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Der ratlose Präsident

Macron und der Stresstest/ Die Stellenanzeige auf der Pizza/Der Magier im Kreml/Das Mittel gegen fast alles

Eine Freundin, die den französischen Präsidenten Emmanuel Macron  in den Senegal begleiten durfte, erzählte mir von seinen seltenen Fähigkeiten. An einem wie immer sehr vollen Tag wohnte Macron einer Präsentation von Studierenden bei, es ging um Anwendungen künstlicher Intelligenz. Die jungen Leute trugen vor, aber einer verhaspelte und verhakte sich vor lauter Nervosität, er war mit der Situation eindeutig überfordert. Dann folgte das Programm seinem schnellen Takt, am Abend gab es eine Rede Macrons und einen Empfang, sogar ein Fest. Es war schon spät, als sich der Präsident auf den Rückweg machte, sein immenser Tross teilte die Menge. Und da irgendwo am Rand stand der lampenfiebrige Student vom Vormittag. Macron stoppte, ging auf ihn zu und wusste noch seinen Namen und das Thema. Sie unterhielten sich eine ganze Weile und Macron machte ihm ordentlich Mut. 

Es ist schon ein Schauspiel, wie es dieser so intelligente und gewinnende Mann hinbekommen hat, sich politisch in eine enge Ecke zu manövrieren, seine parlamentarische Mehrheit zu verlieren, die Extreme anzuheizen  und das ganze Land unter Stress zu setzen wegen einer Rentenreform, die auch noch einige Zeit warten konnte. Nun muss sich seine Partei um eine parlamentarische Koalition mit den Républicains bemühen –  jene wenig glaubwürdige Formation, die erst mit Fillon dann  Valérie Pécresse von den Wählern abgestraft wurden. Zugleich richten sich Gewerkschaften und bald auch die Studierenden auf einen langen und harten Abwehrkampf ein, die Fronten sind verhärtet und die Ministerinnen und Minister, die die Reform verteidigen sollen, sind nur mit halbem Herzen dabei. Sieht er sich schon über dem politischen Geschehen schweben, ein neuer Fall eines Mannes, der im Élyséepalast verrückt geworden ist?

Dabei hat er außenpolitisch, nach langem Zögern und vielen vergeblichen Telefonaten mit Putin, endlich eine klare Haltung in der Ukrainekrise gefunden. Aber in der Innenpolitik  hat er sich selbst ungünstig eingeparkt. Umbildung der Regierung oder Auflösung des Parlaments sind noch Mittel, die er zur Verfügung hat, aber beides ist wenig erfolgversprechend. Oder ihm gelingt das Unmögliche und eine müde französische Öffentlichkeit vergisst das ganze Thema beziehungsweise zieht die Reform einem dramatischen Streik vor, während sich im Parlament die nötigen Stimmen zusammenklauben lassen. Im Moment ist der Ausgang völlig ungewiss, aber man darf schon mal darüber nachdenken, ob solche extrem personalisierten Systeme noch zeitgemäß sind. Ganz egal, wie sympathisch oder klug die Präsidenten sein mögen. Seine vielen Talente und sein Fleiß, seine durch gearbeiteten Nächte und gute Laune nerven seine Zeitgenossen. Männer wie Mitterrand oder Chirac hatten Gaben und Fertigkeiten, aber eben auch so viele weit bekannte, menschliche Schwächen, dass man sich bei ihnen gut aufgehoben fühlte. 

Als ich Anfang der Woche zu einer Lesung in Paderborn war, fiel mir in der Nähe des dortigen Hauptbahnhofs, beziehungsweise der Großbaustelle gleichen Namens, ein Poster des Finanzamts auf: Wir jagen nicht nur Schwarzgeld, hieß es da sinngemäß, sondern auch gute neue MitarbeiterInnen. Solche mehr oder minder humorigen Suchschilder ziehen sich durch den deutschen Alltag. Richter, Polizisten, Lehrerinnen und Lehrer, BusfahrerInnen, es mangelt eigentlich überall an allen. Die Stadt Wiesbaden sucht per Pauschalplakat: Von ErzieherInnen zu VerwaltungsbeamtInnen, es wird alles benötigt. Neulich gab es Pizza und siehe da, auch der Pizza laden hat neue Kartons bekommen:

(Mein Rat wäre ja, in besonders betroffenen Branchen die Löhne ordentlich zu erhöhen, denn die stammen oft noch aus anderen Zeiten.) 

Daher war es ein gutes Gefühl, vor so vielen Schülerinnen und Schülern des St.Michael Gymnasiums in Paderborn zu lesen und ihnen berechtigt Mut und Hoffnungen in Bezug auf ihre berufliche Zukunft machen zu können. Ich höre schon die Einwände: Klima, Krieg, Pandemie, soziale Ungleichheit. Stimmt, nichts ist erledigt. Aber dieser Aspekt unserer Gegenwart, dass die Geißel der Arbeitslosigkeit, die früher so gewaltig erschien, keine Schatten über Kindheit und Jugend von heute mehr wirft, der ist einfach schön. 

Dieses Buch galt als sicherer Gewinner beim letztjährigen Prix Goncourt. Ich hatte mich auf die anderen Titel auch nur kursorisch vorbereitet, so gewiss waren sich alle, dass dieses Buch gewinnt, nun erscheint die deutsche Ausgabe in der Übersetzung von Michaela Meßner

Giuliano da Empoli war Politikberater in Rom und Paris und berichtet hier von seinem Kontakt zu einem romanhaft überhöhten Berater von Putin. Es ist eine Reise durch die russische Geschichte der letzten zwanzig Jahre, mit vielen guten Gedanken und Beschreibungen, sogar Humor.  Auch in Bezug auf die aktuelle Situation lernt man einiges, unter anderem, wie früh die Radikalisierung und ideologische Verblendung bei Putin einsetzte. Oder wie man im Kreml vorging, um eine Koalition der Wütenden und der Trolle zu zimmern, die die Öffentlichkeit mit bizarren Forderungen und Theorien beschäftigen sollte vor allem in den sozialen Netzwerken. Es ging dabei nur um Chaos – eine sehr interessante Passage, bei der ich all diese schrägen Bewegungen von der Tea Party über den Brexit zu den Gilets Jaunes und den Querdenkern vor Augen hatte.  Nach der Lektüre steht man umso ratloser vor der Frage, warum kaum jemand auf den Überfall der Ukraine vorbereitet war.

Mir kommt es so vor, als würde derzeit  jeder zweite Termin wegen Krankheit verschoben. Hier reiht sich eine Krankheit der Kinder an die andere, es geht mühsam voran in eine schönere Jahreszeit. Im wunderbaren, wenn auch kalten Québec kennt man sich aus mit solchen  Zuständen, daher kommt auch dieses heilsame und tröstende, obendrein gesunde Rezept. Hühnersuppe ist einfach die beste Medizin gegen Erkältungen und sonstige Schlappen.

https://www.lesoleil.com/2023/02/14/soupe-au-poulet-de-ma-grand-mere-ed3403b6ed61452e34a7e43257424c20 (Si apre in una nuova finestra)

Kopf hoch, 

ihr

Nils Minkmar

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