Mein Gott, sind diese Häuser hässlich!
Von Hasnain Kazim - Japan und Digitalisierung / Brutaler Brutalismus / Kritik an Islam und Kritik an Kritik / Semikola!
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Woche stand Nordrhein-Westfalen auf meinem Plan. Ich war zu Gast in Solingen und in Münster. Münster habe ich als fahrradfreundliche Studentenstadt abgespeichert, und die Stadt ist, obwohl am Ende des Zweiten Weltkriegs in weiten Teilen zerstört, sehr schön. Man hat sie nach altem Vorbild wieder aufgebaut, anstatt hässliche Betonblöcke im Stil der Fünfzigerjahre hinzustellen.
Und Solingen ist eine Stadt, die sich mir politisch ins Hirn eingebrannt hat - einmal wegen des Brandanschlags auf die Familie Genç am 29. Mai 1993, verübt von Rechtsextremisten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), und einmal wegen des Terroranschlags vom 23. August 2024 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), als ein islamistischer Terrorist drei Menschen ermordete und acht weitere verletzte. Beide Taten werden auf ewig mit Solingen verbunden sein. Gleichzeitig bemüht diese Stadt sich um Vielfalt und Weltoffenheit, und es ist beeindruckend, wie Menschen sich trotz allem - oder vielleicht auch: wegen allem - engagieren.
Japan und die Digitalisierung
Dieses Jahr geht für mich ein Traum in Erfüllung: Ich reise nach Japan. Beruflich, sowohl als Marineoffizier als auch danach als Journalist, bin ich viel rumgekommen in der Welt. Japan war noch nie dabei. Für mich war das schon in meiner Kindheit ein Sehnsuchtsort, japanische Produkte galten immer als begehrenswert, Sony, Nikon, Toyota, Zeichentrickfilme wie “Captain Future” oder “Heidi”. Und ich liebe die japanische Küche.
Seither trage ich ein Bild von Japan in mir, das geprägt ist von Haruki Murakami und Doris Dörrie, von Büchern und Filmen und Erzählungen; es ist ein Bild aus zweiter Hand. Inwieweit es mit der Realität übereinstimmt, werde ich demnächst also erfahren. Wie geil ist das denn?!
Ein wenig wurde dieses Bild jetzt allerdings erschüttert durch meine Erfahrung beim Kauf eines Tickets für die Expo 2025 in Osaka. Üblicherweise verstehe ich unter dem Kauf einer Eintrittskarte: Ich gebe jemandem Geld, und dieser jemand gibt mir dafür ein Ticket.
Nicht so bei der Expo 2025.
Hier kauft man erst einmal ein Ticket, online, entweder direkt auf der Seite der Expo oder bei einem Fremdanbieter. Dann registriert man sich auf der Exposeite und öffnet dort einen Account, man generiert daraufhin eine “ExpoID”. Da bin ich anfangs schon gescheitert, weil es hieß, ich würde bei meinem Benutzernamen leider keine “half-width alphanumeric characters (uppercase)” nutzen. Bis ich herausgefunden hatte, dass damit Großbuchstaben gemeint sind, war ich schon fertig mit den Nerven.
Außerdem generiert man mit dem gekauften Ticket eine zehnstellige “TicketID”, die man dann auf der Seite der Expo, für die man vorher den “ExpoID”-Prozess abgeschlossen und die ID erhalten haben muss, die Tickets registriert. Natürlich braucht man ein Passwort, das ziemlich komplizierte Anforderungen erfüllen muss, außerdem bei jedem Anmelden ein “ExpoID’s One-time Password”, also ein einmaliges Passwort, das einem jedes Mal per E-Mail zugeschickt wird.
Dann erst erhält man den QR-Code, der die eigentliche Zutrittsberechtigung ist.
Man kann sich anschließend für eine Lotterie anmelden, um Zutritt zu bestimmten Pavillons und Events zu gewinnn. Welche genau das sind und wie das funktioniert, habe ich noch nicht herausgefunden, denn die anderen Schritte bis zum QR-Code waren schon so unverständlich, kompliziert, mit diversen Umwegen verbunden und bisweilen zu “Forbidden 403”-Meldungen führend, dass ich gerade keine Lust mehr habe, das jetzt weiter zu versuchen.
Ich hoffe, andere Dinge in Japan sind nicht so kompliziert. Ein Ticket für die Expo 2025 zu kaufen, ist eine Höllenmischung aus Digitalisierung und Bürokratisierung. Und ein gutes Beispiel dafür, warum es mich immer gruselt, wenn Politiker “mehr Digitalisierung” fordern.
Was Japan angeht, bin ich immer noch zuversichtlich, dass alles andere besser wird. Keine weitere sinnlose Digitalisierung, keine weitere schwachsinnige Bürokratie. Die Tickets mit den QR-Codes habe ich ausgedruckt, in der Hoffnung, dass ich hier nichts mehr online erledigen muss.
Rückwirkend: Strafe!
Ich bin kein Jurist, aber ich habe verstanden, dass man nur für etwas bestraft werden kann, für das zum Zeitpunkt der Tatbegehung auch per Gesetz eine Strafe vorgesehen war. Rückwirkend kann also, wenn ich es richtig verstehe, kein Gesetz beschlossen und auf dieser Basis jemand bestraft werden. Bildungsbürger sagen: “Nulla poena sine lege”, also “Keine Strafe ohne Gesetz”.
Prinzipiell ein guter Grundsatz, finde ich.
Diese Woche war ich kurz in Köln, und ich habe dort etwas gesehen, das mich an diesem Grundsatz zweifeln lässt. Wer mein Buch “Deutschlandtour” gelesen hat, weiß, was jetzt kommt; damals hatte ich den gleichen Gedanken in Meschede, jetzt, wie gesagt, in Köln, nämlich als ich diese beide Gebäude erblickte:


Das sind sagenhaft hässliche Betonklötze, man nennt diesen Stil Brutalismus, und ich bin der Auffassung, man sollte Architekten, Städteplaner und Politiker, die so etwas zu verantworten, man möchte sagen: verbrochen haben, persönlich haften lassen, auch Jahrzehnte später noch. Zumindest sollten sie die Kosten für den Abriss tragen müssen. Wenn ich solche Gebäude sehe, frage ich mich: What was wrong with you?
Irrsinn, nur Irrsinn
Diese Woche erschien in der “Süddeutschen Zeitung” ein Artikel, der mich umtreibt (Sie finden ihn hier). (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Ein Lehrer der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin, die viele Kinder aus muslimischen Familien besuchen, erzählte seinen Schülern nach langem Abwägen und Zögern, dass er schwul und mit einem Mann verheiratet ist. Er wurde daraufhin von seinen Schülern gemobbt und fertiggemacht - und dann auch noch von seiner Schulleitung im Stich gelassen. Es ist eine Schule, an der es, wie es in dem Text heißt, “von streng muslimischen Eltern schon Beschwerden” gebe, “wenn Lehrerinnen zu kurze Röcke tragen”. Am Ende hat der Mann die Schule verlassen und ist fertig mit den Nerven.
Diese Woche habe ich selbst muslimischen Hass auf Juden und Israel und alles, was sie als “unislamisch” empfinden, gelesen und gehört. Diese Woche wurde ein junges Paar, das für die israelische Botschaft in Washington arbeitete, dort von einem Typen erschossen, der anschließend, bei seiner Festnahme, mehrmals “Free Palestine!” schrie. Sarah Lynn Milgrim und Yaron Lischinsky wurden ermordet, weil sie für Israel arbeiteten. Der Mord wurde im Netz von vielen, auch von Leuten, die ich persönlich bis dahin für einigermaßen bei Verstand gehalten hatte, relativiert, verharmlost oder sogar gefeiert.
An der Humboldt-Universität in Berlin, schon häufiger aufgefallen durch “pro-palästinensische” Demonstranten und durchaus auch durch Studenten mit ausgeprägter Terroristenverehrung, hing plötzlich ein Plakat mit dem Porträt des ermordeten Lischinsky, darüber das rote Dreieck, mit dem die Hamas-Terroristen ihre Feinde markieren, und der Spruch: “MAKE ZIONISTS AFRAID”. Ich wünschte mir, man würde den oder die Verantwortlichen für dieses Plakat ausfindig machen und juristisch zur Rechenschaft ziehen.
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Ich traf diese Woche in Nordrhein-Westfalen Schüler, die sagten, sie “hassen alles Deutsche”, sie hätten “keine deutschen Freunde” und wollten das auch nicht, “die gehören nicht zu uns”, “die sind eklig und essen Schweinefleisch”. Sie sagten es mir, als wir unter uns waren, weil sie glaubten, ich sei einer von ihnen, ein “Bruder”, der genauso denke wie sie. Aus vielen Begegnungen weiß ich, dass solch eine Einstellung keine Seltenheit ist in bestimmten Kreisen. Diesen Schülern mag man es vielleicht noch nachsehen, sie sind jung, sie sind unwissend, allerdings brauchen sie Erziehung und Bildung, dringend sogar; aber irgendwo kommt das ja her, und da richtet sich dann, ganz massiv, die Kritik an ihr Elternhaus und an ihr Milieu. Und das hat diese Kritik ganz bitter nötig, da muss sich etwas ändern.
Die “Welt” veröffentlicht diese Woche einen Artikel mit der Überschrift: “Dobrindt sieht nur bestimmte Muslime als ‘Teil Deutschlands’ - Lob aus der AfD”. Und prompt teilten das manche Kreise, auch in meinem Umfeld, und warfen Dobrindt “Nähe zur AfD” vor.
Dobrindt hat aber recht, und zwar völlig unabhängig davon, was die “AfD” davon hält. Man mag Dobrindt inhaltlich kritisieren, es anders sehen, ihm widersprechen, aber was nun wirklich kein Argument gegen ihn ist, ist: “Lob aus der AfD”! Als jemand, der muslimische Wurzeln hat und der viele, sehr viele liberale, weltoffene Muslime kennt, die allesamt unter solchen islamischen Konservativen und Radikalen leiden, bin ich froh, wenn ein deutscher Innenminister das so an- und ausspricht.
Übrigens erzählte mir ein Freund, der den Artikel der “Süddeutschen” über den schwulen Lehrer an einen politisch linken Kreis von Leuten geschickt hatte, diese hätten ihm vorgeworfen, er würde “das Narrativ der Rechten bedienen”.
Uff.
So kriegen wir Islamismus nie eingedämmt! Wir müssen das ansprechen, kritisieren, juristisch und politisch bekämpfen, ohne zu pauschalisieren; das ist überhaupt wichtig: Differenzierung! Selbstverständlich gibt es “Paschas”, gibt es diese feindselige Haltung gegenüber “den Deutschen”, gibt es irrsinnig homophobe Ansichten, gibt es antisemitische Umtriebe. Das alles muss man ansprechen, ohne alle in einen Topf zu werfen, denn nicht wenige Muslime leiden selbst unter diesen Idioten. Aber wenn man jede Kritik als “Narrativ der Rechten” abstempelt und mit “Lob von der AfD!” in eine Ecke stellt, fällt man vielen Muslimen in den Rücken und stärkt die Extremisten.
Rettet das Semikolon!
Diese Woche las ich in unterschiedlichen Publikationen, dass das Semikolon ausstirbt; das finde ich sehr schade. Eine Umfrage unter Studenten hatte nämlich ergeben, dass zwei Drittel dieses - sehr sinnvolle! - Satzzeichen nie nutzen. Wenn ich schon im Großen nichts bewirken kann, dann doch wenigstens im Kleinen: Bei mir wird das Semikolon einen sicheren Hafen, eine neue Heimat, einen Ort des Schutzes finden!
So!
Ich sehe mich als einen Menschen der Mitte; das Semokolon ist ein mittleres Satzzeichen - da passen wir doch gut zueinander. Das Semikolon trennt stärker als ein Komma, aber schwächer als ein Punkt. Es trennt gleichrangige Hauptsätze, die aber nicht durch eine Konjunktion verbunden sind. “Er wollte dummes Zeug reden; niemand hielt ihn davon ab.”
Man kann dieses Satzzeichen aber auch verwenden, um in langen Sätzen Übersichtlichkeit zu schaffen. Übersichtlichkeit tut Texten immer gut. Der korrekte Plural von Semikolon lautet übrigens Semikola. Eingedeutscht und umgangssprachlich geht aber auch Semikolons.
Übrigens: In der US-amerikanischen Literatur die das Semikolon beliebter als im Deutschen. Und in manchen Programmiersprachen, wie zum Beispiel C und Java, markiert das Semikolon das Ende einer Anweisung.
Lang lebe das Semikolon! Und zwar nicht nur im Zwinkersmiley! ;-)
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche mit anregender Lektüre, guten Gesprächen und viel Sonnenschein!
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Herzliche Grüße aus Wien,
Ihr Hasnain Kazim