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#67 Suffiziente Wohnkultur

ganz neu ab 21.01.25: Die Bundesregierung hat ihre “Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung” (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) mit der neuen homepage “Region gestalten” (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) vorgestellt - speziell fĂŒr die lĂ€ndlichen Regionen.

Interview im Rahmen des Forschungsprojektes

https://www.bis-berlin.de/suwoku (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)

Auf der MĂŒnchner Messe BAU 2025 wurde der aktuelle Projektstand der Öffentlichkeit vorgestellt.

Als Interviewpartnerin durfte ich mich an folgender Fragestellung beteiligen:

Meine 19 Antworten aus den persönlichen Erfahrungen als RechtsanwÀltin, Projektberaterin und Vorstandsmitglied des FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V., Bundesvereinigung finden Sie im kursiven Text.

Wille

Ein hĂ€ufiges Argument gegen VerĂ€nderungen im Wohnumfeld Ă€lterer Menschen ist, dass "die Leute das doch gar nicht wollen" und "einen alten Baum verpflanzt man nicht". Diese Aussagen spiegeln die Herausforderung wider, den richtigen Zeitpunkt fĂŒr VerĂ€nderungen zu erkennen und die notwendigen Hilfestellungen zu bieten, damit diese VerĂ€nderungen auch umsetzbar sind.

1. VerĂ€nderungen im Wohnumfeld mĂŒssen zum richtigen Zeitpunkt erfolgen, um erfolgreich zu sein. Welche Faktoren bestimmen diesen Zeitpunkt?

Bei Menschen ĂŒber 80 Jahren gibt es hĂ€ufig ungewollte VerĂ€nderungen - bedingt durch Unfall oder Krankheit mit anschließendem Pflegebedarf. In akuten Situationen erlaubt das Einfamilienhaus mit Schlafzimmer im ersten Stock und ungeeignetem Badezimmer keine Versorgung. Vom Krankenhaus geht es direkt in eine geeignete Einrichtung. Der erzwungene Umzug ist unvermeidbar, obwohl die Bewohnerinnen zuvor stets auf Selbstbestimmung bestanden haben.

In solchen FĂ€llen kann jahrelanger Leerstand drohen. Die EigentĂŒmerin im Pflegeheims ist zwar geschĂ€ftsfĂ€hig, ist aber ĂŒberfordert. Ohne eine Vorsorgevollmacht gibt es keinen juristisch berechtigten Vertreter fĂŒr Vermietung oder Verkauf. SpĂ€ter kann sich die Erbengemeinschaft nicht auf eine Lösung einigen.  

Es ist wichtig, die BestandseigentĂŒmer davon zu ĂŒberzeugen, dass sie nicht auf den "richtigen Moment" warten sollten, sondern ihre Situation strategisch und langfristig planen und Vorsorgeregelungen treffen mĂŒssen.

Menschen ab 55+ Jahren stellen dafĂŒr die ideale Zielgruppe dar – sei es fĂŒr sich selbst oder fĂŒr ihre Eltern. Diese Zielgruppe, zwischen Eltern und Kindern, kann die „Wohnfrage“ aktiv gestalten.

Positive Beispiele aus dem Freundeskreis oder belastende Erfahrungen mit den Eltern sind dabei Ă€ußerst motivierend. VHS oder Bildungswerke bieten schon jetzt VortrĂ€ge und Exkursionen an, die thematisch gut passen und auf die man aufbauen kann.

Je frĂŒher, desto besser sollte die Devise lauten. Es gibt nicht den idealen Zeitpunkt fĂŒr VerĂ€nderungen; vielmehr handelt es sich um einen Prozess, der sich ĂŒber einen lĂ€ngeren Zeitraum erstrecken kann. Man kann dies als Abenteuerreise und Phase der Selbstfindung und Selbstbestimmung betrachten.

2. Wie können wir sicherstellen, dass Ă€ltere Menschen die UnterstĂŒtzung erhalten, die sie benötigen, um VerĂ€nderung zu wagen?

FĂŒr die Generation 80+ stehen Barrierefreiheit und Alltagshilfen im Vordergrund der GesprĂ€che. Oftmals sind bereits kleine bauliche Anpassungen und die UnterstĂŒtzung durch Nachbarn ausreichend, um den Alltag zu erleichtern. Der Erstkontakt sollte ĂŒber bestehende lokale Strukturen wie PflegestĂŒtzpunkte, Diakonie, Caritas oder Quartiersmanagement erfolgen, da diese eine vertrauensvolle Basis bieten. Auf dieser Grundlage können auch grĂ¶ĂŸere VerĂ€nderungen angestoßen werden.  

Die Generation 55+ ist meist in der Lage, sich selbststĂ€ndig zu informieren. Oft genĂŒgt es, nach Angeboten zu googeln, um die gewĂŒnschten Informationen zu finden. Viele Veranstaltungen findet man beispielsweise unter
https://www.wohnprojekte-portal.de/veranstaltungen-bundesweit/ (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)
Eine gewisse MobilitĂ€t ist aber notwendig, um z.B. Wohnprojekte-Tage zu besuchen. Es gibt aber auch viele digitale Angebote und BĂŒcher. 

3. Wie können Ă€ltere Menschen motiviert werden können, ihre Wohnsituation zu verĂ€ndern? Welche Rolle spielt dabei das Bewusstsein fĂŒr Nachhaltigkeit?

Mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ kann die Generation 80+ nichts anfangen. Ökologische Aspekte spielen keine Rolle. MonetĂ€re Grenzen oder Einsamkeit werden als unverĂ€nderlich wahrgenommen.

Die gute Ansprache könnte lauten: „Du hast so viel Liebe und MĂŒhe in dein Haus gesteckt. Möchtest du es nicht
in gute HĂ€nde weitergeben? Lass uns gemeinsam darĂŒber nachdenken.“

Die Weitergabe innerhalb der Familie oder an eine Stiftung, die das Erbe nicht sofort gewinnbringend verĂ€ußert, könnte eine emotionale und sinnvolle Alternative sein. Zu nennen sind beispielsweise Stiftung trias (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) oder MĂŒnchner Stiftung „Daheim im Viertel“ . (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) Trotz juristischer Weitergabe kann auch ein Verbleib mit dem KĂ€ufer vereinbart werden (Wohnrecht).

Wenig bekannt sind die „Genossenschaftlichen Immobilienagenturen“ (z.B. GIMA Frankfurt (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)), die Bestandsimmobilien an Genossenschaften, Stiftungen oder an kommunale Wohnungsunternehmen vermitteln. Diese Agenturen können sich gerne bundesweit ausbreiten.

Bei der Generation 55+ spielt das Sharing-Prinzip eine Rolle. Die individuelle WohnflĂ€che kann reduziert werden, wenn ein großzĂŒgiger Gemeinschaftsraum fĂŒr Familienfeiern zur VerfĂŒgung steht. Oft gibt es auch einen Werkraum, der mit Werkzeugen zur gemeinschaftlichen Nutzung ausgestattet ist. Zudem wird ein eigenes Auto weniger notwendig, wenn Carsharing-Modelle und LastenfahrrĂ€der zur VerfĂŒgung stehen. Eine dezentrale Energieversorgung oder digitale Kommunikationsplattform werden gemeinsam umgesetzt. 

4. Welche Strategien haben sich als erfolgreich erwiesen, um die Nachfrage nach Wohnraum in lÀndlichen Gebieten zu steigern?

Im lĂ€ndlichen Raum gibt es Leerstand und gleichzeitig einen erheblichen Mangel an barrierefreiem Wohnraum, der eine Pflege bis zum Lebensende ermöglicht. Die vertraute Umgebung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wenn Senior:innen nicht die Möglichkeit haben, geeignete Wohnformen selbst zu besichtigen und zu erleben, bleibt die Nachfrage gering. Erfolgreiche und realisierte Projekte im gleichen Dorf oder Quartier sind der beste Weg, um das Interesse zu wecken. Dadurch könnte die Nachfrage schnell das Angebot ĂŒbersteigen.

Das Bundesministerium fĂŒr Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Kooperation mit dem FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V. fördert verschiedene Modellprogramme. Aktuell lĂ€uft das Modellprogramm "AGIL - altersgerecht gemeinschaftlich und inklusiv leben" (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre).
Fortbildungen und Exkursionen sind sehr wichtig. Insbesondere BĂŒrgermeister, GemeinderĂ€te und Vertreter der Verwaltung sollten eingeladen werden. 

Von Modell- und Pilotprojekten können Kommunen und TrĂ€ger in hohem Maße profitieren. BĂŒrgermeister und lokale Akteure mĂŒssen offen sein fĂŒr VerĂ€nderungen. Leerstand ist kein unlösbares Problem. Über “Starke Orte Netzwerk” vom „Netzwerk Zukunftsorte“ (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)lĂ€uft schon viel Wissenstransfer. Veranstaltungen wie „Summer of Pioneers“ (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) sind eine tolle Basis fĂŒr Kooperationen.

5. Welche AnsĂ€tze haben sich in der Praxis bewĂ€hrt, um Investoren fĂŒr gemeinschaftliche und suffiziente Wohnprojekte zu interessieren?

Die aktuellen Rahmenbedingungen fĂŒr Neubauten sind wenig attraktiv. Alle Investoren sind verunsichert und warten auf bessere Förderungen oder Erleichterungen im Bausektor. Dies betrifft auch die Bestandsgenossenschaften. Eine Expansion ist derzeit nicht im Fokus; stattdessen stehen bauliche Verdichtung und Modernisierung im Vordergrund.

FĂŒr das Thema Suffizienz könnte dies insofern eine gĂŒnstige Gelegenheit sein. Architekten könnten viel kreativer sein. Mitunter versteckt sie sich hinter baulichen Vorschriften. TatsĂ€chlich bewegt sich gerade einiges zur Vereinfachung baurechtlicher Vorgaben (Stichworte sind Baunutzungsverordnungen und GebĂ€udetyp E). 

Flexible Grundrisse zur Anpassung an verĂ€nderte BedĂŒrfnisse sind immer möglich. Ich habe auf der Messe der Wohnungswirtschaft - Messe Altenmesse einen Vortrag gehört „Wie klein kann ein barrierefreies Single- Appartement sein?“ Ich war beeindruckt, wie aus 56 qm durch geschickte Möblierung und Anordnung der FunktionsflĂ€chen nur 30 qm mit hoher AufenthaltsqualitĂ€t wurden. Umgekehrt können Jockerzimmer einen höheren Wohnbedarf decken.

Seit dem 1.1.2025 gibt es die neue WohngemeinnĂŒtzigkeit im Sinne des § 52 AO. Diese erlaubt gemeinnĂŒtzigen Organisationen einfacher preiswerten Wohnraum zu schaffen - fĂŒr spezielle Zielgruppen wie Senioren oder Menschen mit Behinderung und
(neu) fĂŒr Menschen mit geringen Einkommen.

Jeder Investor, der preiswerten Wohnraum schaffen will, sollte eigentlich automatisch suffizient bauen / umbauen. Jeder Quadratmeter umbauter Raum kostet Geld. Unnötige Technik ist zu vermeiden. GemeinnĂŒtzige, die bislang stationĂ€re Einrichtungen oder ambulant betreute Wohngruppen betreiben, sind wahrscheinlich ĂŒberfordert mit den neuen Möglichkeiten, Wohnraum zu schaffen. Es gibt Überlegungen, ob eine bundesweite Beratungsstelle fĂŒr diese neuen Investoren sinnvoll und notwendig wĂ€re.

 Langfristig ist die Umnutzung von kirchlichen Immobilien ein interessantes Zukunftsthema. Die Kirchen als EigentĂŒmer von großen Bestandsimmobilien wĂ€ren ideale Kooperationspartner fĂŒr gemeinschaftliche suffiziente Wohnprojekte.

6. Welche Strategien können eingesetzt werden, um das Thema gemeinschaftliches Wohnen und suffiziente Wohnformen stÀrker im öffentlichen Diskurs zu verankern?

Gemeinschaftliche Wohnprojekte haben in den letzten Jahren ein Ă€ußerst positives Image erlangt und sind mittlerweile fest in der Mitte der Gesellschaft verankert. Die Unterschiede zwischen den Projekten sind jedoch enorm und variieren stark je nach den BedĂŒrfnissen der GrĂŒnderinnen und Bewohnerinnen.

Viele Kommunen vergeben ihre GrundstĂŒcke mittlerweile ausschließlich im Vergabeverfahren, bei dem sich Gruppen und Organisationen mit einem durchdachten Konzept bewerben mĂŒssen. Auch wenn der Begriff Suffizienz nicht explizit erwĂ€hnt wird, sind Wohnprojekte im Grunde genommen suffizient. Sie bieten kleinere individuelle Einheiten, ergĂ€nzt durch GemeinschaftsflĂ€chen fĂŒr alle, ansprechende VerkehrsflĂ€chen mit AufenthaltsqualitĂ€t, Clusterwohnungen sowie Jokerzimmer, die mehr FlexibilitĂ€t ermöglichen.

Die Vergabeverfahren werden mit Veranstaltungen begleitet. Das findet in der jeweiligen Region rege Beachtung. 

Zwang

Ein kontroverses Thema im Zusammenhang mit Wohnraum und Suffizienz ist auch immer die Aussage: „jetzt möchten die mir auch noch meine Wohnung wegnehmen“, also einem zwanghaften Verzicht im Gegensatz zum freien Willen. Diese Diskussion beleuchtet die Spannungen zwischen staatlichen Eingriffen und individuellen Entscheidungen, insbesondere im Kontext von Wohnraum und Eigentum. 

7. Wie können wir einen Ausgleich zwischen individuellen Eigentumsrechten und dem gesellschaftlichen Bedarf an Wohnraum schaffen?

Der Schutz des Eigentums ist verfassungsrechtlich verankert. Ab den 1950er-Jahren wurde das Einfamilienhaus massiv beworben und gefördert. Das Einfamilienhaus symbolisiert LebensqualitĂ€t und Wohlstand. In der Bestandsimmobilie steckt das eigene Leben mit Erinnerungen. Will man VerĂ€nderung anstoßen, muss auf die richtige Ansprache geachtet werden. Es darf niemals der Eindruck entstehen, dass das Lebenswerk des Einzelnen nichts mehr wert wĂ€re.

Die Motivation kann nur erfolgen, indem man Anregungen gibt, wie die aktuelle Lebenssituation verbessert werden könnte (Alltagshilfe, Gesellschaft statt Einsamkeit, Barrierefreiheit), wie Vorsorge fĂŒr den Pflegefall getroffen werden kann oder wie der Übergang an die nĂ€chste Generation erfolgen kann. Das erfolgt ausschließlich ĂŒber die persönliche Ebene. Der konkrete Helfer / Mieter, die konkrete junge Familie, die das HĂ€uschen kaufen will, mĂŒssen passen. Das ist sehr mĂŒhsame Überzeugungsarbeit.

Begriffe wie Suffizienz, Nachhaltigkeit oder Verteilungsgerechtigkeit spielen in der Kommunikation mit Ă€lteren ImmobilieneigentĂŒmern keine Rolle und verschrecken nur. Der Shitstorm zum „sog. Heizungsgesetz“ zeigt, wie schlechte Kommunikation das Gegenteil bewirken kann.

Wichtig ist auch, dass in Zukunft - ab sofort - keine neuen Einfamilienhausgebiete ausgewiesen werden und ein Umdenken in der Wohnungspolitik stattfindet.  Das sehe ich leider nicht im aktuellen Wahlkampf.

"Merz plant Massen-Bau von Mini-HĂ€usern" von Bild online

8. Brauchen wir eine neue Rechtsform? Was halten Sie von der Aussage:

„Wir wollen eine neue Form von Eigentum schaffen, die nicht in die klassische Mietervermieter-Rolle fĂ€llt. Statt im Eigenheim zu wohnen und einen großen Teil des Lohns an den EigentĂŒmer abzugeben, möchten wir HĂ€user vergesellschaften. Unser Ziel ist es, einen Prozess in Gang zu setzen, der neue Eigentumsformen implementiert. Das Ganze hat einen genossenschaftlichen Grundcharakter und legt großen Wert auf ökologische Aspekte. Es geht darum, Eigentum zu neutralisieren und gemeinschaftlich zu nutzen, anstatt es individuell zu besitzen.“ (MiethĂ€user-Syndikat)

Das MiethĂ€user-Syndikat ist juristisch eine GmbH, die kreativ gestaltet wurde und in eine feste Struktur von Organisationen verschachtelt ist. So wird verhindert, dass einzelne Personen oder Gruppen am Vermögen persönlich beteiligt sind und Immobilien leicht verĂ€ußert werden können. Innerhalb der Wohnprojekte-Szene ist das eine eigene Welt, die sich auf Bestandsobjekte spezialisiert hat, die nur moderat saniert werden. Preiswerte Mieten sind primĂ€res Ziel.

Das ist ein schönes Beispiel dafĂŒr, dass bestehende Rechtsformen durchaus ausreichen. Die Rechtsform ist auch nicht entscheidend fĂŒr die QualitĂ€t.
Mit der nestbau
AG gibt es ein weiteres Beispiel, dass sogar eine Aktiengesellschaft gemeinwohlorientierte Wohnungen schaffen kann.
Auch die neue eGbR gibt kostengĂŒnstige Gestaltungsmöglichkeiten fĂŒr kleine Projekte im Bestand.
Viele kleine Projekte können zudem unter das Dach einer Genossenschaft schlĂŒpfen. Das Genossenschaftsrecht ist gerade in der Modernisierung.

Mittels Kooperationen kann man wunderbare Konzepte erstellen. Es gibt viele Akteure, die soziale und ökologische Ziele umsetzen wollen. Diese mĂŒssen mehr miteinander agieren. 

9. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind notwendig, um freiwillige Lösungen zu fördern?

Der Bund kann finanzielle Anreize bieten, wie die Kfw-Förderung 308 ab September 24 „Wohneigentum fĂŒr Familien - Bestandserwerb“. (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)

Viele BundeslÀnder haben ihre Baunutzungsordnungen verÀndert, sodass viele bauliche VerÀnderungen nicht mehr baugenehmigungspflichtig sind.

Baden-WĂŒrttemberg hat in Zusammenarbeit mit der Architektenkammer eine BeratungsprĂ€mie fĂŒr die aktive Aktivierung von ungenutzten WohnflĂ€chen entwickelt. Die BeratungsprĂ€mie soll als Anreiz fĂŒr die Kommunen dienen, ihr Engagement bei der Aktivierung von Wohnraum im Bestand auszubauen. Voraussetzung hierfĂŒr ist, dass die Kommunen im Bereich der Beratung und/oder Vermittlung aktiv werden. Die Beratung zur Immobilie muss von einem Architekten, der Mitglied in einer Architektenkammer ist, durchgefĂŒhrt werden.

Die gĂŒnstige Vermietung durch private Vermieterinnen könnte steuerfrei bleiben. Ich finde den Ansatz von „Gemeinwohlwohnungen“ (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) interessant. 

Es gibt schon einige Bausteine, deren Wirkungen man erst in einiger Zeit sehen kann. Eine schnelle einfache Lösung gibt es nicht.

10. Kommunen und der Staat spielen eine wichtige Rolle bei der Schaffung der Rahmenbedingungen fĂŒr nachhaltige Wohnformen. Wie können staatliche Eingriffe gestaltet werden, um die Freiwilligkeit der Beteiligten zu respektieren und gleichzeitig die notwendigen VerĂ€nderungen zu fördern?

Am juristischen Bestandsschutz der bereits gebauten GebĂ€ude und am Schutz des Eigentums ist nicht zu rĂŒtteln.

Es gibt jedoch eine Vielzahl von Möglichkeiten im Rahmen der sog. Bodenpolitik:

  • Leerstand kann man mit Zweckentfremdungssatzungen angehen.

  • GrundstĂŒcke der Kommunen sollten nicht mehr gegen Höchstpreis, sondern fĂŒr das beste Konzept verĂ€ußert werden.

  • Statt Verkauf sind Erbbaurechte denkbar.

  • Kommunen können strategisch wichtige GrundstĂŒcke ankaufen oder Vorkaufsrecht ausĂŒben.

  • In der Bauleitplanung dĂŒrfen keine EFH-Siedlungen neu ausgewiesen werden.

In vielen Kommunen fehlt der politische Wille oder die Haushaltslage gibt keinerlei Gestaltungsspielraum.

Aufwand

Ein hĂ€ufiges Hindernis fĂŒr Ă€ltere Menschen, ihre Wohnsituation zu verĂ€ndern, ist der wahrgenommene Aufwand, insbesondere beim Umbau ihres Hauses. Diese Diskussion beleuchtet die Herausforderungen und möglichen Lösungen, um den Umbau fĂŒr Ă€ltere Menschen weniger belastend zu gestalten.

11. Welche praktischen Hilfestellungen und UnterstĂŒtzungsangebote sind bereitzustellen, um diesen Prozess zu erleichtern?

Es sollte durchaus eine grĂ¶ĂŸere Vielfalt an Angeboten bei der Entscheidungsfindung geben. Das AbwĂ€gen verschiedener Möglichkeiten in unterschiedlichen Konstellationen ist von großer Bedeutung.

Es gibt mittlerweile kleine Handreichungen fĂŒr verschiedene Handlungsoptionen. Auf der Internetseite https://www.leben-vor-der-stadt.de/alle-artikel/weiternutzen-vererben-vermieten-verkaufen-handlungsoptionen-fur-bewohner-innen (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) habe ich einige Möglichkeiten vorgestellt. Auch innerhalb einer Familie gibt es strategische Möglichkeiten, die steuerrechtlich interessant sind und gleichzeitig den Erbfall regeln. TatsĂ€chlich kommen zur mir als RechtsanwĂ€ltin und Projektberaterin vermehrt Familien mit einer Bestandsimmobilie, die ein generationsĂŒbergreifendes Wohnprojekt realisieren wollen.

Auch die GRÜNELIGA hat eine kleine Handreichung https://www.grueneliga.de/index.php/de/themen-projekte/wohnen/1500-wohnraum-handreichung (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) veröffentlicht. Der Verband Wohneigentum und architect for future sind im Thema engagiert.

Eine Weiterbildung fĂŒr die Akteure, die schon niederschwellig vor Ort BĂŒrger:innen betreuen, könnte sinnvoll sein. Diese sollten zumindest Input liefern und an Fachleute verweisen können.

Erst danach greifen UnterstĂŒtzungsangebote fĂŒr eine konkrete Maßnahme. 

12. Welche UnterstĂŒtzungsangebote könnten Ă€lteren Menschen helfen, den Umbau ihres Hauses zu bewĂ€ltigen?

Zugehende Wohnberatung ist hervorragend, da sie den Bewohner:innen hilft, eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Möglichkeiten fĂŒr ihre Wohnsituation bestehen. Es wĂ€re wĂŒnschenswert, wenn sowohl Barrierefreiheit als auch Energieeffizienz gleichermaßen berĂŒcksichtigt werden.

Eine Koordination der nĂ€chsten Handlungsschritte sollte sich anschließen. Dies fĂ€ngt schon mit der EntrĂŒmpelung des Hauses an. Zertifizierte Berater:innen, die FördermittelantrĂ€ge stellen können, sind zu empfehlen.

Nach dem Umbau kommt hoffentlich die temporĂ€re Vermietung. Hier muss das Matching stimmen. Senior:innen brauchen dafĂŒr persönliche Hilfe, der sie vertrauen.
Daniel Fuhrhop hat wissenschaftlich viele AnsÀtze zusammengetragen:

https://www.daniel-fuhrhop.de/de/wohnwendeoekonom/wissenschaft/ (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)

13. Was können Kommunen effektiv leisten, und wie können sie durch eine kluge Zusammenarbeit mit privaten Investoren ihre Ziele erreichen?

Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft ist ein hervorragender Investor. Sie könnte auch EinfamilienhĂ€user erwerben, umbauen und vermieten. In Schwabach engagiert sich die kommunale Wohnungsbaugesellschaft fĂŒr denkmalgeschĂŒtzte, leer stehende HĂ€user und fĂŒhrt diese (mit Mittel aus der StĂ€dtebauförderung) einer neuen Nutzung zu. 

Lokale Baugenossenschaften und Wohlfahrtsorganisationen können durch Konzeptvergabeverfahren, eine durchdachte Bauleitplanung sowie UnterstĂŒtzung bei der Beantragung von Fördermitteln zu eigenen Maßnahmen motiviert werden. Einige Fördermittel sind an eine positive Bewertung durch die Kommune gebunden.

14. Welche praktischen Erfahrungen haben Sie mit der UnterstĂŒtzung durch Beratungsstellen und kommunale Planer bei der Umsetzung von Umbauprojekten fĂŒr Ă€ltere Menschen gemacht?

Die GrĂŒne Liga hat viele Wohnberatungs- und Vermittlungsangebote zusammengestellt.
https://www.grueneliga.de/index.php/de/themen-projekte/wohnen/datenbank (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)
Die QualitÀt ist sehr unterschiedlich, je nach beruflicher Qualifikation der Berater:innen. 

Mehr interdisziplinĂ€res Wissen und Vernetzung wĂ€re hilfreich. In einem gemeinsamen Forderungspapier „Wohnraummobilisierung“ haben sich bereits viele Akteure gefunden, die am Thema arbeiten.

https://www.grueneliga.de/images/Bilder/Wohnen/2024-10-14_Positionspapier_Wohnraummobilisierung.pdf (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)

 15. Wie können Kommunen und lokale Behörden besser in die Planung und Umsetzung von Wohnprojekten eingebunden werden? 

Wohnprojekte werden vorrangig bottom-up entwickelt: Die Kommune ist dabei nicht planerisch eingebunden und darf privaten AktivitÀten auch nicht besonders fördern.  

Die Kommune hat aber die Möglichkeit, eigene GrundstĂŒcke vorrangig an Wohnprojekte mit gutem Konzept zu vergeben, sofern entsprechende politische BaulandbeschlĂŒsse vorliegen. Andernfalls konkurriert jedes Projekt mit BautrĂ€gern und anderen GrundstĂŒckskĂ€ufern um die verfĂŒgbaren FlĂ€chen.

In immer mehr Kommunen gibt es solche Konzeptvergabeverfahren. Zudem werden Beratungsstellen fĂŒr interessierte Bewerbergruppen eingerichtet.

Leider gibt es auch viele Kommunen, die weiterhin GrundstĂŒcke verĂ€ußert an den Höchstbietenden verĂ€ußern, wobei der KĂ€ufer das baut, was im Bebauungsplan zulĂ€ssig ist und was sich am profitabelsten nutzen lĂ€sst.  

16. Welche praktischen Schritte können Àltere Menschen unternehmen, um (gemeinsam) nachhaltige Wohnformen zu realisieren?

Die GrĂŒndung eines eigenen Wohnprojekte dauert Jahre und ist anstrengend. Manche scheitern.
Kleine Gruppen könnten stattdessen unter das Dach einer Genossenschaft schlĂŒpfen.

Einzelpersonen können sich in bestehende Wohnprojekte auf eine Warteliste setzen lassen oder auf matching plattformen nach Angeboten suchen. Probewohnen kann die Hemmschwelle senken, da die Integration beiderseitig getestet werden kann.

https://www.bring-together.de/de/plattform (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)

17. Welche Herausforderungen begegnen Ă€lteren Menschen beim Umzug in kleinere Mietwohnungen und wie können diese ĂŒberwunden werden?

In einer bereits finanzierten Bestandsimmobilie fallen nur geringe laufende Nebenkosten an, was deutlich gĂŒnstiger ist als Miete. Aus diesem Grund fördert die Politik den Erwerb von Eigentum als Altersvorsorge. 

"Altersarmut ist Mieterarmut" 
Zeitungsartikel der NĂŒrnberger Nachrichten vom 16.01.25

Diese propagierte „Sicherheit“ wird ungern aufgegeben. Die VerĂ€nderung der Wohnsituation von Eigentum in Miete wird als Risiko bewertet.

Jeder Umzug kostet Geld, die Möbel passen nicht und je nach Rechtsform sind
neben dem monatlichen Nutzungsentgelt / Mietzins hÀufig Einmalzahlungen notwendig.

Die monatlichen Zahlungen sind höher als die laufenden Kosten im eigenen HĂ€uschen. Nebenkosten fĂŒr Hausmeister, die Wartungskosten fĂŒr den Aufzug und sonstige Nebenkosten fallen an, die es frĂŒher nicht gab. Es wird also teurer - wenngleich der Komfort steigt.

Die soziale Rendite (soziale Kontakte, gemeinschaftliche AktivitĂ€ten, nachbarschaftliche Hilfe, ect) hat sicherlich einen Wert, den jede:r fĂŒr sich bewerten muss.  

Je nach persönlicher Einstellung wird der Erlös aus dem Verkauf der Immobilie unterschiedlich verwertet. Die einen können den Erlös „bequem abwohnen“, andere wollen den Erlös komplett an Angehörige vererben und scheuen monatliche Mehraufwendungen.

18. Welche Vorteile haben Genossenschaften im Wohnungsmarkt?

Das Handelsblatt hat erst jetzt veröffentlicht, dass Genossenschaften mit ihren Mieten deutlich unter den sonst ĂŒblichen Mietzinsen liegen. 

"Genossenschaftswohnungen als preisgĂŒndtige Alternative in einem umkĂ€mpften Markt" Artikel im Handelsblatt

Diese Beschreibung ist aber nicht ganz vollstĂ€ndig: Neue Wohnungsgenossenschaften verlangen von allen Mitgliedern sogenannte wohnungsabhĂ€ngige Pflichteinlagen als Einmalzahlung, die als Eigenkapital dienen. Diese BetrĂ€ge können fĂŒnfstellige Summen betragen und sind zusĂ€tzlich zum monatlichen Nutzungsentgelt zu entrichten. Es gibt dafĂŒr die Kfw-Förderung 134. (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) DafĂŒr muss der Genosse aber die passende Hausbank finden und die BonitĂ€tsprĂŒfung bestehen. 

Es wĂ€re toll, wenn Ă€ltere Bestandsgenossenschaften mit Eigenkapitalpolster vermehrt Wohnraum schaffen wĂŒrden. Da gibt es einige Hemmnisse.

Ein Grundprinzip der Genossenschaft ist das Gleichbehandlungsprinzip, sofern keine sachlichen GrĂŒnde fĂŒr Abweichungen vorliegen, wie beispielsweise zwischen geförderten oder freifinanzierten Wohnungen. Sowohl Altgenossen als auch neue Genossen zahlen grundsĂ€tzlich das gleiche Nutzungsentgelt pro Quadratmeter Wohnraum. Dadurch wird ein bedarfsgerechter Wohnungstausch ermöglicht. Eine kleinere Wohnung kostet dementsprechend weniger Nutzungsentgelt.

 FĂŒr den Wohnungstausch innerhalb einer Genossenschaft ist keine Änderung des Mietrechts erforderlich. Die Genossenschaft sollte den Wohnungstausch strukturell und kommunikativ gut vorbereiten.

Genossenschaften nehmen im Segment der Mietwohnungen eine besondere Rolle ein.

Privat

Ein hÀufiges Argument gegen gemeinschaftliches Wohnen ist, dass viele Menschen ihren privaten Wohnraum nicht teilen möchten.

19. Wieviel Privatheit gibt es in gemeinschaftlichen Wohnformen ?

 Die Vielfalt der Wohnprojekte ist groß. Das hat selten etwas mit Studenten-WGs oder Kommunen zu tun. Fast immer gibt es individuelle Wohnungen mit Bad und Kochgelegenheit zur Alleinnutzung. Die Nutzung der GemeinschaftsflĂ€chen ist freiwillig. Privater RĂŒckzug ist immer möglich.  

Auch in einem Einfamilienhaus können durch bauliche Maßnahmen private RĂŒckzugsrĂ€ume geschaffen werden. In einem großen Garten könnte ein barrierefreies Tinyhaus fĂŒr die „Alt“eigentĂŒmerin errichtet werden. Die Möglichkeiten können nur im Einzelfall geprĂŒft werden.

An dieser Stelle beendet ich fĂŒr die Leser:innen die Wiedergabe. Ich gehe davon aus, dass Ihr bereits ein gute Wissenbasis und eigene Erfahrungen habt.

Es ist gut, rationale Argumentation zur suffizienten Wohnkultur aufzubereiten.

Das Thema Eigenheim betrifft eine höchstpersönliche Ebene. Wir mĂŒssen uns trainieren, Ängste, Vorbehalte und Lebenswelten einer anderen Generation zu respektieren und Lösungen bedĂŒrfnisgerecht anzubieten. Was fĂŒr den einen „gut“ und „förderlich“ ist, ist fĂŒr den anderen “unertrĂ€glich”. Es gibt genauso wenig DEN Menschen, wie es DAS Gehirn gibt. Was wir intuitiv, also teilbewusst oder unbewusst wahrnehmen, passiert schneller als unser bewusstes Denken. Wir wĂ€gen nicht ab, sondern haben sofort ein „BauchgefĂŒhl“ in uns – ein klares „Ja“ oder „Nein“. Empathische Kommunikation ist sicherlich eine SchlĂŒsselkompetenz fĂŒr jede:n Berater:in.

Es ist sehr sinnvoll, wenn das Forschungsprojekt Strategien der UnterstĂŒtzung erarbeitet. Viele Bausteine sind notwendig, um auf unterschiedliche Generationen, Menschentypen und individuelle Situationen besser reagieren zu können.

Es gibt zahlreiche Akteure, die sich bereits mit Themen wie Wohnen im Bestand, neuen Wohnkonzepten, gemeinschaftlichem Wohnen, der Bodenwende sowie Bodenpolitik und dem nachhaltigen Wandel in der Baubranche befassen. Obwohl der Begriff "Suffizienz" selten verwendet wird und die Schwerpunkte unterschiedlich gewichtet sind, teilen alle Akteure aus der Zivilgesellschaft eine gemeinsame Zielrichtung.

Ich wĂŒnsche Janika Gabriel und Dr. Dominikus Vogl vom BIS Berliner Institut fĂŒr Sozialforschung viel Erfolg bei ihrem Forschungsbericht.

Vielleicht können Zivilgesellschaft und Wissenschaft - gemeinsam - die notwendigen Zuversicht und den Mut zur VerĂ€nderung verbreiten. Fördermittel sind unverzichtbar! DafĂŒr brauchen wir Politiker, die ĂŒber die eigene Amtszeit hinweg denken.

FĂŒr alle, die mehr Zuversicht brauchen, empfehle ich folgende LektĂŒre:

https://www.publikationen-bundesregierung.de/pp-de/publikationssuche/transformation-gesellschaft-2330508 (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)

Das war heute ein sehr langer Post. Danke an alle, die ihn bis zum Schluss gelesen haben 😘.

Angelika Majchrzak-Rummel

RechtsanwÀltin, Wohnprojektberaterin

https://wonderl.ink/@angelika.maj_rml (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)




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