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#63 geerbte Immobilie - was tun?

Laut den verfügbaren Informationen gibt es in Deutschland insgesamt etwa 19,4 Billionen Euro an Immobilienvermögen (Wohngebäude, Gewerbeimmobilien, Grundstücke). Der deutsche Wohnungsmarkt wird als der größte in der Europäischen Union beschrieben.

Im Post #60 habe ich die lebzeitigen Handlungsoptionen der älteren Bewohner:innen vorgestellt.

https://steadyhq.com/de/projekt-wohnen/posts/26fb8979-918f-4d24-8194-90b2ea7b8b16?secret_token=FA5EL-MdSiwR_QBis44rtLzHijihAqr1BhOfdix2awHAQtPAk46CuAc94y3QFIrH (Abre numa nova janela)

Hier geht es um die Auswirkungen einer Erbschaft.

Es gibt keine öffentliche Statistik darüber, wieviele Immobilien vererbt werden, da viele Erbschaften unter den Freibeträgen liegen und somit steuerlich nicht erfasst werden. Schätzungen zufolge enthalten etwa 46 % der Erbfälle eine Immobilie.

Der Erbe steht unter Zeitdruck, da er innerhalb von sechs Wochen entscheiden muss, ob er die Erbschaft annehmen oder ausschlagen möchte. Dabei kann es sein, dass er Kreditverpflichtungen übernehmen muss. Bei einem Eigentümerwechsel entsteht zudem eine Sanierungspflicht gemäß GEG (Gebäudeenergiegesetz) für Ein- und Zweifamilienhäuser. Dies betrifft vor allem ältere Häuser mit schlechten Energiewerten. Eine energetische Sanierung muss innerhalb von zwei Jahren nach dem Übergang vorgenommen werden, was sowohl bei einer Selbstnutzung oder Vermietung, als auch bei einem stockenden Verkauf zusätzliche Kosten verursachen kann.

Erbengemeinschaft

Vielfach entsteht auch eine Erbengemeinschaft - möglicherweise mit Personen, die sich fremd sind oder mit denen man zerstritten ist. Es handelt sich um eine nicht-rechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft. Diese kann den Nachlass nur gemeinsam verwalten. Die Erbengemeinschaft ist nicht als Dauerzustand im BGB konzipiert.

Über den ungeteilte Nachlass muss zunächst eine sog. “Erbauseinandersetzung“ erfolgen § 2042 BGB. Diese “Auseinandersetzung“ - ein juristischer Begriff, der nicht zwangsläufig mit Streit zu tun haben muss 😉 - erfolgt durch (notariellen) Vertrag, in dem der gesamte Nachlass entsprechend der Erbquote unter den einzelnen Miterben verteilt wird. Dadurch wird die Erbengemeinschaft aufgelöst.

Ist eine Naturalteilung nicht möglich oder nicht gewünscht, dann kann auch eine eGbR mit dem Zweck der gemeinsamen Vermietung gebildet werden (s. unten Fall 3).

Alternativ kann jemand das Alleineigentum erlangen, indem er Ausgleichszahlungen an Geschwister leistet oder indem er die Miterbenanteile aufkauft (s. unten Fall 2).

Es können auch alle Miterben gemeinsam die Immobilie an einen Dritten verkaufen und gleichzeitig die Auseinandersetzung vereinbaren, indem der Kaufpreis des Dritten untereinander verteilt wird. Der beurkundende Notar veranlasst die Änderung des Grundbuches. Erst mit Eintragung im Grundbuch ist der Eigentumswechsel vollzogen.

Erbschaftssteuer allgemein

Die Erbschaftssteuer ist eine Steuer, die auf den Wert des von einer verstorbenen Person hinterlassenen Vermögens erhoben wird. Dazu kann auch eine Immobilie gehören. Die Höhe der Erbschaftssteuer hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Verwandtschaftsgrad: Je näher der Verwandtschaftsgrad zwischen Erblasser und Erbe, desto höher ist der Freibetrag. Beispielsweise haben Ehepartner und Kinder in Deutschland deutlich höhere Freibeträge als entferntere Verwandte oder nicht verwandte Personen.

  • Wert des Erbes: Der Wert des Erbes, einschließlich des Wertes der Immobilie, bestimmt die Steuerlast. Liegt der Wert des gesamten Erbes über dem Freibetrag, muss Erbschaftssteuer gezahlt werden.

In einer Erbengemeinschaft nutzt jede:r für seine Erbquote seinen individuellen steuerlichen Freibetrag - oder muss seine individuelle Erbschaftssteuer zahlen.

Ein besonderes Steuergeschenk für Ehegatten und Kinder ist möglich, wenn der Erbe in die bislang eigengenutzte Wohnimmobilie innerhalb von 6 Monaten selber einzieht und dort mindestens 10 Jahre wohnt. Die Immobilie wird beim Wert des Nachlasses nicht berücksichtigt vgl. die Details in § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG (Abre numa nova janela).

Was macht man mit der geerbten Immobilie?

Dies hat steuerrechtliche Folgen.

Verschmilzt mit eigenem Vermögen

Dafür ist bei einer Erbengemeinschaft immer die “Auseinandersetzung” notwendig. Als Alleinerbe erfolgt die juristische Verschmelzung automatisch, wenn keine Ausschlagung erfolgt. Der Erbe wird Rechtsanachfolger für alle Rechte, Pflichten und Belastungen.

Steuerrechtlich besteht beim selbstbewohnten Elternhaus Entscheidungs- und Handlungsdruck, wenn das oben beschriebene Steuergeschenk genutzt werden soll.

und weiter geht's

Betrachten wir drei weitere Fälle aus steuerlicher Sicht:

  • Fall 1: Weiterveräußerung an Dritte > Spekulationssteuer !?

  • Fall 2: ein Miterbe kauft Anteile von Miterben ab und veräußert anschließend » neues Urteil !

  • Fall 3: die Erben möchten gemeinsam vermieten

1. Weiterveräußerung an Dritte

Wenn der Erbe die geerbte Immobilie schnellstmöglich und mit Gewinn verkaufen möchte, kann es für den Verkäufer durchaus zu unangenehmen steuerrechtlichen Überraschungen kommen » § 23 EStG Private Veräußerungsgeschäfte (Abre numa nova janela)

"Spekulationssteuer droht"

Für diese Steuer gibt es keinen festen Steuersatz. Die  Spekulationssteuer ist in der Regel abhängig vom Gewinn und dem persönlichen Steuersatz.  Der Gewinn ergibt sich aus dem Verkaufspreis im Verhältnis zum damaligen Kaufpreis, den Veräußerungskosten sowie den Anschaffungskosten abzüglich Abschreibung.

Steuerpflichtigen, die ein bislang vom Rechtsvorgänger eigengenutztes Wirtschaftsgut unentgeltlich erwerben (Schenkung) oder erben, wird die Eigennutzung des Rechtsvorgängers zugerechnet. Die Veräußerung muss jedoch “zeitnah” erfolgen. Bei Leerstand muss die Veräußerungsabsicht nachgewiesen werden.

Beispiel 1
Das Erbe besteht aus einer zum Privatvermögen gehörenden Immobilie, die dem Vater schon länger als 10 Jahre gehört hat. Verkaufen die Kinder die Immobilie gemeinsam an einen fremden Dritten wird die Besitzzeit des Vaters angerechnet werden. Es liegt kein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft vor.

Beispiel 2
Erhält ein Steuerpflichtiger ein vom Schenker seit Anschaffung selbstbewohntes Einfamilienhaus übertragen und verkauft er es sofort nach Übertragung, ist ein erzielter Veräußerungsgewinn steuerfrei.

2. Miterbe kauft Anteile einer Miterbin ab und veräußert anschließend an Dritten

Schritt 1)
Das Erbe besteht aus einer zum Privatvermögen gehörenden Immobilie, die dem Vater schon länger als 10 Jahre gehört hat.  Kauft der Sohn seiner Schwester ihren hälftigen Anteil ab, gilt folgendes:
Für die Schwester löst der Verkauf des eigenen Erbteils an den Bruder keinen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn aus. Ihr wird die Besitzzeit des Vaters zu 100 % angerechnet.

Schritt 2)
Veräußert der Bruder anschließend die Immobilie, so galt bislang:

  • für den von der Schwester gekauften Teil beginnt beim Bruder aber eine neue 10 Jahre Spekulationsfrist. Verkauft der Bruder die Immobilie vor Fristablauf, so liegt für diesen (erworbenen) Teil der Immobilie ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft vor.

  • für seine eigene hälftige Erbquote (50 % ) tritt er aber in die Fußstapfen seines Vaters. Für diesen Teil der Immobilie löst der Weiterverkauf keinen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn aus. 

NUNMEHR GILT
Die Übernahme der Anteile an der Erbengemeinschaft (hier der Anteile der Schwester) ist keine steuerrelevante Anschaffung.

Die Weiterveräußerung löst beim Bruder insgesamt keinen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn aus » BFH 26.09.2023 (Abre numa nova janela)

Fallstrick
In einigen Testamenten wird der Erbe oder der von einem Vermächtnis Begünstigte verpflichtet, im Gegenzug für den Erhalt der Immobilie, eine Zahlung an andere Miterben oder Dritte zu leisten. In dieser Konstellation gibt es einen unentgeltlichen Vorgang und einen entgeltlichen Vorgang (vgl. BFH, Urteil vom 29.06.2011- IX R 63/10 (Abre numa nova janela)). 
In Anbetracht der geänderten Rechtsprechung könnte das Finanzamt dies künftig auch anders bewerten.


3. Erben wollen gemeinsam vermieten

Die Vermietung einer geerbten Immobilie kann eine attraktive Möglichkeit sein, regelmäßige Einnahmen zu generieren und das Erbe langfristig zu nutzen. Allerdings bringt diese Entscheidung sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich, die sorgfältig abgewogen werden sollten.

Durch die Vermietung werden kontinuierliche Mieteinnahmen erzielt, die einen stabilen Liquiditätsfluss gewährleisten können. Gleichzeitig erfordert die Vermietung einen gewissen Verwaltungsaufwand. Sie sind verantwortlich für die Instandhaltung der Immobilie, das Management der Mietverträge und die Bearbeitung von Mieteranfragen und -problemen. Eine Alternative besteht darin, einen professionellen Verwalter zu engagieren, der diese Aufgaben übernimmt, was jedoch zusätzliche Kosten verursacht.

Wenn die Immobilie von mehreren Erben gemeinsam geerbt wurde, sollten Sie über die “richtige” Rechtsform nachdenken.

Die Erbengemeinschaft ist als Gesamthandsgemeinschaft nicht rechtsfähig!

Empfehlenswert ist die Gründung einer ”Gesellschaft bürgerlichen Rechts”, die im Gesellschaftsregister einzutragen ist (eGbR), um die Vermietung und Verwaltung der Immobilie zu organisieren. Eine “einheitliche und gesonderte (Steuer)Feststellung” der eGbR ist zwingend erforderlich. Das prozentuale Einnahmeergebnis ist über die jeweilige persönlich Einkommenssteuererklärung zu versteuern. Kosten- und Nutzenverteilung, sowie die Regeln der Gemeinschaftsbildung sollten in einem Gesellschaftsvertrag niedergelegt werden.

Selbstverständlich kann die eGbR die Immobilie auch modernisieren, bauen, betreiben ect.. Dafür muss lediglich der Zweck im Gesellschaftsvertrag erweitert / verändert werden.

Hinweis

Obige Ausführungen können nur einen Einblick in die komplexen Rechtsfolgen vermitteln. Eine Beratung im Einzelfall durch qualifizierte Berater:innen ist anzuraten. Dies vermeidet teuere Überraschungen.
In Anbetracht des Zeitdrucks nach dem Erbfall sollte die Beratung zu Lebzeiten des Erblassers gemeinsam mit den potentiellen Erben erfolgen.

Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin

https://wonderl.ink/@angelika.maj_rml (Abre numa nova janela)

Tópico steuerrechtliche Themen

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