„Ich bin stolz, Freitaler zu sein“
Thorsten Mager ist der neue Quartiersmanager für Potschappel – er hat erfahren, dass auch in Tiefen etwas gutes Neues wachsen kann. Menschen zusammenbringen ist seine Berufung.
Thorsten Mager vor dem Büro des Quartiersmanagements.
Die Stadt ist sein Zuhause und jetzt ist er sogar der neue Quartiersmanager in Potschappel. Doch wenn Thorsten Mager für ein Foto hinaustritt auf die Dresdner Straße, fühlt er sich ein wenig unbehaglich. Er steht lieber in der zweiten Reihe, nicht ganz vorn. Aus der zweiten Reihe aus könne er mehr bewegen, sagt er. Und sowieso nur gemeinsam mit Anderen. Und darauf kommt es jetzt an.
„Wenn es einer schafft für Potschappel, dann Thorsten“: So oder ähnlich waren die Meinungen bei Facebook, als er Anfang September als neuer Quartiersmanager vorgestellt wurde. Der 55-Jährige mit dem Basecap soll nun helfen, den Stadtteil mit der langen Dresdner Straße, an der etliche Geschäfte längst geschlossen haben, neu zu beleben. Soll Händler, Vereine, Bürger und Stadtverwaltung zusammenbringen. Eine große Aufgabe. Zwei Vorgänger als Quartiersmanager waren schnell wieder weg.
Der Mann habe gute Chancen, meinten einige, er sei ja ein Einheimischer. Thorsten Mager staunt und freut sich. „Weil ich mich selbst auch so fühle. Freital ist für mich Heimat.“ Seit er vor 30 Jahren aus Aachen hierher gekommen ist.
Es war ein langer Weg seitdem. Voller Höhen und Tiefen. So wie Freital voller Höhen und Tiefen ist. Vielleicht passt Thorsten Mager deshalb so gut zu dieser Stadt. Seine Geschichte mit Freital begann 1994, genauer gesagt im Weißeritzpark. Dort eröffnete er ein Jeans-Laden. „Freestyle“ nannte er ihn, später noch einen weiteren Laden mit Namen „Tatort“. Bis der Krebs kam, seine Ehe in die Brüche ging. „Das war der Bruch“, sagt Thorsten Mager. „Ich musste von ganz unten wieder anfangen.“
Er entdeckte dabei Freital von einer ganz neuen Seite: Uwe Jonas holte ihn in die Windberg-Arena, schnell wirkte er an Konzeption und Betrieb der Veranstaltungshalle mit. „Sehr enthusiastisch haben wir gearbeitet“, erinnert er sich. Bis die Stadt die Halle abreißen ließ. Doch Thorsten Mager machte mit vielen anderen aus den Trümmern etwas Neues. Sie gründeten zusammen mit seiner Frau, die ihren Tanzverein einbrachte, die Kultur- und Tanzwerkstatt – das KuTa-Werk. Mager übernahm den Vorsitz. So wie später auch beim Soziokulturellen Zentrum Freital. Und noch später beim Förderkreis BIOTEC, der benachteiligten Menschen eine Chance gibt.
„Die Aufgaben kamen zu mir“, sagt Thorsten Mager. „Es ist wie eine Berufung.“ Er fand sie, nachdem er ganz unten war. Dort fand er auch Gott. Was er tut, ist für ihn auch eine Glaubensfrage.
„Meine Berufung ist, Menschen zusammenzubringen“, so beschreibt es Thorsten Mager selbst. Und das ist auch der Plan für seine neue Arbeit als Quartiersmanager in Potschappel. Wie groß die Herausforderungen sind, weiß er aus eigener Anschauung. Zwei Jahre hat er in einem An- und Verkauf hier auf der Dresdner Straße hinter der Ladentheke gestanden. „Ich habe Potschappel auch aus Händlersicht kennen gelernt.“ Thorsten Mager weiß, wie schwierig die Lage ist. Und macht sich auch keine Illusionen: Eine Einkaufsmeile zum Bummeln wird die Dresdner Straße in Zeiten von Shopping-Center und Online-Handel wohl nicht mehr. Er hat eine andere Vision.
Er sieht sie vor seinem inneren Auge, wenn er auf den Platz des Handwerks vor dem Potschappeler Bahnhof blickt. Der ist schön gestaltet mit Brunnen und Skulpturen. Aber etwas fehlt. „Man sieht relativ selten Menschen dort verweilen.“ Sie hasten zum Zug oder zum Bus, einzeln, schnell. „Solche Orte der Begegnung fehlen in Freital.“ In dieser Stadt erst vor gut 100 Jahren aus Industriedörfern zusammengewachsenen Stadt ohne richtiges Zentrum.
Thorsten Mager will helfen, das zu ändern. Nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen. In der Potschappeler Akteursrunde vernahm er die Idee, auf dem Platz des Handwerks gegenüber liegende Sitzgelegenheiten zu schaffen, die zum Gespräch einladen. „Darauf will ich hören und solche Impulse weitertragen in die Stadt und die Verwaltung.“
Thorsten Mager ist erst seit wenigen Wochen im Amt. Einen Masterplan hat er nicht. Ein paar Ideen indes schon. „Für mich hat Potschappel eine besondere Chance. Etwa als Wohnort für Studenten, denn von hier gibt es eine schnelle S-Bahn-Anbindung in Richtung TU Dresden. Auch für Coworking-Space können wir hier Platz finden. Daraus ergeben sich auch wieder Chancen für den Einzelhandel und die Gastronomie.“
Aber das Thema, mit dem er aber zuallererst in diesen Tagen auf die Händler und Vereine in Potschappel zugeht, ist die angekündigte Schließung des Jugendtreffs „Hafenkante“ (Abre numa nova janela). Er hat eine Stellungnahme für dessen Erhalt geschrieben und zieht mit ihr von Laden zu Laden, um Unterstützer zu sammeln. „Wir merken jetzt schon die Auswirkungen, dass viele Jugendliche dadurch komplett auf die Straße gezogen werden“, beobachtet Thorsten Mager, „mit allen Problemen, die das mit sich bringt.“
Als Quartiersmanager will er junge Menschen im Stadtteil zusammenbringen, Schulen und Kindergärten und Vereine. Und ältere Menschen. Wie das aussehen kann, das hat er schon in den letzten anderthalb Jahren als Vorsitzender und Projektleiter von BIOTEC gezeigt. Sein Team und er haben den Potschappeler Kaffeeklatsch für Senioren im Viertel aus der Taufe gehoben. Aus dem BIOTEC-Sommerfest haben sie im Juni erstmals das Potschappeler Stadtteilfest gemacht zusammen mit 15 Akteuren.
„Die Treffen im Vorfeld des Festes waren das Eigentliche“, schwärmt Thorsten Mager, „wenn der Hort, die freie evangelische Gemeinde, die Spielbühne, Gewerbetreibende und viele andere in Kontakt miteinander kommen. Ältere und jüngere Menschen. Diese Begegnungen möchte ich schaffen, denn nur über Kommunikation entstehen neue Dinge.“
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In Potschappel liegen für Thorsten Mager viele Chancen versteckt. Hier, wo viele andere – vor allem, aber nicht nur Auswärtige – bloß eine Durchgangsstraße sehen, leere Geschäfte, wenig Warmes. „Leider standen in der Vergangenheit, wenn es um Potschappel ging, mehr die Probleme im Vordergrund“, sagt der neue Quartiersmanager. „Das zu drehen auch im Bewusstsein der Potschappeler, das ist eine meiner Aufgaben.“
Eine ziemlich große Aufgabe. Aber machbar, davon ist Thorsten Mager überzeugt. Weil er dafür nichts künstlich schaffen muss. Alles was es dafür braucht, ist längst vorhanden. „Ich bin stolz, Freitaler zu sein. Weil wir hier ein fantastisches zivilgesellschaftliches Leben haben und eine Stadtregierung, die die Vereine massiv unterstützt.“ Wenn er in seiner alten Heimat Aachen ist, sagt Thorsten Mager, merke er immer wieder, wie groß doch das ehrenamtliche Engagement in Freital sei. Über 40 Menschen hätten erst letztens beim Windberg-Fest in der KuTa-Area geholfen.
Sie sind für ihn der eigentliche Schatz, der in Potschappel und ganz Freital versteckt liegt. Thorsten Mager hat ihn längst gefunden.
Andreas Roth
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