Warum ich diesen merkwürdigen Fiesta fotografiert habe
Liebe Leser:innen, ich bin Holger Lückerath und neben meiner Arbeit als Interface Designer bin ich Fotograf. Martin hat mich gebeten, euch eines meiner Lieblingsfotos in diesem Fotonewsletter vorzustellen – und ein paar fotografische Prinzipien daran zu erklären. Wenn euch dieser Text gefallen hat, folgt mir gerne auf Instagram (Abre numa nova janela).
Eigentlich fiel mir dieses merkwürdige Haus schon oft bei meiner Morgenrunde mit dem Hund auf. Ich hatte es vorher mehrfach fotografiert. Mal im Winter, mal im Herbst. Einmal frontal von vorne, und einmal von weiter weg. Bis diese Version entstanden ist, vergingen fast zwei Jahre.
Warum ich dieses Foto gemacht habe
Der kleine Fiesta steht immer exakt an der gleichen Stelle. Immer frisch geputzt. Ich frage mich, warum zur Hölle der oder die Besitzer:in den Wagen direkt an der Hauswand, direkt vor der Haustür parkt. Liebe Leser*in, schau dir dieses Bild einmal genau an. Es ist eigentlich genug Platz da. In diesem wunderschön zubetonierten „Vorgarten“, oder?
Die Rollläden des Fensters am Haus sind auch fast immer unten. Die gefakten Ziegelsteine an der Hauswand, die riesig wirkende, fensterlose Wand des Nachbarhauses – da sind einige Kuriositäten vorhanden. Ist das nicht großartig? All das sind Zutaten, die für mich ein super Foto ausmachen.
Mir gefällt diese Version mit Abstand am Besten, weil der bewölkte Himmel wie ein riesiger Diffusor ein schön undramatisches, weiches Licht erzeugt und die Szene dadurch noch ein wenig trister wirkt, als sie sowieso schon ist. Zusätzlich führt der Fluchtpunkt die Augen der Betrachter:in direkt auf das deplaziert wirkende Auto. Man könnte fast meinen, das Auto kuschelt sich da in die Ecke. Und dann ist es auch noch lila! Gut, ich gebe zu, ich habe die Sättigung des Lilas ein bisschen erhöht. Aber wieso auch nicht?
Drei fotografische Prinzipien
Geduld. Manchmal muss man einen Foto mehr, als nur einmal machen. Damit meine ich nicht, dass Du das Foto 3x zum gleichen Zeitpunkt machst. Es kann durchaus sehr hilfreich sein, einen Ort mehrfach zu besuchen. Allein durch andere Lichtsituation kann das dann entstehende Foto ganz anders wirken.
Linien leiten das Auge. Ob wir es wollen oder nicht: Die menschliche Wahrnehmung läßt sich recht einfach beeinflussen. Beim Betrachten eines Fotos mit zentrisch zulaufenden Linien wandert das Auge ganz automatisch diese Linien ab und landet dann dort, wo wir es haben wollen. In diesem Fall wird das durch den einzig wirklich farbigen Bereich im Bild noch verstärkt. Siehe Punkt 3.
Kontrast, Baby! In der Malerei, genau wie in der Fotografie, gibt es 7 Farbkontraste (Abre numa nova janela). Hier macht der Qualitätskontrast (auch Intensitätskontrast oder Bunt-zu-Unbunt-Kontrast) das Bild interessant.
Qualitätskontrast beschreibt den Unterschied von Bereichen im Bild mit starker und geringer Farbsättigung.
Wenn ihr mit einem Foto unzufrieden seid – und keine Menschen darauf zu sehen sind: Wie wäre es, wenn ihr nochmal an denselben Ort geht, und die Aufnahme noch einmal macht?