Kommunikationsmodell von Watzlawick – Grandioser Schmarrn in 5 Axiomen
Du interessierst Dich für Dich selbst und Deine Beziehungen. Deshalb liest Du diesen Artikel bei »Aufklärung tut Not«. Kommunikation ist eine Schlüssel-Kompetenz für Deine Beziehungen. Dafür solltest Du grundsätzlich kritisch sein.
Das Kommunikationsmodell von Watzlawick erfreut sich eines gewissen Bekanntheitsgrades. Während meiner Weiterbildung zum Gewaltberater war dieses Modell nicht Teil der Ausbildung, sondern ausschließlich das 4 Ohren Modell (Abre numa nova janela) von Friedemann Schulz von Thun.
Während meiner Recherche bin ich erneut auf das Kommunikationsmodell von Watzlawick gestoßen. Mir drängte sich die Frage auf, warum meine Weiterbildung ohne Watzlawick stattfand.
Also schaue ich mir das Modell in diesem Artikel einmal an.
1. Axiom im Kommunikationsmodell von Watzlawick – Man kann nicht nicht kommunizieren
Diese Annahme habe ich auch ohne dieses Axiom von Watzlawick schon einmal gehört. Letztendlich handelt es sich um eine steile These von Watzlawick, die der Interpretation massivst Vorschub leistet. Folgendes Beispiel innerhalb des Kommunikationsmodells von Watzlawick:
Ein Beispiel wäre eine Frau im Wartezimmer eines Arztes, die die ganze Zeit nur auf den Boden starrt. Zunächst könnte man annehmen, sie würde nicht kommunizieren. Dennoch tut sie es, indem sie den anderen Wartenden nonverbal mitteilt, dass sie keinerlei Kontakt möchte.
https://www.paulwatzlawick.de/axiome.html
Empfang einer Nachricht mithilfe der Spekulation
Hier wird von der sich aufdrängenden Annahme gesprochen, dass die besagte Frau nicht kommuniziert. Sogleich wird allerdings behauptet, sie teile mit, dass sie keinen Kontakt möchte.
Dabei handelt es sich um nichts anderes als eine Interpretation oder Spekulation. Vielleicht ist die Dame erschöpft oder konzentriert vor ihrem Arzttermin. Wir wissen es nicht. Es ist vieles denkbar.
Kommt eine im Warteraum wartende Person auf die Idee, dass diese Person Hilfe braucht, wird sie vielleicht eine Sprechstundenhilfe holen.
Ein anderes Beispiel:
Eine Frau geht die Straße entlang. Ein Mann geht auf seinen Balkon und sieht die Frau, die Frau den Mann aber nicht. Die Frau bleibt stehen und schnappt nach Luft. Nach einer gewissen Zeit geht sie weiter, macht nach 20 Metern wieder eine Pause. Sie bemerkt den Mann auf dem Balkon weiterhin nicht.
Sagt sie dem Mann, dass sie Hilfe braucht? Oder, dass es ihr nicht gut geht?
Wenn der Mann beginnt, zu spekulieren, könnte er auf die Idee kommen, dass die Frau ihm etwas mitteilen möchte, auch wenn sie gar nicht weiß, dass er auf seinem Balkon steht.
Das 1. Axiom behauptet also zum einen, dass Kommunikation auch über Verhalten zustande kommt. Andererseits unterstellt es uns, dass wir, egal wie wir uns verhalten, immer mit den sich in der Nähe befindenden Personen kommunizieren.
Kommunikation und Wille
Doch Kommunikation ist eine Willensentscheidung, gerichtet an einen konkreten Empfänger.
Das ist weder in dem zitierten Beispiel noch in meinem Beispiel der Fall.
Selbst wenn wir nichts tun, verbal oder nonverbal, senden wir Nachrichten. Vielleicht interessiert es uns nicht, was der andere sagt. Oder wir ziehen es vor, unsere Meinung nicht zu teilen. In dieser Art der Nachricht stecken mitunter mehr Informationen, als wir in Worte fassen könnten.
https://gedankenwelt.de/paul-watzlawick-und-die-theorie-der-menschlichen-kommunikation/
Nach dieser Lesart ist es ja auch nicht möglich, nichts zu tun. Wenn wir nichts tun, tun wir genau das. Wir tun nichts. Schweigen ist demnach auch eine Form der Kommunikation.
Doch Schweigen (Abre numa nova janela) kann auch einfach damit zu tun haben, dass wir sprachlos sind und im Moment nichts zu sagen haben. Eine Botschaft steckt in diesem Verhalten nur, wenn wir als ‘Empfänger’ aufgrund unserer eigenen Gefühle spekulieren (Abre numa nova janela).
2. Axiom von Watzlawick – Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
Das Kommunikationsmodell von Watzlawick behauptet in seinem 2. Axiom, dass jede gesprochene Aussage einen Inhaltsaspekt und einen Beziehungsaspekt beinhaltet.
Ich muss es leider so drastisch sagen. Das ist völliger Quatsch. Ein Beispiel:
A fragt B: »Wie spät ist es?«. B antwortet: »Es ist jetzt 16.35 Uhr«. A stellt eine Frage, um eine Information zu erhalten. B antwortet mit einer Nachricht, die eine Botschaft nur auf der Sachebene hat; also keine Spur eines Beziehungsaspekts. Wer das annimmt, hat ganz offensichtlich gelernt, immer zu interpretieren und wird es schwer haben, gewinnbringend zu kommunizieren.
Ein weiteres Beispiel:
A sagt zu B: »Gehe heute noch zum Supermarkt und kaufe ein!«
Hierbei handelt es sich um eine eindeutige Aufforderung. Es ist gängig, hier auch den Beziehungsaspekt in Form von »Ich möchte, dass du zum Supermarkt gehst und einkaufst« hinzu zu interpretieren. Das macht allerdings der Empfänger, weil er es so gelernt hat. Die Nachricht selbst hat nur einen Aufforderungsaspekt.
Mit diesem Axiom aus seinem Kommunikationsmodell fordert Watzlawick letztendlich dazu auf, jede Aussage zu interpretieren. Das ist ganz und gar nicht hilfreich.
3. Axiom im Kommunikationsmodell von Watzlawick – Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung
Der Grundsatz sagt, dass Kommunikation immer kreisförmig verläuft.
Beispiel:
Ich gehe zum Bäcker, um 6 Brötchen und ein Brot zu kaufen. Als ich beim Bäcker an der Reihe bin, sage ich zunächst:
»Ich möchte 6 normale Brötchen.«
Der Verkäufer antwortet mit »Ja, gerne« und packt 6 Brötchen ein und legt sie auf den Tresen. Anschließend fragt er:
»Sonst noch etwas?«
Ich antworte:
»Ich möchte gerne noch ein Dinkelvollkornbrot. Das ist dann alles.«
Der Verkäufer sagt »Kein Problem«, nimmt das Brot und legt es verpackt auf den Tresen und sagt nach kurzer Berechnung:
»Das macht 5,20 Euro.«
Ich gebe ihm das Geld und erhalte das Wechselgeld. Ich bedanke mich und wünsche dem Verkäufer einen schönen Tag. Der Verkäufer bedankt sich seinerseits und wünscht mir ebenfalls einen schönen Tag.
Die Kommunikation ist hier zu Ende, der Verkäufer hat etwas verkauft und ich habe meine Brötchen und mein Brot.
Die Kommunikation zwischen dem Verkäufer und mir ist nicht kreisförmig verlaufen. Eine These wird nicht besser oder richtiger, indem man sie Axiom nennt.
4. Axiom im Kommunikationsmodell von Watzlawick – Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten
Mit digitalen und analogen Modalitäten ist die verbale und die nonverbale Kommunikation gemeint.
Zweifelsfrei kommunizieren wir verbal. Die nonverbale Kommunikation meint sowohl unsere Betonung, unsere Mimik als auch unsere Gestik.
Ein Beispiel:
Ein Student ist entgegen seines Wunsches aufgefordert, einen Vortrag zu halten. Obwohl er überhaupt keine Erfahrungen hat, wird er durch seinen Dozenten zu einem Vortrag überredet. Zusätzlich ist das Thema des Vortrags für den Studenten nicht interessant.
Wenig vorbereitet steht der Student also am besagten Tag am Rednerpult und ist extrem aufgeregt. Bei Beginn seines Vortrags zittert seine Stimme und er muss nach den Worten suchen. Außerdem richtet er seinen Blick eher auf den Boden als in die Runde seiner Mitstudenten.
Will dieser Student irgendetwas mitteilen wie:
Ich
bin unsicher
bin aufgeregt
würde jetzt gerne gehen
bin nicht gut vorbereitet
habe keine Lust auf diesen Vortrag
habe keine Ahnung vom Thema
…
Dieses Axiom ist Teil einer Theorie, wie ich erfahren musste. Damit ist auch dieses Axiom nicht beweispflichtig.
Ich bin mir hingegen sicher, dass der Student im Beispiel nicht zwingend etwas mitteilen möchte.
Das 4. Axiom aus dem Kommunikationsmodell von Watzlawick ist aus meiner Sicht auch recht fragwürdig. Nicht jede Geste oder Mimik ist bewusste Kommunikation in Richtung eines oder mehrerer Anwesender. Sie ist oft noch nicht einmal eine unbewusste Form der Kommunikation.
5. Axiom im Kommunikationsmodell – Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär
Dieses letzte Axiom im Kommunikationsmodell von Watzlawick nimmt Blick auf die Gesprächspartner, die miteinander kommunizieren.
Tatsächlich ist es so, dass Gespräche entweder auf Augenhöhe (symmetrisch) stattfinden oder der eine Gesprächspartner sich über dem anderen Gesprächspartner (komplementär) befindet.
Während im Privaten eher die Chance besteht, sich auf Augenhöhe zu begegnen, ist dies aufgrund der Hierarchie in vielen Betrieben schwieriger.
Kommunikationsmodell von Watzlawick und getarnte Thesen
Ein Axiom ist ein Grundsatz innerhalb einer Theorie. Die oben benannten 5 Axiome sind laut Wikipedia Teil der Kommunikationstheorie (Abre numa nova janela) von Watzlawick. Wenn auch der ein oder andere Wissenschaftler protestieren wird, halte ich die Theorie für verkürzt und in Teilen für unwahr.
Die ersten 4 der 5 Axiome aus dem Kommunikationsmodell von Watzlawick befördern die Bereitschaft, zu interpretieren und zu spekulieren. Sowohl die Interpretation als auch die Spekulation verursachen allerdings immer wieder Kommunikationsprobleme.
Eine weitere Auseinandersetzung meinerseits kann ich entsprechend nicht ausschließen.
Wie nimmst du das Modell und seine Axiome wahr? Bist du ebenfalls skeptisch oder würdest du den Axiomen vorbehaltlos zustimmen? Ich freue mich über deine Kommentare zu den 5 Axiomen von Watzlawick. Nutze gerne die Kommentare oder die Direktnachricht, um einen Austausch zu beginnen, wenn du Mitglied bist.