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The Bikeriders (Jeff Nichols)

Jeff Nichols erzählt in The Bikeriders die Geschichte einer Motorradgang im mittleren Westen der USA zwischen den Jahren 1965 und 1973. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Fotobuch von Danny Lyon. Im Grunde gibt es drei Hauptfiguren: Benny Cross (Austin Butler) - ein junger Biker, der sich komplett dem Motorradclub Vandals verschrieben hat; Kathy Bauer (Jodie Comer) - die anfänglich Gefallen an dem rüpelhaften Lifestyle der Biker findet und sich in Benny verliebt: und Johnny Davis (Tom Hardy) - der Gründer und Anführer der Biker Gang.

Erzählweise

Besonders ins Auge sticht die Erzählweise von The Bikeriders. Nichols folgt nicht etwa den Figuren direkt, sondern explizit Danny Lyon (gespielt von Mike Faist), wie er - bewaffnet mit Diktiergerät und Kamera - hauptsächlich Kathy Bauer interviewt. Ab und zu sehen wir ihn auch, wie er bei den Vandals dabei ist und die Mitglieder direkt in die Kamera sprechen lässt, aber die meiste Zeit sitzt er mit Kathy zusammen und lässt sie erzählen. Dadurch kreiert Nichols eine doppelte Verfremdung. Kathy, die kein Teil der Vandals ist, erzählt Danny alles, was sie weiß. Dieser wiederum schreibt daraus ein Buch, welches 50 Jahre später von Nichols uns dem Publikum gezeigt wird. Dadurch entsteht eine Mystifizierung der Kultur, die klar macht, dass man mit bloßen Fakten bei so einem Phänomen nicht weiterkommt.

Hier ist vor allem die Rolle Bennys hervorzuheben, der während der gesamten Laufzeit nicht ein einziges Mal selbst zu Wort kommt. Danny richtet nie das Mikrofon auf ihn, was zur Folge hat, dass Bennys Obsession mit den Vandals bis zum Ende ominös und ungreifbar bleibt. Wie er selbst über die Bikerszene denkt, was ihn daran fasziniert und wie er gar der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft gegenüber steht können wir bloß erahnen. Das hebt The Bikeriders ganz klar von anderen Filmen ab, die sich mit amerikanischen Gegen-Gesellschaften - wie zum Beispiel dem Gangsterfilm - beschäftigen. Selbst Johnny hat die Vandals nur deswegen gegründet, weil er einen Marlon Brando Film gesehen hatte und dachte, das wäre cool.

Subkultur

Die USA der 60er waren geprägt von einer Abkehr von konservativen Werten. Die Hippie-Bewegung, Feminismus und das Civil-Rights-Movement unter Martin Luther King rüttelten die Wertevorstellungen der amerikanischen Bevölkerung durch. Gleichzeitig wurde das Selbstbewusstsein der USA auf internationaler Ebene durch den Kalten Krieg, die Kuba-Krise und schlussendlich den desaströsen Vietnamkrieg international auf die Probe gestellt. Die Hippie-Bewegung war als Gegenkultur für viele eine verlockende Fluchtmöglichkeit: Drogen, freie Liebe und die Abkehr vor dem ewigen Schuften.

Die Biker-Bewegung wird in The Bikeriders als der Gegenentwurf zum Gegenentwurf dargestellt: Ein reiner Männerverein, in dem man nichts anderes macht, außer Bier trinken, Frauen begrabschen, sich ab und zu mal prügeln und über Motorräder zu sprechen. Wie Johnny am Anfang erfährt, wird in den meisten Motorradclubs noch nicht einmal Motorrad gefahren - man spricht lediglich darüber. Während die Hippies eher ein akademisches Phänomen waren, wo sich vor allem Student*Innen politisch austauschen, sind die Biker Gangs die Gegenkultur der Arbeiterklasse. Johnny geht einem “ehrbaren Beruf” nach, erzählt uns Kathy. Er ist Trucker und Familienvater. Biker Cockroach erzählt stolz, dass er sich gerne dreckig macht - Schmutz im Gesicht, Schmutz auf den Kleidern - während er sauber gestriegelt mit Pomade im Haar neben Frau und Kind steht. Auch gibt es nichts ehrenhafteres, als sich sein Motorrad selbst zusammenzuschrauben.

So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass für die meisten Mitglieder, der Club eine Art Safespace ist, wo sie nochmal “echte Männer” sein können. Die Vandals legen ausserhalb des Clubs ihre Kutten ab und gehen ihren Pflichten als Vater und Ehemann nach. Cockroach verlässt sogar den Club, um sich als Motorradpolizist zu bewerben. Allein Benny lebt voll und ganz für den Club. Er legt seine Weste niemals ab, auch wenn er dafür verprügelt wird und wenn Kathy ihm ein Ultimatum stellt, dass er sich entweder für sie oder für die Gang entscheiden muss, fällt ihm die Wahl nicht schwer.

Der Motorradclub hat aber etwas, was die Hippiebewegung nicht hatte: Klare Regeln und Hierarchien. Ähnlich wie die Gangster-Filme wie Good Fellas geht es hier hauptsächlich darum, in einer immer komplizierter werdenden Welt Eigenverantwortung abzugeben und sich einfachen Ansagen und Strukturen unterzuordnen. Wie diese schlussendlich aussehen, ist zweitrangig. So fordert ein Vandal Johnny heraus, weil er mit dessen Entscheidungen nicht einverstanden ist. Johnny überlässt ihm die Wahl: “Fists or Knives?”. Von den resultierenden Konsequenzen sichtlich überrascht, stammelt er nur: “Fists, I guess…?”. Nachdem man sich jetzt geprügelt hat, ist es auch wieder gut. Und als die Vandals einer anderen Gang gegenüberstehen, wird sich erstmal nur angekeift, weil das macht man halt so, aber so richtig kämpfen will man dann halt doch nicht.

Erst, als Ende der 60er dann immer mehr Hippies und Kriegsveteranen sich den Vandals anschließen, holt die Weltpolitik diesen kleinen Mikrokosmos ein. Traumatisiert vom Krieg, abhängig von allen möglichen Drogen, folgen die “Neuen” nicht mehr den Ansagen des Chefs und haben auch sonst keinerlei moralischen Kompass mehr. Hier müssen die Vandals feststellen, dass man sich noch so sehr abschotten kann, die reale Welt kann man nicht draußen lassen: “You can give everything you got to a thing and it’s still just gonna do what it’s gonna do.”

Fazit

Jeff Nichols ist mit The Bikeriders ein interessanter Spagat gelungen, die Faszination und Mystifizierung der Biker Gangs zu vermitteln, während gleichzeitig klar wird, dass hinter der Subkultur eigentlich auch nicht viel mehr steckt, als ein konservative Rückwärtsgewandtheit, die nicht wahrhaben will, dass die Welt sich ändert. Als Benny den angebotenen Anführerposten ausschlägt, zwei der Vandals einfach bei der Gang bleiben, obwohl sie von einem gewalttätigen Jüngling übernommen wurde und alle anderen einfach in ihren Job zurück flüchten, wird klar: So richtig Verantwortung für das eigene Leben will eigentlich keiner übernehmen.

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