Ein Bräutigam, der mich provozieren wollte
© Credits: Marc A. Sporys | Unsplash
Es muss 2012 passiert sein. Ich hatte gerade die standesamtliche Hochzeit eines jungen Paares im nördlichen Schwarzwald fotografiert und atmete durch. Um mich herum schäkerten und lachten circa 100 Hochzeitsgäste und ihre halb vollen Champagnergläser funkelten im Sonnenlicht.
Eine ganze Stunde hatte die Vermählung in einem viel zu kleinen Raum gedauert und der Standesbeamte hatte Reden gehalten, die für vier Hochzeiten gereicht hätten. Ich hielt die Kamera vors Auge und sah große Erleichterung in den Gesichtern der Gäste. „Endlich haben wir DAS geschafft“, hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir. Gelächter.
Ich hatte seit Beginn der Hochzeit keine Verschnaufpause genossen. Mein Job war, Menschen von ihrer Schokoladenseite zu fotografieren. Keine schwere Aufgabe, denn die Gäste hatten sich für diese einmalige Gelegenheit herausgeputzt: überall glänzende Lederschuhe, Blümchen im Haar, Fliegen und Krawatten.
Ich war froh, dass ich den Standesamt-Kram „drin“ hatte, machte noch ein paar Schnappschüsse und holte mir ein Glas Orangensaft.
„Hey Martin, komm mal her!“ höre ich den Bräutigam quer über die Versammlung rufen. Ich wuselte durch die Menge. „Hey.“ Der Bräutigam, nennen wir ihn Michael, nahm mich zur Seite und zeigte in die Menge. „Hast du meinen Cousin gesehen? Der hat eine viel bessere Kamera als du“, sagte er und zwinkerte dem Cousin zu.
Bis heute frage ich mich: Warum drückt man dem Fotografen, den man für den Tag engagiert, so eine Frage rein? Am liebsten hätte ich Michael den Orangensaft ins Gesicht geschüttet.
Es lag nahe, mit Fachjargon zu kontern, um meine berufliche Kompetenz zu untermauern. Ich hätte erklären können, dass an der Kamera des Cousins eine zu lange Belichtungszeit eingestellt war, denn ich konnte hören, wie der Abstand zwischen dem Verschluss-Klacken immer länger wurde, während er kleine Gäste-Grüppchen fotografierte. Ich hätte erwähnen können, dass das Objektiv auf seiner Kamera größer als meines war, aber Größe nichts mit Qualität zu tun hat.
Doch das wollte ich nicht. Wahrscheinlich war ich dafür zu wenig „alpha male“, und dieser Schwanzvergleich und das Hartesprücheklopfen unter Männern lag mir noch nie.
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