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Schreib mal wieder!

Von Hasnain Kazim - “Wir und die anderen” / Trump / Aschaffenburg / Freud und Leid / Briefe

Liebe Leserin, lieber Leser,

hin und wieder werde ich gefragt: “Verraten Sie mir, wen Sie wählen?” Hinter dieser - leicht unverschämten, aber doch nachvollziehbaren - Frage steckt natürlich Neugier, gewiss, aber auch der Wunsch, möglicherweise eine Wahlempfehlung für die bevorstehende Bundestagswahl zu bekommen. Einige wenige wissen, wen ich diesmal wähle. Ich habe es ihnen erzählt. Die meisten wissen es nicht, und das ist auch gut so. Alles in allem halte ich viel vom Wahlgeheimnis. Von wahlempfehlenden Journalistinnen und Journalisten oder gar von Wahlempfehlungen von Medienhäusern hingegen halte ich gar nichts.

Ich bin ein klassischer Wechselwähler und habe von CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD - rein alphabetische Reihenfolge! - schon alle gewählt. Die einen häufiger, die anderen seltener. Als Jugendlicher und junger Erwachsener war ich mal in der FDP, um Politik von innen kennenzulernen (und habe tatsächlich viel gelernt), seit 1998, seit ich also angefangen habe, beruflich zu schreiben, bin ich parteilos.

Viele Leute sagen mir, sie wüssten überhaupt nicht, wen sie diesmal wählen sollen. Da kann ich leider nicht helfen. Nur zwei Ratschläge: 1. Unbedingt zur Wahl gehen (beziehungsweise rechtzeitig Briefwahl beantragen) und die Partei wählen, mit der man die meisten inhaltlichen Übereinstimmungen hat (es hilft, den “Wahl-O-Mat” im Internet zu nutzen (Abre numa nova janela), den die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht und der diesmal am 6. Februar 2025 online gehen soll) beziehungsweise der man am ehesten zutraut, vernünftige Politik zu machen. Und 2. demokratisch wählen, also nicht irgendwelche Extremisten, die demokratische Mittel nutzen, um die Demokratie auszuhöhlen.

Der unbekannte Andere

Neulich habe ich bei einer Party mehrere Journalistinnen und Journalisten getroffen, und ich hörte - wieder mal -, dass einige von ihnen sagten, sie kennten in ihrem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis keinen einzigen, der CDU oder CSU wähle oder der Friedrich Merz als Bundeskanzler wolle.

Die Union liegt in Umfragen irgendwo um die 30 Prozent, mal mehr, mal weniger, je nach Umfrageinstitut, aber überall deutlich auf Platz eins. Unabhängig davon, wie man selbst zur Union steht, frage ich mich: Wie kann es sein, dass man in seinem Umfeld niemanden kennt, der CDU/CSU wählt? Wie weit entfernt muss man von der Gesellschaft leben, damit man das von sich behaupten kann? Fast klang die Aussage ein wenig stolz, aber ist sie nicht eher beschämend, weil man damit in Wahrheit kundtut, dass man sich ziemlich weit weg von großen Bevölkerungsgruppen bewegt, wo man doch über Gesellschaft schreibt?

Ich war ja mal in der Bundeswehr und habe die Offizierslaufbahn bei der Marine eingeschlagen. Und ich erinnere mich, dass dort einige Kameraden sagten, ihnen sei niemand bekannt, der die SPD oder, “schlimmer noch”, die Grünen wähle. Und als 1998 der Sozialdemokrat Gerhard Schröder die Bundestagswahl gewann, herrschte in weiten Teilen der Bundeswehr ein schockartiger Zustand. (Vor allem, als bekannt wurde, dass Rudolf Scharping Verteidigungsminister wird, was, ich muss das einräumen, auch mich in einen Schockzustand versetzte). Viele glaubten allen Ernstes, jetzt gehe die Welt unter.

Auch da: Wie kann es sein, dass Soldaten, deren Hauptaufgabe die Landesverteidigung ist, vorgeben, niemanden zu kennen, der solche ja doch recht maßgebliche Parteien wählt? Und auch da: Wie weit sind solche Soldaten dann von der Gesellschaft entfernt, die sie beschützen sollen?

Niemand muss Wechselwähler sein. Man kann von mir aus mit einer Partei verheiratet sein, sie ein Leben lang wählen und kritiklos alles toll finden, was sie beschließt. Nur sollte man doch hin und wieder mal über den Tellerrand schauen und hören und vielleicht auch verstehen, was andere wollen. Und auch in Erwägung ziehen, dass es vielleicht, ganz vielleicht sein könnte, dass die anderen etwas besser machen, einen klügeren Plan oder eine konstruktivere Lösung haben.

Das setzt aber voraus, dass man den anderen auch mal zuhört. Sie vielleicht als Konkurrenten oder als Gegner ansieht, aber nicht als Feind.

Vielleicht das als Vorsatz für die nächsten Tage: Überlegen Sie sich doch mal, welche - demokratische! - Partei Sie nicht mögen und wessen Ansichten Sie oft nicht teilen. Und dann treffen Sie sich mal mit jemandem aus dieser Partei oder der sie wählt und hören Sie mit offenem Herzen zu und überlegen Sie, was dieser Mensch will und ob er nicht vielleicht einen Punkt hat. Und wenn ja, ändern Sie doch mal hier oder da Ihre Position.

Was will Trump eigentlich sagen?

Seit dieser Woche nun ist Donald Trump schon wieder US-Präsident. Und siehe da, die Welt steht noch. Ich halte Trump für charakterlich ungeeignet für dieses wichtige Amt, spätestens seit er sich im Wahlkampf 2015 über einen behinderten Journalisten der “New York Times” lustig machte (Abre numa nova janela) und dessen Körperhaltung imitierte, weil der ihn in einem Artikel kritisiert hatte. Damals dachte ich: Das war’s, dieser Typ ist derart furchtbar, der wird bestimmt nicht gewählt! Und das war nur eine Sache von vielen, die ihn unmöglich und in meinen Augen unwählbar machten.

Die Wählerinnen und Wähler hievten ihn dennoch ins Amt, knapp zwar, aber immerhin.

Man muss, so kritisch man Trump auch sehen mag, zur Kenntnis nehmen, dass ihn diesmal eine satte Mehrheit gewählt hat. Das macht ihn nicht - siehe oben - automatisch zum Demokraten und bedeutet auch nicht, dass man ihn nicht mehr kritisieren sollte. Aber ich finde, wir sollten jetzt nicht die kommenden vier Jahre von einer Ohnmacht in die nächste fallen, sondern die wesentlichen Dinge kritisieren. Und uns auch mal überlegen, wo er Recht haben könnte.

Es gibt etwas zwischen rückgratloser Kriecherei à la Zuckerberg & Co. und pseudokritischer Dauerhysterie.

Sprache ist das Instrument von Politikern, sie sollten sie beherrschen. Trump tut es nicht, er haut oft daneben, schießt übers Ziel hinaus oder äußert sich, häufig absichtlich, missverständlich. Das kann man beklagen, aber es hilft ja nichts. Es lohnt sich deshalb, bei seinen Äußerungen immer wieder zu fragen: Wie meint er es eigentlich? Und warum sagt er es überhaupt?

Ein Beispiel: Bei seiner Aussage, die USA würden sich den Panama-Kanal zurückholen, geht es darum, dass der größte strategische Gegner der USA, China, an beiden Enden des Kanals jeweils einen Hafen betreibt. Es geht zudem um die Kosten für die Nutzung des Kanals, den immerhin die USA gebaut haben. Ihn militärisch zurückzuerobern, ginge natürlich gar nicht. Wird er es tun? Ich will es nicht glauben. Die chinesische Präsenz zu kritisieren und auch die Kosten, ist aus US-amerikanischer Sicht aber verständlich. Könnte man sehr viel diplomatischer formulieren als Trump. Aber in der Sache kann ich ihn verstehen.

Übrigens: Viel wichtiger, als tagelang atem- und sinnlos darüber zu diskutieren, ob die Armbewegung von Elon Musk bei der Amtseinführung Trumps ein Hitlergruß war oder nicht, wäre, sich damit zu befassen, wie wir als Europäer so zusammenstehen können, dass wir uns gegen die USA und gegen irgendwelche Halb- und Nichtdemokratien behaupten können.

Aschaffenburg und die erwartbaren Reaktionen

Ein Flüchtling aus Afghanistan hat - schon wieder - Menschen mit einem Messer angegriffen und dabei zwei Menschen, nämlich ein Kleinkind und einen Erwachsenen, getötet.

Richtig ist: Selbstverständlich sind nicht alle Menschen, die aus Afghanistan kommen, gefährlich. Schon gar nicht sind alle Menschen, die zu uns flüchten, Mörder. Und ja, wir brauchen Zuwanderung, wir sollten sie nicht pauschal infrage stellen, wie das manche Extremisten jetzt tun.

Richtig ist aber auch: Solche Typen wie den Gewalttäter von Aschaffenburg (und den von Magdeburg und den von Solingen und den von Mannheim und…) möchte ich nicht in unserer Gesellschaft wissen, und es ist nicht nur legitim, sondern dringend nötig, vernünftig darüber zu reden, wie wir verhindern können, dass solche Leute zu uns kommen. Und wie wir Migration sinnvoll gestalten können.

Es ist ein Unterschied zu sagen: “Alle Migranten sind Mörder/Vergewaltiger/kriminell!” und “Unter Flüchtlingen gibt es einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an Gewalttätern, die eine Bedrohung für uns darstellen, und darüber müssen wir reden.”

Und ja, in der Tat: Darüber müssen wir reden, ohne als “Rassist” oder “Faschist” oder “Nazi” diffamiert zu werden. Genauso wie es möglich sein muss, Zuwanderung konstruktiv zu gestalten, ohne als “linksgrünversifft” oder “Gutmensch” verunglimpft zu werden und “Bevölkerungsaustausch!!!!” an den Kopf geknallt zu bekommen.

Es sollte möglich sein, vernünftig und anständig über durchaus verbreitete Probleme und Herausforderungen zu reden.

Freud und Leid

In den zurückliegenden Tagen hatte ich oft Kontakt zu meinen alten Crewkameraden von der Marine. Eine Crew, so heißt ein Offiziersjahrgang, ich gehöre der “Crew VII/94” an, weil ich im Juli 1994 meinen Dienstantritt hatte. Zu meiner Crew gehören schätzungsweise 200 Leute, von denen ein Teil - vielleicht ein Drittel? - Berufssoldat geworden, sprich: noch dabei ist. Die anderen habe, wie ich, andere Wege eingeschlagen.

Vor ein paar Tagen erfuhr ich, dass ein Crewkamerad gestorben ist, im Alter von nur 49 Jahren. Ich hatte mit V. viel zu tun, während der Offiziersausbildung saßen wir oft nebeneinander, bei einem Orientierungsmarsch gehörten wir derselben Einheit an, unternahmen in unserer Freizeit rund um Flensburg gemeinsam etwas, segelten zusammen. Mit V., diesem feinen, humorvollen Menschen, war alles lustig und erträglich. Und wie das so ist, verloren wir uns später aus den Augen. Im August 2023 stand er plötzlich neben mir, bei einem Empfang auf dem indonesischen Segelschulschiff “Bima Suci”. Wir verabredeten, uns möglichst bald wiederzusehen. Dazu kommt es nun leider nicht mehr.

Ein paar Tage später erfuhr ich, dass ein anderer Crewkamerad, J., einen spannenden Dienstposten bekleiden und damit demnächst zum Admiral befördert wird. Der erste Admiral in unserer Crew! Lange haben wir darüber spekuliert, ob und wer es von uns schafft - J. is it! Mich freut das wirklich sehr, auch weil ich glaube, dass die vielen Männer und Frauen, für die er nun Verantwortung tragen und die er prägen wird, bei ihm in guten Händen sind.

Es ist wie oft im Leben: Man trauert, man freut sich, und beides ist manchmal nicht weit voneinander entfernt. Und es erinnert mich daran, mit dem Treffen von Freunden nicht zu warten.

Schreib mal wieder!

Immer wieder greife ich zu dem Buch “To the Letter. A Celebration of the Lost Art of Letter Writing” von Simon Garfield. Es gibt dieses Buch auch auf Deusch: “Briefe! Ein Buch über die Liebe in Worten, wundersame Postwege und den Mann, der sich selbst verschickte”. Es geht von Plinius über Goethe und Lewis Carroll und Jane Austen bis in die Gegenwart, zu den Verfassern von E-Mails.

Ich habe das Buch 2013 entdeckt, und seither lese ich regelmäßig darin. Und freue mich, wenn ich dann Briefe bekomme, am liebsten handschriftlich verfasste, per Post. So wie von Frau K., die mir vor einiger Zeit mal auf japanischem Papier geschrieben hat.

Vergangene Woche war ich auf Lesereise, zuletzt in Berlin, wo ich in der Landesvertretung Niedersachsen lesen durfte. Nach der Lesung gab es Oldenburger Grünkohl sowie Altländer Nachtisch für alle! Grandios!

Nun bin ich wieder zu Hause in Wien, und Frau Dr. Bohne und ich wünschen Ihnen einen schönen Sonntag und eine angenehme Woche!

Herzliche Grüße

Ihr Hasnain Kazim

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