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Über Übermedien 2023

Der Übermedien-Jahresrückblick von Lisa Kräher

Liebe Übonnentin, lieber Übonnent,

als ich für diesen Newsletter noch mal das Medienjahr 2023 durchgegangen bin, war ich verblüfft, was ich alles (fast schon) wieder vergessen habe.

Wer denkt zum Beispiel noch an das Neujahrsvideo, oder sollte man sagen: das kommunikative Desaster (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) der damaligen Verteidigungsministerin (die dann gar nicht mehr lange Verteidigungsministerin war) mit zerzauster Frisur, miesem Ton und Nullinhalt zum Ukraine-Krieg? Oder daran (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), dass eine FAZ-Kritikerin vom Ballettdirektor der Oper in Hannover mit Hundekot beschmiert worden war? Auch dass 2023 das Aus für viele bekannte Zeitschriften aus dem Verlag Gruner+Jahr bedeutete (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), darunter zahlreiche „Geo“-Titel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), die „Barbara“, oder „Eltern“, ist wohl bei den meisten schon wieder in Vergessenheit geraten. Außer bei denen wohl, die deshalb ihren Job verloren haben.

Es gibt so viele Übermedien-Beiträge, die ich Ihnen noch einmal empfehlen möchte. Da ist etwa der Text (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) über „Barbie“, für den unsere Kolumnistin Samira El Ouassil kürzlich mit dem Michael-Althen-Preis für Kritik ausgezeichnet wurde. Oder der Text (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) von Frederik von Castell darüber, wie der „Spiegel“ ein Foto aus Lampedusa zum bedrohlichen Flüchtlings-Cover verfremdete. Oder der Kommentar (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) von Andrej Reisin, warum er es falsch findet, wenn Medien die brutalen Bilder der Hamas-Massaker nicht zeigen. Oder der Text von Doreen Reinhard über den Dresdner „Bild“-Chefreporter (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), der an einem Putin-Jubelbuch mitschrieb – und nun kein „Bild“-Chefreporter mehr ist.

Und da ist auch unser Text über „Katapult Ukraine“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Das Projekt wurde kurz nach Kriegsausbruch gegründet – lief aber dann nicht ganz wie versprochen. Verschiedene ukrainische Journalisten klagten über ausbleibendes Gehalt und schlechten Umgang. Nach unserem Bericht trat „Katapult“-Gründer Benjamin Fredrich von seinen Posten als Geschäftsführer und Chefredakteur zurück.

Gefaktes Schumacher-Interview in "Die Aktuelle" (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Ausriss: „Die Aktuelle“

Vor genau zehn Jahren verunglückte der Rennfahrer Michael Schumacher beim Skifahren, seither ist er nicht mehr öffentlich aufgetreten. Seine Familie bittet darum, die Privatsphäre zu achten. Die Klatschpresse interessiert das kaum.

Besonders dreist war in diesem Jahr „Die Aktuelle“, die im April das angeblich „erste Interview“ mit Schumacher als „Weltsensation“ auf ihrem Titel anpries. Im Heft erfuhren die Leser:innen dann, dass die Antworten nicht von Michael Schumacher kamen, sondern von einer Künstlichen Intelligenz (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Wenige Tage nach unserem Bericht, den auch internationale Medien aufgegriffen haben, entließ die Funke-Mediengruppe die Chefredakteurin des Blatts. Mit welchen Lügengeschichten über Schumacher und seine Krankheit „Die Aktuelle“ sonst noch Geld macht, hat Boris Rosenkranz hier (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) aufgeschrieben. (Und in unserem Archiv (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) finden sich etliche Geschichten darüber, wie Medien seit zehn Jahren mit Lügen und Spekulationen über Schumacher Geschäfte machen.)

Das falsche Schumacher-Interview ist ein Beispiel dafür, wie man Künstliche Intelligenz im Journalismus nicht einsetzen sollte. Sowieso wurde in diesem Jahr ja viel über die Verwendung von KI im Journalismus diskutiert. Frederik von Castell hat sich beispielsweise genauer angeschaut (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), wie der Ippen-Verlag KI verwendet – und dabei teilweise gravierende Fehler veröffentlicht. Und wie gehen wir überhaupt mit KI um? Diese Frage stellte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Samira El Ouassil, nachdem das Bild des Papstes im weißen Daunenmantel viral gegangen war. Viele dachten, es sei echt.

Auch das hatte ich ja schon fast wieder vergessen.

KI-generiertes Bild: der Papst im Daunenmantel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Foto: Midjourney / Pablo Xavier

Gefühlt ewig her, aber vielleicht noch präsenter: die Enthüllung der „Zeit“ über die privaten SMS des Springer-Chefs Mathias Döpfner. (Sie wissen schon: Dass „die Ossis“ entweder Kommunisten seien oder Faschisten, dass man für einen erneuten Wahlsieg Donald Trumps beten und die FDP hofieren solle.) Was die „Zeit“ damals als exklusiven „Einblick (…) in Döpfners Gedankenwelt“ anpries, konnte man in den Jahren zuvor auch einfach Döpfners Leitartikeln und Reden entnehmen, wie Stefan Niggemeier im April zusammenfasste (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Und dann kam ja auch noch der Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre, der den Machtmissbrauch-Skandal bei Springer literarisch verarbeiteten sollte. Der Hype um das Buch war so gewaltig, dass es Autor Stuckrad-Barre sogar bis auf den „Spiegel“-Titel schaffte – doch das Thema Aufarbeitung ging im Spektakel irgendwie unter, kritisierte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) damals Samira El Ouassil.

"Bild"- Schlagzeile: "Bristanter Vorschlag zum Fleischkonsum – Nur noch eine Wurst pro Monat für jeden!" (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Und dann ging es 2023 mal wieder ganz viel um angebliche Verbote. Was war nicht alles schon bedroht in diesem Jahr? Die Currywurst (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) zum Beispiel, das Wort Mutter (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) oder der „Toast Hawaii“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Von „Bild“ ist man diesen Kulturkampf in Form von Was-darf-man-noch-sagen bzw. Was-darf-man-noch-essen ja nun gewohnt. Auch die „Ruhr Nachrichten“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und der „Stern“ stimmten als Letzte in diesem Jahr mit ein. Dabei wurde das doch ausreichend diskutiert, schon 2019 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Wie sollten Medien mit der AfD umgehen? Auch das war ein wichtiges Thema in diesem Jahr. Dazu hatten wir unter anderem „Spiegel“-Journalistin Ann-Katrin Müller im Podcast (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Mit ihr sprach unser Host Holger Klein über den Vorwurf, Medien hätten die AfD groß gemacht. Und Boris Rosenkranz schrieb (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), warum ständige „Schock“-Umfragewerte zur AfD vor allem der AfD helfen.

Abschließend will ich Ihnen noch den neuesten Beitrag (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) von Stefan Niggemeier empfehlen, der alle „Bild“-Berichte über den Israel-Gaza-Krieg seit dem Hamas-Massaker Anfang Oktober analysiert hat. Zivile Opfer aus Gaza werden in den „Bild“-Berichten fast komplett ausgeblendet. Ein systematischer blinder Fleck. (Weitere Beiträge über Medien und den Krieg in Nahost finden Sie hier (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).)

Boris Rosenkranz und Stefan Niggemeier sprechen im aktuellen Übermedien-Podcast (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ebenfalls über das Jahr 2023 und einige Übermedien-Recherchen. Und sie werfen einen Blick auf 2024 und was sich bei Übermedien ändert.

Die meistgelesenen Übermedien-Texte des Jahres

1. Sahra Wagenknecht, Louis Klamroth und der Fluch des Faktenchecks (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

2. Die erfundene Debatte, ob Frauen in der Öffentlichkeit Eis essen dürfen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

3. Günther Jauch enthüllt nach 27 Jahren noch einmal einen ZDF-Skandal (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

4. „Weshalb lassen Medien den Michael und seine Familie nicht in Ruhe? Ich weiß nicht, warum das so schwer ist“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

5. Wie die „Welt“ Prominente vorführt, weil sie ihr kein „Statement gegen den Judenhass“ schicken (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

6. Sahra Wagenknecht ist die neue Horst Schlämmer (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

7. Wem wollte Eduard Zimmermann Angst machen und warum? (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

8. Wann hören wir endlich auf, Opfern eine Mitschuld zu geben? (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

9. So alt, dass es müffelt: Der Untergang des Abendessens (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

10. Ist Luke Mockridge wirklich das Medienopfer, zu dem er sich jetzt macht? (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

11. Wie der „Spiegel“ sich aus einem Foto sein bedrohliches Flüchtlings-Cover bastelte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

12. Demagogen-Portal „Nius“: Verhetzen, verunglimpfen, verachten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

13. Leeroy Matata: Unerträglich kumpelhaft, unverhohlen reißerisch und unglaublich schlecht vorbereitet (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

14. Der verstörende Reiz, menschliche Roboter mit ein paar Cent zu animieren (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

15. Ukrainische Journalisten werfen „Katapult“ vor, sie benutzt und dann fallen gelassen zu haben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

16. Erfundenes Interview mit Michael Schumacher: Zu dumm, um wahr zu sein (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

17. CSU und Funk: Alles eine Frage der Einstellung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

18. Wie man aus einer Mutter einen Elefanten macht (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

19. Die Empirie geschlossen und alle Fragen offen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

20. Und für Fehleinschätzungen zum Ukraine-Krieg befragen wir jetzt wieder Erich Vad (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Die beliebtesten Podcast-Folgen

1. Was war denn das für ein Rückfall ins sexistische Steinzeit-Fernsehen bei DSDS? Holger ruft an … wegen Dieter Bohlen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

2. An welche Regeln muss sich Verdachtsberichterstattung wie im Fall Till Lindemann halten? Holger ruft an … wegen Till Lindemann (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

3. RAUSWURF-RUMMS! WAS STECKT HINTER DEM „BILD“-BEBEN? Holger ruft an wegen … „Bild“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

4. Wie und warum schüren Medien Angst vor dem geplanten Heizungsgesetz? Holger ruft an … wegen Habecks Heizungsgesetz (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

5. Warum ist der größte Skandal um Harry ein Skandal der Medien? Holger ruft an … wegen Harry (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Diese Woche neu bei Übermedien

Cartoon: Atemlos durch die Nacht, bis er Herbergsvater aufmacht (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Cartoon: Hauck & Bauer

Linke Medien in der Krise (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) | Die Inflation setzt auch Verlagen und ihren Leser:innen zu. Die ohnehin oft prekär finanzierten linken Medien trifft es dabei besonders hart. Warum ist das so? Und was macht das Magazin „Jacobin“ anders als die anderen?

Medien haben die Brisanz der Schuldenbremse zu spät umrissen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) | Als 2009 die Schuldenbremse beschlossen wurde, berichteten Medien sehr wenig darüber. Eine öffentliche Debatte blieb in der Folge aus. Doch auch wenn es heute mehr kritische Stimmen gibt, braucht es mehr Aufklärung, findet Matthias Ubl.

Falls Sie über die Feiertage und zwischen den Jahren schon alle Mediatheken und Streamingdienste leer geguckt haben, empfehle ich Ihnen nun noch einen Abstecher auf unseren Youtube-Kanal (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Meine Lieblingsvideos 2023 waren:

Peter Urban weiß es doch auch nicht – Zum Abschied des ESC-Moderators (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Die Trump-Show LIVE – Große Bühne für den Ex-Präsidenten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

+++ BREAKING +++ Bahnhof leer wegen Streik +++ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Unser Redaktionsleiter Frederik von Castell hat Übermedien im November nach zwei Jahren auf eigenen Wunsch verlassen. Wir danken ihm an dieser Stelle noch einmal von Herzen für seinen Einsatz und für die vielen tollen Texte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), die er für uns geschrieben hat!

Anfang 2024 ziehen sich dann Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz aus der Geschäftsführung zurück, um sich auf ihre medienjournalistische Arbeit zu konzentrieren. Dann übernimmt der neue Kollege Alexander Graf das Ruder. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit! Und seinen ersten Übermedien-Newsletter schreibt Alexander Graf gleich am kommenden Samstag.

Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch und alles Gute für 2024!

Lisa Kräher

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