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Apropos Klimaklage: die politische Ökonomie sozialer Bewegung

(source: https://www.thebalancemoney.com/what-is-opportunity-cost-357200 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))


Liebe Leute,


heute nur ein paar kurze Gedanken zur nächsten Klimaklage, die diesmal auch von Luisa Neubauer, ihreszeichens unangefochtene Chefin und höchstöffentliche Representantin von Fridays for Future, beim Verfassungsgericht eingereicht hat, eine Klage, die auf einer… fragwürdigen theory of change (aka Strategie) basiert: nämlich, dass die Judikative des Landes eine klimaschutzunwillige und -unfähige Regierung und Legislative, deren Position auf dem in Wahlen immer wieder artikulierten Klimaschutzunwillen der Bevölkerung ruht und diese im Sinne der repräsentativen Demokratie artikuliert, dazu zwingen kann, eine grundlegende Selbsttransformation in Richtung Klimaneutralität durchzuführen. Wer das glaubt, versteht weder von Politik, noch von der Juristerei etwas – letztere agiert nicht im luftleeren Raum, und gesellschaftliche Stimmungen beeinflussen natürlich die Rechtsprechung.

However, wenn ich – wie damals auch beim Hungerstreik – an dieser Stelle kritisch anmerke, dass es vielleicht bessere Verwendungen für die begrenzten Ressourcen der Klimabewegung gäbe (z.B. sich strategisch auf immer mehr Klimakatastrophen und deshalb immer mehr Klimaverdrängung einstellen), kriege ich als Antwort immer wieder zu hören: "Aber ist doch kein Problem, wenn das nicht funktioniert, wir müssen alle Wege ausprobieren, es gibt keine schlechten Ideen!"

Schlechte Ideen haben hohe Opportunitätskosten

Aber: stellt Euch "Aktivismus" als kurz ökonomischen Prozess vor: ein Akteur mit wenig Ressourcen (eine soziale Bewegung) versucht, sehr viel zu erreichen (Klimaschutz in einer fossilen Gesellschaft). Begrenzte Ressourcen (Geld, Zeit, Arbeitskraft, gesellschaftlicher Einfluss) sind eines der defining features von Bewegungen, so unterscheidet sie die Literatur z.B. von Lobbies, etc. Außerdem haben wir das Zeitproblem beim Klima: wir müssen *schnell* Erfolge erzielen...

Für dieses Gedankenexperiment können wir uns strategische Setzungen von Bewegungsakteuren wie "Investitionen" vorstellen: wir investieren aus unseren begrenzten Ressourcen A Zeit, B Arbeitskraft, und C Geld, um Outcome X bis zu Zeitpunkt Y zu erreichen.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nicht jede Investition durchgeführt werden kann. Ich kann meine finanziellen Ressourcen (C) nicht in Projekt 2 investieren, wenn sie schon in Projekt 1 gebunden sind. Aktivismus ist keine Magie, er hat Opportunitätskosten: wenn ich A mache, mache ich B nicht.

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Macht und Ohnmacht des Aktivismus

Leider ist es in der Klimabewegung zu oft so, dass, wenn jemand (oft ich, gebe ich zu) eine Strategie oder Taktik kritisiert, nicht in die Debatte eingestiegen wird (ist Strategie Alpha besser, als Strategie Beta?), sondern diese vermieden wird. Die Antwort ist dann allzu oft (in so einer Art bewegungspolitischem Marktmaoismus): “aber Tadzio, ist doch ok, lass doch alle machen, worauf sie Bock haben, lass tausend Blumen blühen.” Leider kann man Aktivismus nur so sehen, wenn man ihn selbst nicht wirklich ernst nimmt. Wenn man die Tatsache ignoriert, dass wir als *Klimagerechtigkeitsbewegung*, auch als klassische Klimabewegung, eine Verantwortung haben: dafür zu sorgen, dass es weniger Klimaungerechtigkeit (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) gibt.

Klimaaktivismus darf nicht primär davon handeln sich einfach nur für sich selbst besser zu fühlen. Es muss darum gehen, die Welt weniger klimaungerecht, dafür solidarischer und liebevoller zu machen. Dafür muss er seine Strategien und Taktiken hinterfragen, genau, wie man das bei allen Investitionen tun muss. Aber zu oft erscheint es mir so, dass im moderaten Klimafeld vor allem eins zählt: Der Wunsch, etwas getan zu haben, irgendwas, um sich selbst von der Verantwortung für die Scheiße, die jetzt schon da ist und immer härter auf uns runterpladdern wird, reinzuwaschen. Der Hungerstreik funktionierte so, und eine weitere Klimaklage, die nix bringen kann, weil eine fundamentale gesellschaftliche Transformation nicht gegen den Willen des Demos, der Exekutive und der Legislative von der Judikative durchgesetzt werden kann. Aber am Ende geht's dem moderaten Klimafeld zu selten um Effekte, und zu oft um den Wunsch, zu den Guten zu gehören.

Und wenn man das als Metrik anlegt, dann macht auch die xte Klimaklage Sinn, der hundertachtunddrölfzigste "Klimastreik", der so sehr Streik ist, wie die Union christlich, sogar der Hungerstreik: als performative Handreinwaschungspraxis: seht her, wir taten, was wir konnten.

Das ist der Kernimpetus der Verdrängungsgesellschaft, und damit komm ich bald zum Ende: ich hatte lange gedacht, dass die aus dem Bürgertum, aus der "Mitte der Gesellschaft" stammenden "Klimas" (nicht die alten, linksradikalen Klimas a la EG oder Hambis, sondern FFF, XR & LG) sich in der Einsicht in die Unfähigkeit *ihrer* Mitte, das Klima zu schützen, in den politischen Bruch getrieben würden, aber sie können wohl nicht aus der Falle des Appellativen hinaus: irgendjemand müssen sie immer fragen, das Problem zu lösen.

Aber das entmächtigt nur.

Ich meine, einen Weg zur kollektiven Selbstermächtigung für die Klimabewegung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) aufgezeigt zu haben: den durch die Kollapsakzeptanz zum Klimakampf 2.0, zum Kampf für Klimagerechtigkeit in der Katastrophe. Es gibt sicherlich auch andere Wege zurück zur Selbstermächtigung im Klimakampf. Aber keiner von ihnen kommt ohne die emotionale Arbeit der Akzeptanz des Scheiterns des Klimaschutz als politischem Projekt aus.

Mit ökonomistischen Grüßen,


Euer Tadzio

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