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Die Feier des Tages

Die deutsche Zugreise in die Nacht/ Wie wird die Welt danach?/ Lob eines Gerichts für Frühaufsteher

Geburtstag im November ist eine gute Sache.

In einem der ersten der uns nun jährlich heimsuchenden Jahrhundertstürme war ich noch Wochenendpendler zwischen Berlin und Köln. Es wurde schon gewarnt, aber ich wollte unbedingt pünktlich zur Feier des Kindergeburtstags unserer damals noch kleinen Tochter erscheinen und bestieg einen ICE. Das Fest war zwar erst am Folgetag, aber ich dachte wer weiß, ob dann noch etwas fährt. Außerdem hatte ich einen Auftrag: 32 Wiener Würstchen vom Bio-Supermarkt zu besorgen. 

In meinem Wagen saßen jede Menge  sich selbst beschwichtigende Wetterberichtsskeptiker und auch ein Bahn-Sprecher hatte sich geäußert: Eine Lok wiege zig Tonnen, die puste so leicht nichts von der Schiene. 

Doch hinter Berlin wurde mir wirklich mulmig: Es war ein später Nachmittag im Januar, die Tage wurden seit einem Monat länger, aber wir fuhren unter einem Himmel, der die Farbe von Tusche angenommen hatte. Irgendwann würde der lange Zug in die Hölle fahren, das war mir klar. 

Wie hatte ich nur einsteigen können? 

Weit kam ich nicht, denn in Hannover stellte die Bahn den Fernverkehr ein und ich hatte Zeit zum Nachdenken im Hotel. 

Heute kommt mit unsere Lage genau so vor: Volles Tempo in die Tusche. 

Wie hat es soweit kommen können? Es ist ein Versagen der Politik, aber nicht nur. Auch die Kampagnen der Bild gegen Christian Drosten und Karl Lauterbach trugen zu diesem Schlamassel bei. 

https://www.youtube.com/watch?v=9TkGdRCFLZc (Si apre in una nuova finestra)

Aber es waren auch Künstler und Intellektuelle, die bei den unsäglichen Aktionen #Allesdichtmachen und #AllesaufdenTisch Risiken minimiert,  Maßnahmen verspottet und Impfungen grundlos schlecht gemacht haben. 

Was wirklich geholfen hätte, auch helfen würde, ist eine europäische Beratung: ein Austausch darüber, was klappt und was eher nicht.  In Frankreich hat sich der pass sanitaire und eine klare Ansage der Exekutive bewährt. Warum liess man sich in Deutschland ein halbes Jahr Zeit, ähnliche Maßnahmen einzuführen? Als wäre Paris auf einem anderen Stern...

Am nächsten Morgen war der Himmel wieder weiss und ich konnte in einem überfüllten, alten IC nach Köln fahren. Wir brauchten sechs Stunden, ich stand vor der Toilette, aber ich war überglücklich, noch rechtzeitig zum Kindergeburtstag zu kommen. Die Würstchen waren von einer Freundin abgeholt worden, die Party konnte steigen. 

Auch Corona wird eines Tages vorüber sein und heute schon kann man ahnen, wie die Welt danach aussehen könnte. 

https://www.franceinter.fr/emissions/l-invite-de-8h20-le-grand-entretien/l-invite-de-8h20-le-grand-entretien-20-mai-2021 (Si apre in una nuova finestra)

In den USA sind mehrere Millionen gar nicht erst wieder erschienen zum ungeliebten Job. Es ist nicht allein der miese Lohn: Man fragt sich, als Überlebender einer Pandemie, eher mal nach dem Sinn von Sachen. 

Und auch hierzulande wird der Mangel an Arbeitskräften zum strukturellen Problem. Wer in diesen Tagen noch schnell etwas einkaufen möchte oder gar ein Restaurant besucht, irgendwie unterwegs ist, kann das an vielen Stellen  studieren: Es gibt einfach zu wenig Personal im Einzelhandel, Dienstleistungssektor und im Handwerk. Oft muss eine einzige Mitarbeiterin den Laden schmeißen und eine Performance hinlegen, die man zuletzt bei Jerry Lewis bewundern durfte. Das ist die Folge des Fachkräftemangels, des demografischen Wandels, der miesen Bezahlung und all das resultiert in einer völligen Umwälzung der Arbeitswelt durch Corona.  

Der Horror der Pandemie entfaltet eine revolutionäre Power: Arbeit wird anders organisiert werden müssen. Mehr noch: eine völlig verkorkste Debatte, nämlich die um Migration, die in Europa gar nicht mehr rational zu führen ist, wird  bald anders aussehen. Noch während sich französische PolitikerInnen darum zanken, wer die höhere Mauer baut, warnen WissenschaftlerInnen vor einem Mangel an MigrantInnen, der die Innovationskraft der französischen Wirtschaft hemmt. 

Nun ist Innovation aber nicht alles: Wenn meine französische Großmutter in einer besonderen Stimmung war, wenn alles stimmte, aber gerade so, eigentlich perfekt, ohne Überschwang, dann machte sie sich daran, eine blanquette de veau zuzubereiten. An solchen Tagen, die gefeiert gehören, ohne dass ein offizielles Fest ansteht, geht es schon gleich nach dem Kaffee in der Küche los, denn es braucht seine Zeit. Bei ihr als Frau vom Lande und lebenslanger Lehrerin an einer Förderschule war das gegen 7Uhr spätestens. Leider ist das Gericht weitgehend aus der Mode gekommen, aber hier fand ich ein Rezept, das sie gut symbolisiert: Die Feier des Tages. 

Ich habe Post bekommen:

Dirk Bauer wies darauf hin, dass ich in der letzten Ausgabe den Namen von Herbert Achternbusch falsch geschrieben habe, es sei hiermit korrigiert. 

(Wie immer war ich zerstreut und die erstklassige Lektorin des "siebten Tags" nämlich meine Tochter, siehe oben, war zur Hochzeit des Ruhms von Achternbusch noch nicht auf der Welt)

Jan Dambach wies mich darauf hin, dass es eine pro-Impfpflicht Petition gibt, die noch Zuspruch gebrauchen könnte: 

https://weact.campact.de/petitions/corona-impfpflicht-jetzt?source=rawlink&utm_medium=recommendation&utm_source=rawlink&share=e1dd126a-3bf2-4f25-87b9-74df3544ae63 (Si apre in una nuova finestra)

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

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