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Warum ich die Fotografie hinter mir ließ, um Fotograf zu werden

Meine Reise in den Burnout. Und zurück. 

Als ich mich 2005 in die Fotografie verliebte, nutzte ich jede freie Minute für mein neues Hobby. „Machen sie tausende, abertausende Fotos“, hatte mir ein Profi geraten (Abre numa nova janela) und ich wollte nichts lieber tun, als das.

Ein paar Monate später meldete ich mich bei Flickr an, eine der ersten internationalen Fotocommunities. Dort fand ich Fotograf:innen wie Rebekka Guðleifsdóttir, die mich mit ihren surrealen Selbstportraits und glühenden Sonnenuntergängen beeindruckte.

Was mich noch mehr beeindruckte: die Zahlen. 795 Likes, 222 Kommentare und tausende Views. Zu einem Foto. Das war „krass“.

Ich wurde süchtig nach Likes und Kommentaren

Ich wollte auch krass sein. Nach einem halben Jahr schlug eins meiner Fotos auf Flickr ein und bekam mehr als zehn und später noch mehr Likes und viele Kommentare. Wie gut sich das anfühlte! 

Doch das reichte natürlich nicht. Ich wollte mehr – und entwickelte eine Sucht nach der Anerkennung, den „Great shot!“-Kommentaren und dem damit verbundenen, kurzen Rausch.

Unbemerkt verschob sich mein Streben nach guten Aufnahmen zu einem Streben nach Aufmerksamkeit. Ich wollte auch bekannt werden. Und dafür tat ich alles.

Ich setzte mich massiv unter Druck

Ununterbrochen lief ich (Fotos) schießend in Wäldern und auf Feldern herum, verließ morgens um 5 Uhr das Haus, um zu goldenen Stunde den Sonnenaufgang nicht zu verpassen. Ich gönnte mir keinen Break. 

Wenn ich Abends vor einem Baum auf weitem Felde stand, mein Stativ aufstellte und die Kamera ausrichtete, überlegte ich schon: Wird dieses Foto auf Flickr gut ankommen? Wer wird es liken? 

Ich setzte mich selbst unter Druck. Jedes Foto musste den besten Farbkontrast, die optimale Tiefenschärfe und den perfekten HDR-Himmel haben.

Auf einer Fototour erzählte ich einem Freund, der auch fotografierte, mit breiter Brust: „Ich will Fotos machen, die mit nichts Anderem zu vergleichen sind.“ Ganz schön arrogant. Und: Höher, lieber Martin, hättest du dein Ziel nicht hängen können.

Allerdings war mir überhaupt nicht klar, was hier passierte. Niemand, der sich unter Druck setzt, denkt: Ich setze mich unter Druck. Du funktionierst, reagierst und agierst einfach. 

Keine Pausen – bis in den Burnout

Ein verschneiter Tag im Südschwarzwald, irgendwann, 2007 oder 2008. Ich saß im Auto, die Kameratasche und das Stativ auf dem Beifahrersitz. Innerlich leer und ausgelaugt bemerkte ich meine Unlust. Statt umzudrehen und mir zu Hause einen schönen Nachmittag zu gönnen, schrie ich mich selbst an:

„VERDAMMT NOCHMAL MARTIN! DU MACHST JETZT KEINE PAUSE!“

Ich trat aufs Gas, fuhr zum nächsten Aussichtspunkt, und schleppte mich aus dem Auto. Das war ein Fehler. Tage später ging nichts mehr. Absoluter Tiefpunkt. Motivation, Lust und Interesse am Fotografieren verschwanden.

Ich wollte kein Fotograf mehr sein

Burnout. Immer, wenn ich meinen Kamerarucksack unterm Schreibtisch sah, dachte ich: „Boah, nee.“ Aus Pflichtgefühl fotografierte ich jedes zweite Wochenende weiter. Doch eigentlich wollte ich kein Fotograf mehr sein.

Ich hatte in diesen Monaten so viel verloren: Die Lust am Durch-Den-Sucher-Gucken und Abdrücken. Das Gefühl dafür, was mir gefiel – unabhängig von dem, was irgendwelche Leute im Internet dachten.

Nach ein paar Wochen gab ich vollständig auf. Fuck you, photography. Damit waren nicht die anderen Fotograf:innen gemeint. Damit war das Monstrum in meinem Kopf gemeint.

Ich wollte nur noch in der Stadt spazieren gehen, ohne Kamera. Kaffee mit Freund:innen trinken, ohne sofort „ein Bild“ zu sehen. Laut Cannibal Corpse (das ist eine Death-Metal-Band) im Auto hören, ganz ohne Fototour-Stress. Ich kümmerte mich um mich selbst und atmete innerlich durch. Und vergaß alles, was mit meiner Kamera verbunden war. 

Wie ich den Weg zurück fand

Nach einiger Zeit empfand ich einen leisen Anflug Interesse, mir schöne Fotos im Netz anzusehen. Ich klickte mich durch Flickr, guckte mir die Bilder von Straßenfotograf:innen an und schielte unter den Schreibtisch zu meinem Fotorucksack.

Doch ich hielt inne. Moment Mal. Langsam. Wenn ich weiter fotografieren wollte, ohne wieder an die Wand zu fahren, musste ich meine Erwartungen an mich selbst so niedrig wie möglich halten. Ich hatte mir an der Fotografie die Finger verbrannt.

Plötzlich war dieser Satz in meinem Kopf – ich weiß nicht, woher er kam:

„Jedes Foto, das nicht komplett Scheiße ist, ist okay“

Ich dachte, nein, ich fühlte: Ja! Das klingt gut! Und merkte mir den Satz – und wagte mich wieder hinter die Kamera, mein Mantra im Hinterkopf. „Alles ist gut, Martin, kein Druck.“ So fühlte sich das Bilder machen gelöster, freier, sogar entspannend an. 

Natürlich veränderte ich meine hohen Erwartungen nicht von heute auf morgen. Immer dann, wenn ich mich wieder im alten Denkmustern fand, erinnerte ich mich: Jedes Foto, das nicht komplett Scheiße ist, ist okay. 

Dies wurde mein Mantra. Ich weiß mit hundertprozentiger Sicherheit, dass es mir den Beruf und die Leidenschaft des Fotografen rettete. Ich entschied mich außerdem, nur noch zu fotografieren, was ich schön empfand. Die Frage in meinem Kopf, wem meine Fotos gefallen könnten, verschwanden mit der Zeit.

Die Jahre darauf löste ich mich von der Landschaftsfotografie und ging in die Stadt. Ich wollte den Alltag einfangen, ohne Kitsch. Und bekam Lust auf das Raue der Straße. Das Unvorhersehbare. Das Nichtperfekte. Den Zufall. 

Übrigens: Heute mag sie alle, meine Fotos. Egal, wann und wo sie entstanden. 

Ab und zu kommen sie wieder, die alten Dämonen. Doch sie können mich nicht mehr kontrollieren. Die Freude am Fotografieren ist geblieben. Das ist „krass“.