WeinLetter #93: Meine Highlights des Wein-Jahres 2024!
Liebe Wein-Freund:in,
Du liest den WeinLetter #93. Heute gibt’s: Meine Wein-Highlights 2024. Die Bilanz des WeinLetters 2024. Jetzt geht’s mal nicht um die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Strukturen des Weinmarktes und des Weinkonsums unter den Bedingungen des Klimawandels. Jetzt geht’s um: Was trinkt denn der WeinLetter-Herausgeber? In aller Kürze – und unten in voller Länge: Weißwein vor Rotwein. Silvaner ist Rebsorte 2024 – und Solaris bei den Piwi. Ortsweine aus dem Burgund - oder schon mal Bruno-Martin-Weine probiert? Es ist ein Rückblick auf ein aufreibendes Weinjahr für die Winzerinnen und Winzer. Verbunden mit einem großen Dankeschön an Euch, liebe Wein-Freund:innen. Ich wünsche Euch ein paar ruhige, aber genussreiche Feiertage und einen guten Rutsch ins Weinjahr 2025. Wir sehen uns im Januar wieder! +++ Viel Spaß beim Lesen! Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied!
Aber vor allem:
Trinkt friedlich!
Euer Thilo
PS: Wer noch etwas Besonderes zu Weihnachten verschenken will, der kann das hier tun!
Blick zurück mit Wonn’: Weinberg am Bielersee, Schweiz, Herbst 2024 FOTO: THILO KNOTT
Das Wein-Jahr 2024 geht an Weißwein, Silvaner, Solaris, Bruno Martin und Burgunder!
Ich habe in diesem Jahr viel über die Krisen der Weinbranche geschrieben. Klimawandel-Krisen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), selbstgemachte Krisen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), Konsum-Krisen. In diesem WeinLetter gibt es deshalb meine Highlights des Wein-Jahres 2025! Nice, oder?
Gut, viele meiner Highlights haben mit einer Krise zu tun. Sorry. Das muss ich kurz vorwegschicken. Es ist eine Krise, die ich bislang nicht behandelt habe: Es ist die (weltweite) Rotwein-Krise. Die Menschen wollen es bei weitem nicht mehr in dem Maße, wie es produziert wird.
Neulich hat Willi Klinger, Ex-CEO der Hawesko-Tochter Wein & Co in Österreich, ziemlich abgeledert über die Rotwein-Krise in Österreich. Kann man aber auch auf andere Märkte übertragen. 70 Millionen Liter, eine Rotwein-Jahresernte, würden die Österreichischen Winzer:innen vor sich herschieben. Fast ausschließlich im billigen Basissegment. Ja, auf der ganzen Welt würde es eine Überproduktion geben. Er lässt in einem Beitrag für das Portal (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) „WineParty“ weder das Argument gelten, die Weinbaupolitik habe versagt. Noch entschuldigt er den geringen Rotwein-Konsum mit Krisen wie Covid, Ukrainekrieg oder Inflation.
Er sieht eine ganz entscheidende strukturelle Krise: „Wir kümmern uns alle zu wenig um den ‚Nachwuchs‘ für unsere Weinkultur. Die alte Garde der ‚Heavy User‘, Menschen mit hohem Weinverbrauch, stirbt aus.“ Um es knallhart zu sagen: Die Boomer-Geldsäcke werden den Rotwein nicht retten – auch wenn sie einen Tausender für den Lafite hinblättern. Mit solchem Status-Saufen kann man sich selbst noch „Aura“ zuschreiben. Die GenZ wird da nur die Achsel zucken. Aura? Wein, vor allem Rotwein, ist goofy. Im schlimmeren Fall sogar crinch.
Fester, gereifter Bestandteil meines Weinkellers: Der Grand Cru der Lage Gaisbühl vom Weingut Bürklin-Wolf begleitet mich jetzt schon ein Jahrzehnt - 2024 mit dem Jahrgang 2014 FOTO: THILO KNOTT
1. Es war das Wein-Jahr der Weißweine – nur bedingt der Rotweine
Jetzt bin ich sicherlich weit entfernt von der GenZ, sondern gerade noch Generation X, also nicht crinch, aber goofy. Und doch: Ich habe in diesem Weinjahr 2024 vor allem Weißweine getrunken. Ich bin also ein typischer Deutscher.
Hier ist die Empirie dazu: 2023 ist der Weinkonsum in Deutschland erneut gesunken. 22,5 Liter Wein konsumierte der Durchschnittstrinker ab 16 Jahren 2023 – Rotwein, Weißwein, Schaumwein. Das ist ein Liter weniger als im Vorjahr, bilanzierte das Deutsche Wein-Institut. Deutlich stärker eingebrochen ist dabei Rotwein. Vom „Roten“ wurden 2023 232 Millionen 0,75-Liter-Flaschen verkauft – ein Minus von 6,5 Prozent. Weißwein verlor 4,7 Prozent und Rosé leider nur 0,7 Prozent. Leider, denn ich halte die Rosé-Produktion in Deutschland für eine Fehlentwicklung.
Jetzt habe ich selbst keine Zahlen meines persönlichen Rotwein- versus Weißwein-Konsums. Hier deshalb ein paar Indizien: Meine Wein-Touren hatten vor allem Weißwein-Anbaugebiete zum Ziel – Weiß dominiert zum Beispiel Franken (Silvaner). Oder die Winzer:innen vom Bielersee: wahre, weiße Meister.
Auch meine favorisierten Sorten waren weiß: Meine Spätburgunder-Liebe habe ich zwar nicht aufgegeben. Aber am meisten habe ich mich in Franken, aber auch außerhalb Frankens durch Silvaner getrunken, gefolgt von meiner Top-2023-Rebsorte Chardonnay – und wieder Riesling, von dem ich im vergangenen Jahr kaum etwas konsumiert hat. Was der Reifung meiner Großen Gewächse im Keller gutgetan hat. Dazu später. International immerhin ist es 2024 ausgeglichen: Chardonnay aus Burgund, Arneis aus dem Piemont, Chenin Blanc von der Loire stehen Bordeaux sowie US-amerikanischen Cabernet Sauvignon gegenüber.
2. Es war mein Wein-Jahr der Silvaner
Silvaner ist mengenmäßig ja nicht die Top-Rebsorte in Deutschland mit 328.700 Hektolitern (2023, Quelle: Statista). Das sind nach wie vor Riesling (1.930.500) und Müller-Thurgau (1.097.600). Dann kommen die Burgundersorten Weiß- und Grauburgunder. Dann kommt erst der Silvaner. Und doch würde ich sagen, dass die Rebsorte Silvaner mittlerweile in einer Breite so gut ausgebaut wird wie Riesling. Einschränkung: Die Breite ist natürlich in Relation zu setzen zur viel kleineren Zahl an Weingütern, die Silvaner anbauen.
Ich nenne drei Gründe:
Im Top-Segment wird mittlerweile eine famose Qualität produziert. Fast würde ich sagen – ähnlich wie beim Riesling – dass das Potenzial dieser Rebsorte von den Winzer:innen ziemlich erarbeitet ist. Das hat auch mit Erfahrung im Umgang mit dieser Rebsorte zu tun. Betriebe wie May, am Stein, die Sauers, Stahl uvm. sind alles lange etablierte Weingüter. PS: Ich habe überhaupt nix gegen Quereinsteiger. Im Gegenteil.
Stabiles Basissegment: Anders als bei der dritten Top-Rebsorte Deutschlands, dem Chardonnay, ist die Schwankung nicht sonderlich groß. Gehst du in eine Wirtschaft in Franken, machst du mit einem Silvaner im Prinzip kaum was falsch.
Das hat aber nichts mit Nivellierung des Geschmacks zu tun: Die Geschmacksbreite beim Silvaner ist absolut gegeben, so dass die Einsetzbarkeit als Essensbegleiter ebenfalls recht variabel ist.
Und jetzt noch drei Tipps:
Der beste Silvaner, den ich 2024 getrunken habe: Das Große Gewächs Maustal vom Weingut Zehnthof Luckert aus dem Jahr 2019 FOTO: THILO KNOTT
Mein bester Silvaner 2024: Weingut Luckert, Maustal, Großes Gewächs, 2019. Das Weingut Luckert war ja schon mein Weingut des Jahres 2023 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Aber mit fünf Jahren ist dieser Wein jetzt wirklich international kompatibel.
Beste Silvaner-Kollektion: Besuch beim Weingut Weltner im Sommer 2024 FOTO: THILO KNOTT
Beste Silvaner-Kollektion: Ich habe in Rödelsee in diesem Sommer den 22er Jahrgang von Paul Weltner getrunken. Das ist schon ziemlich perfekt austariert in den Abständen der Qualitätsstufen Ortswein, Erste Lage, Große Gewächse.
Er hat das Neuffener Tal auf die Weinkarte gesetzt: Helmut Dolde FOTO: DIETER RUOFF
Bester Silvaner-Produzent - außerhalb Frankens: Preis geht ganz klar an Helmut Dolde aus Frickenhausen. Obwohl Rheinhessen das Anbaugebiet ist, das nach Franken noch am meisten Silvaner anbaut, ist der Württemberger mein Favorit. Er hat ganz nebenbei durch die unterschiedlichen Silvaner, die er anbaut, das Neuffener Tal auf die Weinkarte gebracht.
Mehr Infos: WeinLetter #88: Meine Sommer-Silvaner-Tour zur “Lage” der Weinnation (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
3. Es war das Wein-Jahr der Rebsorte Solaris - unter den Piwi-Rebsorten
Mir wird ja mitunter unterstellt, ich würde Piwi-Rebsorten zu sehr pushen. Nehme ich so hin. Is okay. Und doch ist es schlicht meiner Neugierde geschuldet herauszufinden, wie sich diese Rebsorten der mittlerweile dritten Generation entwickeln. Schlicht um herauszufinden: Können Piwis eine Antwort auf den Klimawandel sein? Und können sie – irgendwann – traditionelle Rebsorten ersetzen – auch qualitativ-geschmacklich?
Nachhaltig mit hoher Qualität: Solaris von Bruno Martin FOTO: THILO KNOTT
Deshalb in der Kategorie „Meine Piwi-Rebsorte 2024”: Solaris. War für mich ehrlich gesagt auch überraschend, weil ich das Potential anderer Rebsorten wie Cabernet Blanc für den Weißweinbereich höher eingeschätzt hatte, weil ich sie für filigraner hielt. Typische Prägung durch die Riesling-Sozialisation. Und weil die Menschen Cabernet irgendwie als Namen kennen – und nicht bei Solaris ans Bräunungsstudio um die Ecke oder maximal an Stanislaw Lem, Andrei Tarkowski oder Steven Soderbergh.
Einen delikat-filigranen Solaris habe ich am Bieler See getrunken: den Solaris des Piwi-Pioniers Bruno Martin. Nicht nur war das Treffen mit ihm als Persönlichkeit ein herausragendes Ereignis. Er bringt auch in die Flaschen, wovon er spricht. Sein Solaris ist das Gegenteil etwa des Solaris des Südtirolers Thomas Niedermayr, der geradezu eine Wucht ist. Dieser Martin-Solaris ist mineralisch mit einer immensen Länge. Und jetzt stell ich nicht den Riesling-Vergleich an. Eher so: Die Pfälzer Winzerin Stefanie Weegmüller-Scheer, die Königin der Scheurebe, hat ihre Scheurebe mitunter bei Sauvignon-Blanc-Prämierungen reingeschmuggelt. Bruno Martin könnte das locker mit seinem Solaris bei Riesling-Prämierungen tun.
Mehr Infos: Solaris-Wein: Infos zur neuen PIWI-Rebsorte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
4. Mein Winzer des Jahres 2024 heißt..
Piwi-Pionier vom Bielersee: Bruno Martin in seinem Weinberg nahe Ligerz FOTO: THILO KNOTT
…deshalb: Bruno Martin. Allein für seine undogmatische, aber komplett konsequente Herangehensweise an die Themen Klimawandel, Biodynamie und nachhaltige Landwirtschaft. Und seine hohe Qualität, die er unter diesen Prämissen seit Jahrzehnten herstellt. Um einen typischen Bruno-Martin-Dialog widerzugeben. Fragt er seinen eher konventionell arbeitenden Kollegen: „Warum gegrünst Du Deine Weinberge nicht?“ Sagt der Kollege: „Begrünung lockt Mäuse an.“ Fragt Bruno Martin zurück: „Warum hast du keine Schlangen und Greifvögel in deinem Weinberg?“
Mehr Infos: WeinLetter #90: Bruno Martin. Besuch beim PIWI-Pionier der Schweiz (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
5. Meine Wein-Tour des Jahres: Bielersee
Die Wein-Tour des Jahres war: die Wein-Tour am Bielersee. Hier besuchte ich mehrere Winzer im Rahmen der WeinLetter-Jahreskonferenz Süd-Südwest. Organisiert von WeinLetter-Schweiz-Korrespondent Walter Steinmann, mit Württemberg-Korrespondent Franz Untersteller. Bruno Martin war einer der Winzer, die wir besuchten. Hier verkosteten wir Piwi – den Solo-Solaris sowie eine Solaris-Cuvée.
Dann schauten wir noch bei Gabriela und Martin Hubacher vorbei. Das Weingut ist eines der besten der Schweiz. Sie stehen quasi auf der anderen Seite: null Piwi, klassiche Rebsorten wie Chasselas, Chardonnay, Pinot. Die Pinots sind toll!
Weinprobe bei Manuel Tschanz und Maja Möckli FOTO: THILO KNOTT
Oder die jungen Winzer vom Bielersee. Manuel Tschanz und Maja Möckli zum Beispiel. Sie nennen ihre Weine Silou – von Silhouette. Die beiden bauen zum Beispiel einen ganz hervorragenden Nobling aus. Eine Rebsorte, die viel in Sekten zu finden ist. Der Besuch lohnt sich.
6. Es war das Wein-Jahr, in dem ich mich um Ortsweine aus Burgund gekümmert habe
Eine der Jahres-Verkostungen 2024 des WeinLetter fand in der Wiesbadener Weinbar Weinod von Marco Müller statt. Wir verglichen:
Meursault und Chassagne-Montrachet: Hohe Qualität auch im Ortsweinbereich FOTO: THILO KNOTT
Domaine Jean Javillier: Meursault Cuvée Jean, 13 % vol. alc., 2021, 55 - 65 Euro online.
Thomas Morey: Chassagne-Montrachet Blanc, 13 %, 2021, zwischen 45 und 70 Euro online.
Der Meursault hat gewonnen. Aber darum geht’s jetzt nicht. Es sind beides sehr gute Weine. Es sind Ortweine aus bekannten, renommierten Wein-Gemeinden des Burgund. Auf was ich hinaus will: Burgund ist ja das einzige Welt-Anbaugebiet, in dem die Preise trotz Krisen (Corona, Inflation, Klima etc.) noch steigen. Die Subskriptionen für Bordeaux dagegen ließen aktuell bis zu 30 Prozent nach. Burgund ist aber auch die Region mit den besten Chardonnays der Welt. Die Synthese lautet daher: Nimm‘ die Ortsweine, da bekommst du schon sehr viel Welt-Qualität für dein Geld. Das – siehe oben – jetzt auch nicht wenig ist, aber eben auch keinen Hunderter oder Tausender erfordert. Wem das auch zu viel ist, geht einfach in die weniger bekannten Orte, da gibt’s die Ortsweine um die Zwanziger. Hier zum Beispiel: Pernand-Vergelesses. Hier kann ich zum Beispiel nur empfehlen:
Hohe Basisqualität auch in den weniger bekannten Burgunder-Orten: Ortswein der Domaine Dubreil-Fontaine in Pernand-Vergelles FOTO: THILO KNOTT
Domaine Dubreil-Fontaine: Pernand-Vergelles Blanc, AOP, 2021, gibt’s unter 30 Euro.
Das Prinzip lautet bei diesem Chardonnay: Weniger bekanntes Weingut, weniger bekannte Burgund-Gemeinde – sehr gute Basisqualität.
7. Es war das Wein-Jahr mit einem To Do: Schaut auf den Klimawandel - er ist real und kostet zu viel!
Das ist die große Herausforderung der deutschen Winzerinnen und Winzer. Es sah ja lange noch so aus, als sei Deutschland im Weinanbau sogar ein Profiteur des Klimawandels. Weil es immer noch relativ mild war im Vergleich etwa zu Südfrankreich oder Spanien – „Cool Climate“ wurde das gelabelt. 2024 hat brutal gezeigt: Puh! Uncool climate!
Deshalb: Verarbeitet die Bedingungen des Klimawandels klug und konsequent – im Weinberg, im Weinkeller und als Konsument:innen an der Ladentheke. 40 Prozent Anteil deutscher Weine am Absatz - in Deutschland? Das ist ein Witz. Trinkt friedlich, sag ich ja immer. Aber schaut euch an, welch hohes Qualitätsniveau deutsche Winzerinnen und Winzer erreicht haben. Es wäre zynisch, wenn die Antwort an der Ladentheke immer nur Doppio Passo lautet: Wir sind doch nicht so primitivo!
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