova janela)) entwickelt hat.

Seit spätestens dem vergangenen Winter zeichnete sich ab, dass die Schwingenstein-Stiftung Torial nicht weiter betreiben würde. Dies sorgte für große Sorgen bei freien Journalist:innen, und für mediale Aufmerksamkeit (Abre numa nova janela). Viele Freie und Medienhäuser merkten plötzlich, wie essenziell dieser Service für ihre tägliche Arbeit war. Es gab mehrere Versuche, einen neuen Träger für die Plattform zu finden, doch zuletzt schwand die Hoffnung, Torial weiterhin finanzieren zu können.

Im Frühjahr dann hatte Sebastian Turner (hier mein Blaupause-Interview (Abre numa nova janela) mit ihm) eine Idee: Er schlug Marcus und mir vor, dass Steady die passende neue Heimat für Torial sein könnte. Mich überzeugten am Ende die Zahlen: Von mehr als 6.600 Portfolios auf Steady war mehr als die Hälfte tatsächlich aktiv. Damit ist Torial mit Abstand das größte Verzeichnis für freie Journalist:innen im deutschsprachigen Raum. Es musste nur die Plattform neu gedacht und aufgesetzt werden. Wenige Wochen später war der Vertrag unterschrieben.

Gemeinsam mit der Designerin Sharon Walsh (Abre numa nova janela) und dem Entwickler Bodo Tasche (Abre numa nova janela) haben wir in wenigen Monaten auf Basis der Torial-Datenbank ein völlig neues Produkt geschaffen: eine Portfolio-Plattform für freie Journalist:innen. Seit der vergangenen Woche das neue Torial live – als Teil von Steady. Wir haben die Funktionalitäten gestrafft, das Design erneuert und das Interface modernisiert. Es ist jetzt noch einfacher, Freie zu finden. Neu ist, dass Unternehmen und Medienhäuser über die Plattform nun Aufträge ausschreiben und auf den größten Talentpool von Autor:innen zugreifen können.

Denn der Journalismus-Markt hat sich verändert: Er ist weniger attraktiv als früher, was auch am geringen Einkommen liegt. Ich sehe großes Potenzial in diesem Service, gerade weil viele Unternehmen heute selbst zu Medien geworden sind. Sie betreiben ihre eigenen Fachpublikationen und suchen händeringend nach Profis. Sie sind bereit, gutes Geld für gute Arbeit zu zahlen – und Torial bietet ihnen den direkten Zugang zu den richtigen Leuten.

Für Steady ist Torial in absehbarer Zeit kein Geschäft – die Plattform bleibt weiterhin kostenlos für freie Journalist:innen, die dort ihre Arbeit präsentieren. Ich sehe dieses Netzwerk für Freien Journalist:innen einfach als wichtiger Baustein in dem Ökosystem – und Steady als anderen Baustein für sehr ähnlich Leute. Ich bin überzeugt, dass viele Freie das Potenzial haben, eigene Publikationen zu starten und diese mit Mitgliedschaften zu finanzieren. Die Verbindung dieser beiden Welten – freie Journalist:innen und mediale Unabhängigkeit – ist etwas, das großes Potenzial birgt.

Bis nächsten Montag,
👋 Sebastian

PS:

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