Gespensterbrief #25
Mein liebes Gespenst,
die Wellen sind noch in mir, während ich dir schreibe.
Auf dem Schiff, Kaffee trinkend. Inzwischen erkenne ich, wann Ebbe, wann Flut. Spüre, die Bewegungen des Schiffes sind anders. Sehe die schwarzen Steine am Ufer trocknen. Eine schmale glänzende Linie über der Wasserkante. Schilf, der sich vor einigen Tagen unter starkem Wind bog, steht nun dicht und voll im frühen Licht. Heute und hier, am letzten Tag unserer Reise öffne ich mein Herz so weit, dass ich schreiben kann.
Unterwegs wurde ich zweimal berührt: In der Innenstadt vor dem Buchgeschäft von einer Möwe am rechten Oberarm. Von den Windstößen zweier Fischreiher und den Tönen, die ihre Federn machten, als sie auf der Brücke im Park an mir vorbeizogen.
Berühren möchte ich nun vieles mehr. Vor allem die Zeit will ich halten.
Dies ist der 25. Gespensterbrief. Ich bin eine Person, die leider zu oft Erfolge nicht angemessen gut feiert. Zum Beispiel, weil ich schon wieder viel weiter bin oder es gerade nicht passt oder weil meine Freund*innen in Berlin, Essen, München, Aachen wohnen und ich am liebsten auch mit ihnen feiern würde und deshalb lasse ich es schließlich ganz. Daher nun hier im nicht ganz so kleinen Rahmen, denn Die Gespensterbriefe rangieren mit ihren Leser*innen für einen schwerpunktmäßig in der Literatur beheimateten Newsletter durchaus ziemlich weit vorne bei steady: Heej, der 25. Gespensterbrief! Vielen Dank fürs Mitlesen bis hier hin. Nach wie vor erfülle ich mir mit diesem Newsletter einen lang gehegten Schriftstellerinnen-Traum. Danke an alle Neuen, Alten, allen, die mich regelmäßig mit einem Betrag unterstützen, jenen, die mir schreiben, denen, die teilen, allen. :überlaufendes herz:
Der Juni ist vorüber, unser Nach h a l l ist Schweigen.
Foto: Morton Tartas
Zusammen mit dem Wortkollektiv (Si apre in una nuova finestra) habe ich einen Monat lang in der Halle für Kunst Lüneburg e.V. (Si apre in una nuova finestra) unsere Texte und transformierten Werkstücke ausgestellt. Es gab zwei Schreib-Performances und eine Abschlusslesung. Zusammen mit Morton Tartas und Lukas Kretschmer habe ich ein Zine zur Ausstellung erstellt. Ich werde schauen, dass ich es auch online zur Verfügung stelle.
Nach h a l l fand im Rahmen eines sechsmonatigen Projekts statt, das ich als Kunstvermittlerin mitgeleitet habe: Wortkollektiv @ Halle für Kunst. Unser Ziel war es, mit Menschen in das Museum zu gehen, die aus strukturellen Gründen eher nicht darin zu Gast wären. Zum Beispiel, weil sie sich aufgrund einer sozialen Barriere darin selbst nicht erkennen können oder weil sie denken, ihre Herkunft würde es ihnen nicht ermöglichen. Um diese Barrieren zu verkleinern, habe ich ein Konzept mit ausgearbeitet, entlang dessen eine feste Gruppe Menschen sechs Monate lang in der Halle für Kunst sein konnte. Wir starteten niedrigschwellig: Erstmal nur gucken, ein bisschen reden, die Schwelle übertreten. Und dann führten wir einmal im Monat einen Workshop durch. Am Ende bewegten sich alle so selbstverständlich durch die Halle, als wäre sie das erweiterte eigene Wohnzimmer.
S T R A H L E N
Diesen Sommer wird es weitere Literatur-Workshops mit mir geben. Gerade schreiben wir das Konzept. Darum wird es gehen:
Kunstvermittlungsprogramm „Kunst ist für alle da"
“Kunst ist in der Regel nicht für alle da, denn auch heute noch gehören vorwiegend Menschen aus privilegierten Milieus den Besucher:innen klassischer Kunst- und Kulturangebote [an]. Neben den klassischen Führungen möchten wir mit unserem Vermittlungsprogramm neue Zugänge zu Kunst im öffentlichen Raum ermöglichen. Die Werke der Künstler:innen bieten dafür unterschiedlichste thematische Impulse und Möglichkeiten. Mit einem Reallabor zu inklusiver Kunstvermittlung durch Kooperation möchten wir zeitgenössische Kunst barrierearm machen und Teilhabe ermöglichen. Dafür haben wir uns mit verschiedene soziokulturellen Akteur:innen zusammengeschlossen: Dem inklusiven Bildungs- und Kulturzentrum DÜNE, dem MOSAIQUE – Haus der Kulturen und der St. Nikolaikirche. Unsere partizipativen Workshops sollen Raum für eigene Mitgestaltung und individuelle Kunstrezeption bieten. Ein Leerstand wird zur Zusammenkunft, für künstlerische Arbeit, als Informations- und Ausstellungsraum genutzt. Damit möchten wir auch erfahrbar machen, wie Innenstädte durch frei zugängliche Orte der Kunst anders genutzt werden könnten.”
- Zitat von der Seite des Kunstvereins Lüneburg (Si apre in una nuova finestra), abgerufen am 12.7.24
mehr. Aber ich muss langsam an mein Buch denken. Das bin ich Niedersachsen schuldig und ich will eine gute strebsame Stipendiatin sein. Außerdem bin ich m ü d e, ich möchte Pfirsiche essen und auf Gewitter warten.
In den kommenden Wochen möchte ich öfter schreiben, aber dafür kürzer. Also dann, bis demnächst. 🖤
xoxo
Jae
Wenn du kannst, hast du hier die Möglichkeit, mich mit einem regelmäßigen Betrag (monatlich oder jährlich) zu unterstützen und mich und damit auch die freie unabhängige Indie-Literaturszene zu würdigen. Wer aus welchem Grund auch immer grad nicht supporten kann oder möchte, liest einfach vollkommen ohne jedes schlechte Gewissen kostenfrei weiter. 🖤