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Rede zum Globalen Klimastreik am 23.9.22 in Nettetal mit Links zu wichtigen Inhalten / Quellen am Ende des Textes.

Image by Enrique (Abre numa nova janela) from Pixabay (Abre numa nova janela)

Willkommen beim Globalen Klimastreik September 2022 

Wir sind bei 420 ppm CO₂ in der Atmosphäre und 1,2° C globaler Erderwärmung, Willkommen in Nettetal!

Ich heiße Ruth.

Ich engagiere mich bei den Parents for Future im Kreis Viersen.

Wir danken den Fridays for Future herzlich für die Einladung und die Möglichkeit, hier zu sprechen.

Was ich zu sagen habe ist übrigens einzig auf meinem Mist gewachsen. Übereinstimmungen mit anderen Meinungen sind rein zufällig und oft gewollt.

Die Sache mit dem Verdrängen

Solche Sprüche kennt ihr:

Könnt Ihr bitte mal endlich aufhören, meine Freiheitsstimmung mit der Realität zu stören! Seit einigen Tagen regnet es. Es ist also alles in Ordnung!“

Wie ist das: müssen wir uns so etwas ständig anhören?

Und wenn wir es schon hören müssen, sollten wir dann still sein?

Oder lieber zurück schreien:

Du Idiot, natürlich ist es Deine Freiheit so lange zu duschen wie du willst, aber eben nur so lange es noch Wasser gibt!“

Der Witz ist ja, dass das langsame Aussterben uns alle gleichermaßen betrifft, da hilft kein fettes Konto, kein schnelles Auto und auch kein Pool im Garten, denn Geld kann nicht alles.

Also hauen wir verbal feste drauf, auf die Schuldigen:

  • die  SUV-Fahrer:innen

  • die  Warmduscher:innen

  • die  Windkraftgegner:innen

  • die  Pestizidversprüher:innen

  • die  Fleischfresser:innen

  • die  Baumfrevler:innen

  • die  Konsumfetischist:innen

  • oder zusammengefasst: auf DIE ANDEREN

Aber Stopp! Wir sind ja selbst die ANDEREN aus der Sicht unserer Mitmenschen! Autsch!

Und Nein, auch wir sind nicht die Klima-Engel, die die Welt retten werden. Das liegt allerdings nicht an unserer Bequemlichkeit und unserem Streben nach Komfort, sondern hauptsächlich daran, dass wir keinen blassen Schimmer haben, wie wir die Klimakatastrophe noch halbwegs minimieren könnten.

Schuldzuweisungen sind deshalb auch total daneben.

In echt haben wir nämlich absolut keine Zeit mehr, Null, Nada, um den Klimawandel auf ein Maß zu begrenzen, das uns und unseren Nachkommen das Überleben ermöglicht. 1,5 Grad ist vorbei, auch 2 Grad sind voraussichtlich nicht mehr zu schaffen.

Und viel schlimmer noch: die meisten der Erdenbürger sind bereits rund um die Uhr damit beschäftigt, zu überleben – da bleibt auch keine Zeit für Klima-Aktivismus.

Aber WAS genau können WIR denn jetzt tun?

Vielleicht die allgemeinen Top 10 der Klimaschutzmaßnahmen, die jeder kennt:

  • PV-Module auf alle Dächer

  • Windräder auf jeden Acker

  • Strom sparen

  • Wasser sparen

  • viel mehr Grün in Stadt und Land

  • Braunkohle, Steinkohle, Erdgas weg

  • Autos weg

  • Wegwerfplastik weg

  • Rinder und Schweine weg

  • totaler Konsumverzicht

Und was hat Deutschland bisher geschafft?

  • Die Plastikstrohhalme sind schon verboten!

So wird das also nix!

Was sagt der IPCC dazu? 

 (Intergovernmental Panel on Climate Change, 278 Autor:innen )

Erst vor kurzem erschien der letzte Teil des 6. IPCC-Reports – der mit Abstand wichtigste Klimabericht, den die Weltgemeinschaft zu bieten hat.

Hier geht mein Dank an die Treibhauspost, die alle 2 Wochen über Klimathemen informiert und den IPCC-Report zu einer handlichen To-Do-Liste zusammengefasst hat. (der Original-Bericht ist über 3000 Seiten stark)

Sie schreiben, dass die Seiten des Reports vor Radikalität nur so platzen: Das 1,5-Grad-Ziel ist so gut wie gestorben. Selbst zwei Grad sind laut Bericht nur noch möglich mit sofortigen Maßnahmen und einem grundlegenden Wandel unseres Wirtschaftssystems.

(den ausführlichen Beitrag zur Treibhauspost habe ich Euch verlinkt)

Die fünf wichtigsten ToDos kennen wir längst:

1. Solar- und Windenergie ausbauen

2. Wälder und Ökosysteme erhalten und renaturieren

3. Lebensmittel klimaverträglich herstellen

4. Von Kohle und Gas aussteigen

5. Weniger Fleisch essen

Das ist also erst einmal nichts Neues.

Die größte Sensation des Berichts allerdings ist eine andere. Zum ersten Mal benennt der Weltklimarat in aller Deutlichkeit den Zusammenhang zwischen Wachstumszielen und Klimakrise.

Das Fazit: Ein BIP-orientiertes Wirtschaftswachstum ist mit dem Pariser Klimaabkommen nicht vereinbar. Denn solange die Wirtschaftsleistung nicht entkoppelt ist von fossilen Energien, heißt mehr BIP automatisch auch mehr CO₂. Damit rüttelt der IPCC höchst wissenschaftlich am heiligen Gral des globalen Wirtschaftswachstums.

(BIP = Brutto Inlands Produkt)

Daraus resultiert das wichtigste To-Do von allen

Wörtlich heißt es an einer Stelle im Report: “Mehrere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass nur ein BIP-Nichtwachstums-/Degrowth- oder Postwachstums-Ansatz eine Klimastabilisierung unter 2°C ermöglicht.”

Weiterhin ist von “Obergrenzen des Konsums” die Rede und von einer “Stabilisierung (oder sogar Rückgang) von Einkommen in den Industrieländern”, um Emissionen zu senken.

Das einleuchtende Ergebnis: Je weniger Konsum und Energieverbrauch, desto weniger Emissionen.

Wird der Report ernst genommen, so würde das zu einem Wendepunkt in der Geschichte führen.

Das Haupt-To-Do der Menschheit betrifft also weder Windräder oder Sonnenenergie noch Aufforstung oder Ernährung.

Das wichtigste klima-wissenschaftliche Gremium der Welt macht deutlich, dass wir uns als globale Gesellschaft endlich darüber im Klaren werden müssen, wie wir Glück und Zufriedenheit definieren, außer durch schneller, höher, weiter und vor allem: immer mehr.

In diesem Bericht taucht der Begriff „Degrowth“ immer wieder auf.

Auf Deutsch „Postwachstum“. Das Bruttoinlandsprodukt soll kein Maßstab für erfolgreiches Wirtschaften mehr sein, vielmehr ist das Wohlergehen aller und der Erhalt der ökologischen Lebensgrundlage der Maßstab.

Klingt super! Gibt es noch nicht, und muss erst von uns allen erlernt oder erfunden werden. Und dass die Politik das nicht alleine schaffen kann, ist uns sicher allen klar.

Daher hat jetzt jede und jeder Einzelne von uns persönlich die einzigartige Chance, an der Gestaltung unser aller Zukunft aktiv mitzuwirken!

Vielleicht fragt Ihr Euch ja:

„Wie kann ein Leben ohne Wirtschaftswachstum, ohne Konkurrenz und ohne höher, schneller, weiter aussehen?“

Vielleicht beflügelt die Frage ja schon Eure Fantasie?

Vielleicht geratet Ihr sogar ins träumen und schwärmen von der Vorstellung, dass plötzlich Glück den bisherigen Platz des Geldes einnimmt? Dass es keine Konkurrenz mehr gibt?

Anregungen gefällig?

  • Jeder bringt sich mit dem was er gut kann und gerne macht ein.

  • Vieles, was bislang jede:r für sich erledigte, wird künftig sehr effizient in Gemeinschaftsaktionen erledigt. (kochen, essen, Nahrung produzieren)

  • Niemand muss mehr Angst haben, seine genialen Erfindungen könnten gestohlen werden, denn Ruhm und Anerkennung lassen sich nicht übertragen.

  • Eine große Zufriedenheit breitet sich aus, denn niemand fühlt sich mehr ausgebeutet oder benachteiligt.

  • Die Mammutaufgabe als unser aller Ding zu betrachten.

  • Der ungeheure Stolz, wenn wir es schaffen, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.

Und vielleicht ist das sogar der Schlüssel, die ANDEREN mit ins Boot zu holen.

Das Thema „Postwachstum“ wird uns künftig noch öfter begegnen, denn erst allmählich beginnt eine öffentliche Auseinandersetzung damit. Es lohnt sich daher, sich mit dem Thema zu befassen.

Ich wünsche Euch allen viel Erfindergeist beim Gestalten einer Zukunft ohne Wachstum.

Und seid nett zu den Anderen!

Nachtrag:

Vor kurzem hat der @ClubOfRome (Abre numa nova janela)

die Initiative #EarthforAll (Abre numa nova janela) ins Leben gerufen. Neben dieser Idee gibt es weitere Konzepte für die dringend notwendige sozial-ökologische #Transformation (Abre numa nova janela). Hier gibts eine Auswahl:

https://www.ziviler-friedensdienst.org/de/themen/klimakrise/transformation (Abre numa nova janela)

Links:

Der tägliche CO2-Wert in der Atmosphäre
https://www.co2.earth/daily-co2 (Abre numa nova janela)

IPCC - Die To-Do-Liste zur Rettung des Planeten
(eine Zusammenfassung der 5 wichtigsten Maßnahmen von der „Treibhauspost“)

https://steadyhq.com/de/treibhauspost/posts/d9e720d4-8830-4720-be39-74533c3dc44e (Abre numa nova janela)

Was ist „Degrowth“?

https://degrowth.info/de/degrowth-de (Abre numa nova janela)

Der aktuelle Newsletter der Parents for Future, Germany
https://parentsforfuture.de/de/newsletter (Abre numa nova janela)

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