Von Hundeglück und toxischen Männern
Von Hasnain Kazim - Pfingstwunder / Hund und Glück / Israel und Palästina / Frédéric Schwilden
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich habe herausgefunden, was das Pfingstwunder ist! Das Pfingstwunder nämlich ist, dass man jedes Jahr zu Pfingsten nachschlägt, was Pfingsten überhaupt ist, welche Bedeutung dieses Fest hat, was das also soll. Man versucht, es sich zu merken - und nach ein paar Tagen weiß man es nicht mehr. Jedenfalls muss man es beim nächsten Pfingsten erneut nachlesen. Es gibt keine Möglichkeit, es sich zu merken, keine Eselsbrücke, keine einprägende Geschichte, nichts. Es will einfach nicht hängen bleiben.
Nicht zu vergessen, was Pfingsten ist, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Dieses Jahr habe ich mir deshalb vorgenommen, erst gar nicht nachzuschlagen, was das soll. Schreiben Sie es mir bloß nicht! Vielleicht drängt es sich dann nächstes Jahr von alleine unweigerlich auf, weil es sich ignoriert und verkannt und missachtet fühlt. Vielleicht kann man das Pfingstwunder auf diese Weise umkehren.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls schöne Pfingsten und erholsame Tage!
P. S.: Es gibt dann noch das Fronleichnamwunder…
Frau Dr. Bohne verdient 84.000 Euro im Jahr - mindestens!
Diese Woche las ich einen schon etwas älteren Artikel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) über eine Studie, wonach das Halten eines Hundes (oder einer Katze, ich erwähne das hier der Vollständigkeit halber, auch wenn Frau Dr. Bohne, mein Jagdterrier, der Auffassung ist, das sei keiner Erwähnung wert) die Lebenszufriedenheit des Menschen deutlich steigere.
Wissenschaftler der London School of Economics und der University of Kent haben demnach herausgefunden, dass die Lebenszufriedenheit des Halters auf einer Skala von eins bis sieben durch ein Haustier um drei bis vier Punkte steige. Das entspreche einem Einkommenszuwachs von 84.000 Euro im Jahr, ein Geldsegen in dieser Höhe, schreiben die Forscher, bereite eine vergleichbare Zunahme des Lebensglücks.
84.000 Euro!
Frau Dr. Bohne ist sehr zufrieden mit dieser Studie, die im März veröffentlicht wurde und die Sie hier nachlesen können. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Ich befürchte, sie wird jetzt noch mehr Leckerlis einfordern, als Belohnung für ihre Lebensfreudesteigerungsdienstleistungstätigkeit.
Zugeben: Ich kann das Ergebnis der Studie bestätigen. Es sind die vielen alltäglichen Kleinigkeiten, die dazu beitragen.
So komme ich zum Beispiel zu ihr - und finde sie so auf dem Sofa vor:

Macht dieser Blick nicht automatisch glücklich und lässt einen alles andere vergessen?
Und dann sage ich zu ihr: “Böhnchen, gib Pfotis!” Und sie:

Das ist 84.000 Euro wert. Mindestens.
“Israel, Palästina, sag doch mal was!”
Nun ein schwieriges, wenig erbauliches Thema: Israel, Palästina, der Krieg. Wer liest, was ich so schreibe, kennt meine Haltung in diesem Konflikt. Und immer wieder fragen mich Leute, warum ich nichts zum Leid der Palästinenser sage.
“Schreiben Sie Herr Kazim endlich zu Genozid an Palästinenser!!! Bis jetzt wirken wie eine ZIONIST!!!!!!!!!!!!!!! Schreiben Sie und machen Ihre Standpunkt klar das Sie keine ZIONIST sind!!!!!!!!!! Sonst wir werden Informationen über Sie veröfentlichen über Ihre wahre Charakter!!!!!!!!!!!!” Das schreibt mir ein anonymer Leser. Es ist stellvertretend für viele Zuschriften, die ich erhalte.
Ein Christopher Voß schreibt, sachlich im Ton und für mich glaubwürdig an einer Antwort interessiert, auf “X”: “Ehrliche Frage: Haben Sie die Menschenrechtsverbrechen der israelischen Regierung hier jemals thematisiert? Zu den aktuellen Entwicklungen, so scheint es mir, schweigen Sie schon seit Monaten.” An späterer Stelle schreibt er noch, man könne “aus intellektueller Redlichkeit heraus erwarten”, dass ich dazu etwas sage. Nun, erwarten kann man das vielleicht von jemandem, der in politischer Verantwortung ist und dafür bezahlt ist und ein Amt hat.
Von mir kann man in dieser Hinsicht nix erwarten. Ich möchte aber dennoch darauf antworten. Denn diese Frage, wie Herr Voß sie stellt, schwirrt ja allenthalben herum, und eine zufriedenstellende Antwort habe ich noch nirgends gelesen. Ob meine zufriedenstellend ist, weiß ich nicht, aber ich möchte jedenfalls eine Antwort geben. Es ist ein heikles Thema, man kann nur verlieren, und über Krieg zu sprechen, hat immer auch einen zynischen Aspekt, immer. Man kann das nicht umschiffen.
Kürzlich schrieb mir einer, ich würde mich „pro-israelisch positionieren, um den Mächtigen und den Geldgebern zu gefallen”. Das ist so blöd wie falsch und zum Teil auch antisemitisch. Man muss nicht viel von mir lesen, um zu der Erkenntnis zu gelangen: Jemandem “gefallen” zu wollen, ist so mit das Letzte, was mich antreibt. Natürlich freue ich mich über Lob und Anerkennung und Zustimmung, aber das bestimmt nicht mein Schreiben. Ganz abgesehen davon: Wie auch immer man sich zu diesem Thema äußert, macht man sich - gerade bei diesem Thema - vor allem Feinde. Ich glaube, auch das ist ein Grund, weshalb viele Menschen dazu lieber schweigen.
Sehe ich das Leid der Menschen in Gaza? Selbstverständlich. Es zerreißt einem das Herz zu sehen, wie Familien ihre Heimat verlieren, wie Häuser, Straßenzüge, Wohngebiete, ganze Städte zerstört werden. Wie Kinder sterben, Menschen hungern. Es macht einen fertig. Und natürlich muss man diesen Menschen helfen. Habe ich Mitgefühl? Ja. Aber Hilfe muss erfolgen, ohne die Terrororganisation Hamas einzubinden oder gar zu stärken.
Zuletzt haben Hilfslieferungen Gaza erreicht, über Hilfsorganisationen, die an den alten Strukturen vorbei operieren. Die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) hat die Aufgabe zu helfen - und zwar unter vollständigem Ausschluss von Hamas und Hamas-nahen Strukturen. Das ist gut und wichtig, denn die Hamas kapert Lkw, greift Hilfsgüter ab, kassiert sie ein und verkauft sie überteuert auf dem Schwarzmarkt an die Bevölkerung, um damit ihren Krieg zu finanzieren, ihre Raketen und Gewehre und Tunnelbauten und Verstecke.
Als die GHF-Hilfslieferungen kürzlich an der Hamas vorbei Gaza erreichten, drehten die Hamas-Leute durch: Sie schüchterten die hungernden, leidenden Menschen ein, warnten sie davor, diese Hilfen anzunehmen, bedrohten sie, schossen auf sie.
Letztlich legt die Hamas es darauf an, dass die Menschen in Gaza leiden. Es dient ihren Zielen. Das ist pervers, aber leider wahr. Nur sie selbst will Hilfsgüter und Geld erhalten, und seit mehr als 18 Jahren wird sie gefüttert und gemästet von den USA, Europa, der ganzen Welt. Nur mit diesem Geld hat sie sich ein umfassendes Tunnelsystem gebaut und Waffen produziert, ganz egal, dass derweil die eigene Bevölkerung hungerte und litt.
Bemerkenswerterweise kommt Kritik an diesen neuen, Hamas-freien Hilfsstrukturen von Uno-Generalsekretär Antonio Guterres und ihm nahestehenden Kreisen. Aber siehe da, man muss nur ein bisschen genauer hinschauen und erkennt: Die zuständige Organisation der Uno, nämlich UNRWA, das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, hat, hoppla!, enge Verbindungen zu Hamas. Es gibt Dutzende offizielle und verifizierte Berichte, wonach UNRWA-Mitarbeiter Terror feiern, Israelis und Juden bedrohen und beschimpfen und Terrorpropaganda verbreiten. Das UNRWA betreibt das größte Schulsystem im Nahen Osten. Immer wieder gibt es glaubhafte Berichte, wonach Lehrkräfte antisemitische Propaganda verbreiten und ihren Schülern Hass gegen Juden eintrichtern. Israel behauptete im Januar 2024, zwölf UNRWA-Mitarbeiter seien in den Hamas-Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 verwickelt gewesen, und siehe da, nach einer Untersuchung wurden tatsächlich immerhin neun UNRWA-Mitarbeiter entlassen.
Ich kann nicht nur nachvollziehen, sondern finde richtig, dass man nur hilft, wenn es ohne die alten Strukturen geht. Denn alles andere unterstützt die Terroristen. Wer die Hamas feiert und den 7. Oktober 2023 als einen “Akt der Befreiung” sieht, wer Leute beschäftigt, die für diesen Terrorhaufen arbeitet, sollte keinen Cent bekommen.
Halte ich das militärische Vorgehen Israels für unverhältnismäßig? Soweit ich das beurteilen kann: ja. Nenne ich das “Genozid”? Nein. An dieser Stelle werden mir oft diverse Organisationen, Wissenschaftler, Gerichte et cetera entgegengehalten, die es so nennen. Nun bin ich kein Völkerrechtsexperte, habe aber im Politikstudium immerhin Völkerrecht bis zum Diplom als Nebenfach studiert, um zu wissen: Kaum ein Rechtsgebiet bietet so viel Auslegungsspielraum wie das Völkerrecht. Und ich sehe das Ziel Israels nach wie vor darin, die Hamas zu vernichten.
Ich weiß, Vergleiche hinken und sind oft schwierig, aber dennoch: Waren die Bombardements auf Städte wie Dresden, Magdeburg, Heilbronn, Hannover, Münster und viele, viele andere mehr mit Zigtausenden von toten Zivilisten ein “Völkermord”? Ich würde sagen: nein. War das Vorgehen der Briten und Russen und Amerikaner und Franzosen unverhältnismäßig? Ich würde sagen: schon. Andererseits: Hätte Hitler ohne dieses Vorgehen kapituliert? Wären die Nazis ohne diese - ohne Frage unmenschliche - Kriegsführung besiegt worden? Ich bin kein Historiker, aber ich befürchte: nein. Ist es zynisch, dafür das Bombardement von Städten und den Tod Zigtausender Zivilisten in Kauf zu nehmen? Gewiss. Ich wünschte, der eine oder andere Soldat der Alliierten wäre juristisch zur Rechenschaft gezogen worden für diese Entscheidungen. Aber hätte man Truman, Stalin, Churchill und de Gaulle nach dem Zweiten Weltkrieg vor ein internationales Strafgericht stellen müssen? Ich finde: nein. (Und Stalin jedenfalls nicht deswegen.)
Ich habe in Heilbronn gelebt. Ich habe viel gelernt über das Bombardement dieser einst so schönen Stadt durch die Royal Air Force am 4. Dezember 1944, als mehr als 60 Prozent des Stadtgebiets zerstört wurden, darunter fast die gesamte historische Innenstadt, und mehr als 6500 Menschen getötet wurden. Ich kenne persönlich Menschen, die Angehörige damals verloren haben. Und doch würde ich sagen: Hauptverantwortlicher für dieses Leid und dieses Elend vieler unschuldiger Menschen waren Hitler und Nazi-Deutschland. Und deshalb war der 8. Mai 1945 kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag der Befreiung. Man kann um die Toten trauern und das Leid der Überlebenden teilen und doch den militärischen Sieg der Alliierten und damit die Befreiung von den Nazis feiern.
Und so verstehe ich Palästinenserinnen und Palästinenser, die protestieren und auf das Leid ihrer Angehörigen aufmerksam machen. Die Tanten und Onkel und Nichten und Neffen verloren haben und nicht verstehen, dass das hier nicht so kritisiert wird, wie sie es erwarten. Dass sie nicht das Mitgefühl bekommen, das sie sich wünschen. Ich verstehe, dass manche von ihnen nicht mehr mit Menschen wie mir reden, weil sie Haltungen wie die meine nicht ertragen. Mir tut das unendlich leid. Und ich kann nur hoffen, dass wir eines Tages wieder miteinander sitzen, reden, Tee trinken können.
Die Hauptverantwortung sehe ich bei der Hamas. Die übrigens nicht nur seit heute exakt 610 Tagen Geiseln hält, die sie genommen hat, als sie damals mehr als 1250 Menschen ermordete, sich dabei filmte und ihre Taten im Internet und auf den Straßen feierte. Sondern die immer noch Tag für Tag Dutzende, manchmal Hunderte Raketen auf Israel schießt und so die Menschen in ein Leben in Unsicherheit und oft Todesangst zwingt.
In den Nachrichten sieht man die Bilder vom zerstörten Gaza. Aber es ist ja nicht so, als würde die Hamas nicht umgekehrt Israel auslöschen wollen - sie ist halt nur nicht fähig dazu. Zum Glück. Einzig ihre Unfähigkeit steht ihrer Bösartigkeit im Weg. Könnte sie es, sähe Israel kein Stück besser aus. Versuchen tut es die Hamas mit ihren selbstgebastelten Raketen dennoch, jeden Tag aufs Neue. Warum hört sie nicht damit auf? Warum lässt sie nicht die wenigen überlebenden Geiseln frei? Warum macht sie nicht den Weg zu einem Waffenstillstand frei?
Und ja, nachdem ich früher eine Zwei-Staaten-Lösung für richtig gehalten habe, bin ich seit einiger Zeit dagegen. Denn was für ein Staat soll dieses Palästina werden? Ein Hamas-Staat? Ein PLO-Staat? Ein “Islamischer Dschihad in Palästina”/Muslimbrüder-Staat? Ein zweites Afghanistan? Was genau? Und müssen wir das unterstützen? Unterstützt irgendein arabisches Nachbarland es?
Der toxische Schwilden
Das Schöne am Autorenleben in Wien ist, dass immer mal wieder interessante Menschen in dieser Stadt vorbeischauen und sich dann sogar bei mir melden und fragen, ob ich Lust auf ein Treffen hätte.
Vor zwei Jahren habe ich den Roman “Toxic Man” gelesen, von Frédéric Schwilden, den ich persönlich nicht kannte und lediglich wusste, dass er als Reporter für die “Welt” arbeitet. Das Buch hatte ich in einer Buchhandlung gesehen und es mitgenommen, weil mir, ich gebe es zu, das Cover auffiel und gefiel.
Das Buch: mega! Eine Männergeschichte. Ein junger Fotograf, der das Leben im schrecklichen Berlin [Die Wertung “schrecklich” stammt von mir; Anmerkung H. K.] zwischen Beruf, Kunst und Familie zu meistern versucht. Drogenkonsum, exzessive Partys, gefeierter Künster, innere Leere. Der plötzliche Tod seines Vaters, eines autoritären Medizinprofessors, konfrontiert ihn mit seiner eigenen Vergangenheit. Es geht auch um Identitätssuche, patriarchale Strukturen und emotionale Kälte. Das Ganze aber aus einer gottseidank nicht üblichen Perspektive. Ich habe es quasi in einem Rutsch gelesen, weil: sehr gut geschrieben.
Nun schrieb mir ausgerechnet dieser Schwilden, den ich zwischenzeitlich durch “X” und Instagram als Mann mit, wie soll ich sagen?, sehr farbenfroher Kleidung kennengelernt hatte, dass er zu einer Recherche nach Wien komme und ob wir uns treffen wollten.
Das haben wir diese Woche ziemlich spontan getan. Und siehe da: Er ist tatsächlich so bunt.

Sein Hemd, dessen Stoff mit Motiven von Kaugummipackungen bedruckt ist, ist von Moschino, und ich habe gelernt, dass man “Moskino” sagt. Beeindruckend. Überhaupt habe ich viel über Mode gelernt, was das mit einem Menschen macht und mit dem Bild, das andere von einem haben.
Dort, wo wir uns getroffen haben, hat er Tartar bestellt. Ich nenne es Zwiebelmett für Intellektuelle. (Ich weiß, Tartar ist Rind, Zwiebelmett Schwein. Trotzdem.) Alles daran ist schön, um den Standardspruch von Schwilden zu verwenden.

Er wiederum hat mich fotografiert und mich so getroffen, wie ich wirklich bin. Nicht gerade wenige meiner Marinefreunde haben daraufhin bemängelt, dass ich ein Army-T-Shirt trage und keines von der Navy, und ich weiß, ich übertreibe manchmal mit meinem Hang zu provozieren. Hier ein Geständnis: Tatsächlich wäre ich damals beinahe zu den Panzeraufklärern gegangen; es war dann der sehr gute Marinemann in der Offizierprüfzentrale in Köln (heute heißt es “Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr”), der mich im letzten Moment mit seinem hervorragenden Vortrag von der Marine überzeugte.
Frédéric Schwildens neues Buch, der Roman “Gute Menschen”, erscheint im August. Ich bin schon gespannt. Bis dahin können/sollten/müssen Sie seinen Roman “Toxic Man” lesen, falls Sie das noch nicht getan haben:
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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche und schöne, sommerliche Tage!
Herzliche Grüße derzeit aus dem Harz,
Ihr Hasnain Kazim
P. S.: Wenn Ihnen die “Erbaulichen Unterredungen” gefallen, freue ich mich, wenn Sie sie weiterempfehlen und meine Arbeit mit einer Mitgliedschaft unterstützen. Wenn Sie sich furchbar über sie aufregen, freue ich mich erst recht, wenn Sie sie weiterempfehlen und meine Arbeit mit einer Mitgliedschaft unterstützen.