Weniger Kinder: Müssen Kitas schließen und Eltern mehr bezahlen?
Freitals Erster Bürgermeister Peter Pfitzenreiter über dramatisch sinkende Kinderzahlen – und wie die Stadt darauf reagiert
Herr Pfitzenreiter, jahrelang mussten Eltern schnell sein, um für ihre Kinder überhaupt einen Platz in Krippe und Kita zu bekommen – jetzt gibt es auch in Freital auf einmal zu viele Plätze. Was ist passiert?
Pfitzenreiter: Die Lage hat sich dramatisch gewandelt – überraschend dramatisch. Wir haben für das Geburtsjahr 2018 in Freital 403 Kinder, für das Geburtsjahr 2019 ging es auf 346 Kinder zurück – und 2023 sind wir bei 243 Kindern angekommen. Im laufenden Jahr werden wir wohl noch ein Stück darunter liegen. Auch die Zuzüge von Kindern nach Freital sanken von 121 im Jahr 2018 auf 40 im vergangenen Jahr.
War diese Entwicklung nicht absehbar?
Wir haben als Stadt lediglich die Daten der regionalisierten Bevölkerungsprognose des Freistaates zur Verfügung, an ihnen haben wir uns immer orientiert. Doch die wirklichen Kinderzahlen sind weit unter diesen Prognosen geblieben. Auch die vorhergesagte Anzahl von Kindern für 2024 und 2025 sind wahrscheinlich nicht zu schaffen, die wirklichen Zahlen liegen deutlich darunter. Im Bereich der Kinderkrippen haben wir nur ein Jahr Vorlauf ab Geburt – da ist es natürlich schwer, auf die realen Kinderzahlen zu reagieren.
Wie plant Freital angesichts solch schrumpfender Zahlen seine Kindergarten- und Krippenplätze?
Das diskutieren wir gerade im Rathaus. Im Januar wird der Stadtrat über die neue Kita-Bedarfsplanung entscheiden. Wir planen vorsichtig. Das heißt: Wir rechnen lieber mit mehr Geburten, um am Ende nicht zu wenige Plätze zu haben.
Müssen Kindergärten und Krippen in Freital geschlossen werden?
Schon bei der letzten Kita-Bedarfsplanung im Januar 2024 hat der Stadtrat beschlossen, dass der Kindergarten „Kinderland“ in Wurgwitz spätestens zum 1. September 2027 schließen soll. Das Gebäude wird dann ein Auslagerungsstandort für andere Kitas. Das Personal soll Klarheit haben. Auch die Kita „Willi“ hatte Gruppen mit nur noch sehr wenigen Kindern. Hier haben wir es geschafft, die Erzieherinnen und die Kinder auf andere Einrichtungen zu verteilen, so dass sie zusammenbleiben können.
Eigentlich wollte Freital ja sogar noch Kita-Plätze ausbauen.
Im Bauprojekt am „Sächsischen Wolf“ soll eigentlich ein Kindergarten gebaut werden. Aber wir sehen mittlerweile, dass wir ihn nicht brauchen. Auf der anderen Seite müssen wir aufpassen, dass wir am Ende nicht zu wenig Plätze vorhalten. Viele Einrichtungen sind froh, dass jetzt mehr Luft zum Atmen da ist. Kinder brauchen Räume für Kreativität, Musik und Sport.
Aber weniger Kinder bedeuten auch weniger Einnahmen – müssen Stellen für Erzieherinnen und Erzieher abgebaut werden?
Da stehen wir wirklich vor Herausforderungen in der Personalplanung für unsere gut 350 Beschäftigten im Erzieherbereich der städtischen Einrichtungen und auch die freien Träger, weil die Vorlaufzeit sehr gering ist. Aber durch Altersabgänge und Fluktuation haben wir es als Stadt geschafft, mit den Stellen in einen Bereich zu kommen, wo wir sogar wieder Erzieher einstellen mussten.
Sie müssen niemanden entlassen trotz der stark gesunkenen Kinderzahl?
Nein, wir arbeiten an anderen Lösungen. Wir haben in den vergangenen Jahren Arbeitsverträge mit flexiblen Stundenzahlen abgeschlossen, da können wir die Arbeitszeit einzelner Beschäftigter anpassen. Wir wollen zugleich vermeiden, Mitarbeiter ungleich zu behandeln, und das haben wir meistens auch geschafft. Und wir haben jetzt auch Erzieherinnen befristet eingestellt, so dass wir später entscheiden können, ob wir sie halten können.
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Die bisherige sächsische Landesregierung aus CDU, Grünen und SPD hat als letzte Amtshandlung beschlossen, den Kommunen trotz sinkender Kinderzahlen die gleichen Zuschüsse für Kitas zu zahlen, damit sie ihr Personal halten können – funktioniert das?
Für mich ist die offene Frage, was davon wirklich bei uns ankommt. Vielleicht würde das für uns in ganz Freital eine einzige Stelle sichern – aber ich bin da skeptisch.
Selbstständige Tageseltern indes sind vom Kinderrückgang massiv betroffen – wie stark?
Wir hatten bis vor Kurzem 25 Tageseltern in Freital, in 2025 werden es 15 sein. Sie kündigten meist, weil sie zu wenig Kinder hatten. Das bedauern wir sehr.
Haben wir nun bei den Geburten und Kinderzahlen die Talsohle erreicht?
Wenn wir auf die Bevölkerungsprognose des Freistaats sehen, haben wir bald wieder etwas mehr Geburten. Hinzu kommt der Zuzug von Familien. In überalterten Bereichen und Wohngebieten unserer Stadt findet über kurz oder lang ein Generationenwechsel statt – da habe ich in unserer Region mit der Nähe zu Dresden wenig Angst vor Leerstand.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Elternbeiträge? Die wurden erst im September um 17 Prozent erhöht. Gibt es Spielraum für eine Absenkung oder werden sie weiter steigen?
Wir sind jetzt schon auf dem zulässigen Maximalwert. Die Entwicklung der Kinderzahlen hat nur geringen Einfluss auf die Elternbeiträge. Wenn weniger Kinder in einer Einrichtung sind, gibt es ja weniger Personal und damit geringere Kosten. Nur die Betriebskosten wie Heizung und Strom verteilen sich dann auf weniger Familien.
Viele Familien in Freital fühlen sich durch die hohen Elternbeiträge schon jetzt stark belastet – kann die Stadt daran nichts ändern?
Wenn wir daran wirklich spürbar etwas ändern wollen, kostet es sehr viel Geld. Wir haben rund 2000 Kinder im Krippen- und Kita-Alter in Freital: Wenn wir ihre Eltern jeden Monat um 50 Euro entlasten würden, kostet das die Stadt rund 1,2 Millionen Euro im Jahr. Wir bezahlen schon jetzt gut sechs Millionen Euro für Krippen und Kitas und investieren stetig, wie in den Neubau der Kita „Naturbande“ oder in die Erneuerung des Außengeländes der Kita „Wiesenhang“.
Der Freistaat dagegen hat seine Zuschüsse für die Kitas 2024 nicht an die Kostensteigerungen angepasst. Am einfachsten und besten wäre eine beitragsfreie Kita. Das wäre gut für die Kinder, denn dort werden viele Grundlagen gelegt – und würde uns als Stadt viel Bürokratie ersparen. Doch das muss die Landesregierung entscheiden.
Die Fragen stellte Andreas Roth.
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