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Wie ein Vogel mich weckte und meine Perspektive auf die Welt änderte

Mein ganzes Leben habe ich nach unten geschaut – auf Insekten, auf Moose, auf alles Kleine. Vögel waren mir ehrlich gesagt ein wenig schnuppe. Dann weckte mich eines Morgens ein Kuckuck und hat damit alles geändert. Seitdem sehe ich überall Vögel. In diesem Text erzähle ich, wie es dazu kam – und wie du selbst ganz einfach anfangen kannst, Vögel zu beobachten.

Dieser Grünfink weiß, dass er gut aussieht und posiert entsprechend.

Es begann mit einem Kuckuck.

Kurz vor fünf Uhr morgens wachte ich auf. Das Fenster hatten wir zum Schlafen offen gelassen, die Luft war kühl, und draußen, irgendwo zwischen den Bäumen am Fluss, rief ein Kuckuck. Laut. Nah. So nah, dass er mich tatsächlich geweckt hatte. Ich hatte noch nie einen Kuckuck gesehen, aber das ist einer der wenigen Vogelrufe, die ich zweifelsfrei erkenne. Also stand ich leise auf, zog mich an, nahm meine Kamera und taumelte noch halb bewusstlos zur Tür hinaus. Kuckuck!

Die Stadt schlief noch. Der Weg entlang des Flusses, an dem mein Haus liegt, war menschenleer, nur meine Schritte knirschten auf dem feuchten Kies des Wanderwegs. Kuckuck! Etwas fröstelnd zog ich meine Jacke enger um mich, blieb stehen und lauschte. Der Kuckuck rief, aber er klang weiter weg als zuvor, irgendwo jenseits der nächsten Straßen. Ich folgte dem Geräusch, spähte in die Baumkronen, suchte die Zweige ab, ich wollte so gerne einen Kuckuck sehen! Noch nie hatte ich einen in meiner Nachbarschaft gehört und seitdem auch nicht mehr. Kuckuck! Jetzt klang er ganz weit weg. Enttäuscht ließ ich die Kamera sinken. Ich hatte extra das richtig große und schwere Teleobjektiv draufgeschraubt, und jetzt kam ich mir irgendwie blöd vor, wie ich da so stand. Ich überlegte, ob ich nach Hause gehen soll, da hüpfte direkt vor mir im Geäst ein Dompfaff von Ast zu Ast – den hatte ich hier auch noch nie gesehen.

Ich beschloss also, vorerst weiterzugehen, und trat damit in eine sehr laute und lebhafte Welt ein, die mir bis dahin tatsächlich eher verborgen geblieben war – dieses geschäftige Vogeltreiben in den frühen Morgenstunden, kurz vor und nach dem Sonnenaufgang, wenn die meisten Menschen noch in ihren Häusern waren. In diesen Stunden gehört die Stadt den Vögeln.

Das Dompfaff-Weibchen beobachtet mich skeptisch. Direkt nach dem Foto flog es davon.
Eine Krähe warnt ihre Gruppe vor mir. Vermutlich war sie schockiert, wie meine Haare morgens um 6 aussehen.

Über mir flog ein Schwarm Krähen zwischen den Häusern hin und her, begleitete mich ein Stück des Weges und kommentierte jede meiner Bewegungen mit warnenden Rufen. Ein Zaunkönig machte mit seinem hellen, kräftigen Gesang auf sich aufmerksam, reihte Note an Note und wippte dabei auf und ab. In einem Baum waren Tauben mit dem Nestbau beschäftigt, schleppten Zweige heran, setzten sich kurz, rüttelten mit kleinen Bewegungen am Material und gurrten leise, als würden sie sich absprechen. Ein Rotkehlchen bemerkte mich und gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass es mich nicht mochte – eine kleine, wütende Kugel im Geäst. Meisen zeigten sich, beobachteten mich, verschwanden wieder, um einen Ast weiter wieder aufzutauchen. Und dann entdeckte ich am Flussufer den jungen Graureiher, von dem ich wusste, dass er neu in der Gegend war. Diesmal hatte ich sogar eine richtige Kamera dabei! Zum ersten Mal konnte ich ihn richtig fotografieren, vorher waren es nur verpixelte Handyfotos.

Der Graureiher hat sich ganz entspannt fotografieren lassen. Da er neu im Viertel war und sich noch ummelden musste, hat er vermutlich damit gerechnet, dass irgendwann jemand zum Passfoto machen kommt.

Eigentlich haben mich Vögel lange Zeit nicht sonderlich interessiert. Auf den sommerlichen Exkursionen während des Biologiestudiums schleppten sich meine Kommilitonen mit riesigen Ferngläsern und Spektiven halb tot, während ich nur meine Taschenlupe um den Hals trug, um meine geliebten Insekten zu beobachten. Alles, was größer als eine Zwei-Euro-Münze war, hat mich nicht interessiert.

Man sagt ja, dass sich die Interessen mit dem Altern verändern. Dass man mit dreißig plötzlich Dinge gut findet, die einen mit zwanzig noch völlig kalt gelassen haben. Dass man plötzlich gutes Olivenöl zu schätzen beginnt, oder dass man übers Wetter spricht, oder dass man sich irgendwann für bequeme Schuhe interessiert. Aber niemand hat mir gesagt, dass ich eines Tages aufwachen und Vögel mögen würde. Es gab keinen Übergang. Kein langsam wachsendes Interesse. Ich habe mich nicht jahrelang mit dem Thema beschäftigt. Ich habe keine Dokumentationen gesehen, keine Bücher gelesen, keine langsam aufkeimende Faszination gespürt. Es war auch nicht so, dass ich Vögel gehasst und dann irgendwann meinen Frieden mit ihnen gemacht hätte. Sie waren mir einfach ein bisschen egal. Ich wusste, dass es sie gab. Ich freute mich, wenn ich einen schönen Vogel sah. Aber das war auch schon alles. Dann weckte mich eines Morgens ein Kuckuck. Und von da an war alles anders.

Die Chancen, von einem Rotkehlchen auf die Schnauze zu bekommen, sind gering – aber sie sind niemals null.

Ich bin es gewohnt, nach unten zu schauen. Fast mein ganzes Leben lang habe ich mich auf das konzentriert, was sich auf der Erde abspielt – in Moospolstern, unter Steinen, im Totholz. Mein Blick galt den kleinen Strukturen, den winzigen Bewegungen, die man nur sieht, wenn man wirklich geschult ist: einer Spinne, die sich durch ein Stück Rinde zwängt, einer Mücke, die über einer Pfütze tanzt, einem Käfer, der für mich kaum sichtbar ist, für eine Ameise aber ein Gigant sein muss. Ich kann aus fünf Metern Entfernung einen Marienkäfer sehen. Ich habe gelernt, in dieser Welt, in diesem Maßstab bestimmte Muster zu erkennen, das Chitin eines Insektenpanzers sticht für mich zwischen Tannennadeln und Laub hervor wie ein Neonschild. Meine Wahrnehmung war darauf geschärft, das Kleinste zu sehen.

Ich weiß nicht, wann ich das erste Mal wirklich nach oben geblickt habe, also ganz bewusst, mit der Absicht, dort oben etwas zu entdecken. Vielleicht war es der Kuckuck, der mich dazu brachte, der den Schalter im Hirn umgelegt hatte. Aber irgendwie sah ich ab da nach oben. Das war erst ein wenig komisch. Mein inneres Fernrohr, das ich jahrelang auf die mikroskopische Skala eingestellt hatte, musste sich erst neu justieren. Ich war es nicht gewohnt, mit den Augen einem Vogel am Himmel zu folgen, zu erkennen, wie sich Greifvögel in der Thermik halten oder wie Mauersegler durch die Straßenschluchten schießen. Ich war so darauf trainiert, winzige Veränderungen im Laub zu erkennen, dass an mir vermutlich ein Reh vorbeispazieren könnte – ich würde es nicht bemerken.

Plötzlich gab es da eine neue Welt, die immer dagewesen war, aber an der ich nie wirklich teilgenommen hatte. Ich begann, die Muster zu erkennen. Zu sehen, welche Vögel zu welcher Tageszeit an welchem Ort waren. Zu verstehen, warum sich Ringeltauben zu bestimmten Stunden an einer bestimmten Stelle am Flussufer versammeln, warum Krähen am Abend lauter werden, woher die Stare kommen, die plötzlich in großen Schwärmen über die Dächer ziehen. Ich hatte ein neues Level freigeschaltet, und das Beste daran: Ich musste dafür nirgends hin. Ich musste mich nicht in ein Schutzgebiet begeben oder meine Umgebung verlassen. Vogelbeobachtung passiert überall. Auf dem Weg zur Arbeit. Beim Blick aus dem Zugfenster. In der Mittagspause. Man kann dabei völlig in sich versinken, und gleichzeitig ist man aufmerksamer als je zuvor. Dieser Kuckuck hat damit wirklich mein Leben verändert, weil mich das Beobachten von Vögeln einfach erdet und entschleunigt – was eine verdammt gute Sache ist, wenn man, so wie ich, mit Depressionen lebt. Dass dieses Hobby auch total niedrigschwellig ist, ist dafür ein weiterer Bonuspunkt.

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Tópico Mitmachideen

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