NEUNERs #004
Kurzer Nachtrag zum in #003 (Abre numa nova janela) erwähnten Buch von Carlo Levi, „Die doppelte Nacht. Eine Deutschlandreise im Jahr 1958“. (Abre numa nova janela) Das gibt es doch noch hie (Abre numa nova janela) und da (Abre numa nova janela) als gedrucktes Buch. Und es ist wirklich sehr gut.
Auf Seite 27 flüstert ein Franzose dem reisenden Levi in einem Münchner Bierkeller, nur dreizehn Jahre nach Kriegsende und der Befreiung von Auschwitz, vertraulich ins Ohr:
„Il n'y a pas de monstres“
Carlo Levi, Die doppelte Nacht
„Es gibt (hier) keine Monster“.
Ich merke schon jetzt, dass ich die Kurve nicht bekomme. 1945. 80 Jahre. Es wird fast ohne Leichtigkeit gehen müssen heute.
Denn da fällt mir ein Zitat ein, das sich mir in einem Beitrag der arte-Reihe „Skandalromane der Weltliteratur“ (Abre numa nova janela)(2024) tief eingebrannt hat:
„Ich bin ein Mensch wie jeder andere. Ich bin ein Mensch wie ihr. Hört mal, wenn ich es euch doch sage: ich bin wie ihr.“
Jonathan Littel, Die Wohlgesinnten
Die Folge heißt „Im Kopf eines Nazis“ (Abre numa nova janela) und ist bei weitem nicht so schwierig, unerbittlich und unbedingt wie das Buch selbst. Die Distanz durch die Montage von Bewegtbildern und Erzählstimmen ist einfacher zu ertragen.

Ich habe das anschließend an die Folge zu „Die Verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ (Abre numa nova janela) von Henrich Böll gesehen.
https://youtu.be/2XM5q-IXh50?si=1Jv3oip7MYaiYp0a (Abre numa nova janela)Beide Folgen muss man unbedingt ansehen, finde ich. Möglichst jetzt direkt. Auch im Zusammenhang.
Also drei Mal Deutschland: Mit dem französischen Schriftsteller Littel im Kopf des fiktiven SS-Offiziers Aue in den Jahren 1941 bis 1945 von der Ukraine über Stalingrad, Konzentrationslager und das besetzte Paris bis ins zerstörte Berlin. Mit dem Italiener Levi durch die Straßen und Häuser von deutscher Städte im Jahr 1958. Mit Heinrich Böll in die zwischen Studentenprotesten, RAF und Springerpresse aufgeheizte BRD von 1974. Von einer Generation zur nächsten rechnet man in der Regel mit 25 bis 30 Jahren. Zwischen den hier genannten Zahlen lag also jeweils nur eine halbe Generation. Eine weiterer Halbschritt war´s dann bis 1990.
Leichtigkeit ist also heute nicht. Sorry.
Ein Lichtblick
Eine Empfehlung dennoch. Ein „Chiki-Teri-Teishoku“ im Restaurant Udugawa (Abre numa nova janela) in der Berliner Kantstraße hilft über einen dunklen, nassen, kalten, windigen Abend und macht deutlich, in welchen Zeiten und wo wir leben dürfen.

Davor empfehle ich ein paar Meter weiter bei LangerBlomqvist (Abre numa nova janela) in die Bücherkisten zu tauchen. Meistens hat man Glück.
In Aussicht
Am 25. Februar gibt es eine Buchpremiere (Abre numa nova janela) mit Lesung und Gespräch im Literaturforum im Brecht-Haus (Berlin Mitte, Karte 6€):
Julia Friese „delulu“. Moderiert von Mascha Jacobs (Dear Reader Podcast (Abre numa nova janela)).
„Die Prämisse des Romans ist, dass das Pleasure-Versprechen des post-politischen Pops der 90er- und frühen 2000er-Jahre delulu war. Wir dachten, wir leben am Fukuyama’schen Ende der Geschichte, in einem also wie selbstverständlich demokratisch organisierten Wohlfühl Kapitalismus, in dem es nur noch darum gehen kann, sich selbst wahrzumachen. Frieden, Fun, Broadcast Yourself! Diese Illusion
lässt sich, ich sag mal, seit den 2010er-Jahren immer schwerer aufrechterhalten.“
Julia Friese, Interview (Abre numa nova janela)
Leider schon „fully booked“ ist der Salonfestival-Abend (Abre numa nova janela) mit Andrian Kreye (SZ (Abre numa nova janela)) am 29. Januar in einem Privathaus in München-Harlaching.
https://youtu.be/NEYTRDKsfdk?si=uNbFl-jjencDoWcc (Abre numa nova janela)Letztes Jahr war ich dort mit Carlo Masala (Abre numa nova janela). Es lohnt sich also sehr, regelmäßig die Termine (Abre numa nova janela) zu checken.
Outro
Danke für den Ausflug.
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