Thalaris Almanach - Buch 1: Initiierung
Teil 4 - Einleitung
Ich hatte alles gedacht. Nur nicht das die Kapsel, in der ich lag, bequem war. Der Anzug mit den Anschlüssen an der Hüfte war geschmeidig und rieb an keiner Stelle. Raumfahrtmaterial hatte es in sich.
Nach meinem Gespräch mit Hiroki waren wir zu den anderen ins Labor gegangen. Sean, wie üblich, mit einem Witz auf den Lippen, Wilma, Anne und Tamara. Nach einem Kaffee und der Diskussion zu den letzten Details ging es daran, Drähte zu ziehen. Ich hatte darauf bestanden, dass wir einmal losen, um mein ungutes Gefühl gegenüber Tamara loszuwerden. Sean hielt eine Faust voll nach oben. Alle zogen und wie ich erwartet hatte, war ich der Verlierer. Oder Gewinner, wie man es sah.
Ich war neugierig und ängstlich zugleich. Nur nicht weiter überrascht, dass es trotzdem mich traf. Mir war klar, dass alle zusammen gemogelt hatten. Die Mischung aus Emotionen raste durch meinen Körper und verursachte Übelkeit. Sean, der einige Prüfprotokolle kontrollierte, schaute zu mir.
„Hey Rupi, alles klar?“, rief er mir zu.
Ich nickte krampfhaft und rang mir ein „Ja, warum?“ ab.
„Weil du so schaust, als hätte dir deine letzte nächtliche Bekanntschaft eröffnet, dass sie deine Tante wäre.“ Er lachte am meisten über den Witz, während die anderen die Augen verdrehten.
Sean war okay. Ein verrückter Proll, aber wenigstens einer, der andere respektierte. Sah man von seinen schlechten Witzen ab.
Die letzten Check-ups liefen, also nutzte ich die Zeit, mir noch einmal alles anzusehen. Um sicherzugehen, dass ich nichts übersehen hatte.
War das VR-Modul von außen silbrig-grau wie einer dieser vernetzten Kühlschränke, so hielt sich das Innere in einem spärlichen weiß-blau. Leuchtdioden strahlten das Herz der Kapsel an. Eine Kombination aus Liege und Bürostuhl, fixiert auf einem Sockel. Der Stuhl konnte gekippt werden, über mir hing der VR-Helm. Am Stuhl selbst, dort wo die Anschlüsse in meinem Anzug waren, befanden sich zwei Zugänge, die sich mit mir verbinden würden.
Zuletzt betrachtete ich den Sockel mit den Schläuchen. Jene, die gleich das bioaktive Gel in meinen Anzug pumpen würden. Wie es bei den Astronauten der NEASA geschah. Wir hatten das Material lediglich modifiziert. Tamara trat heran.
„Geht es dir gut?“
Ich nickte.
„Geht schon“, erwiderte ich dann.
Sie musterte mich. Tamara kannte meine Probleme mit Druck und Stress.
„Du packst das. Wir sind hier und überwachen alles. Und denk dran, wenn das geschafft ist, gehen wir an den Markt. Dann sind wir endgültig die Global Player“, raunte sie mir augenzwinkernd zu.
„Als ob das mein Plan war“, gab ich grinsend zurück.
Tamara boxte mir gegen die Schulter und ging zu ihrem Platz. Sie nahm meinen „Sieg“ gelassen. Als Chefentwickler der sozialen Interaktionskomponenten von ARTOS hätte sie den Testlauf gern selbst gemacht. Wirtschaftliche Interessen gehörten kaum zu ihr, sie war Wissenschaftlerin durch und durch.
„ARTOS, bereit für die Einleitung“, hörte ich Wilma rufen.
Hiroki stand hinter ihr und sah mich ernst an. Er deutete nach oben und sah mir fest in die Augen. Bevor ich reagieren konnte, ertönte ARTOS über uns.
„Die Einleitung kann beginnen. Bitte tretet von der Kapsel weg.“
Seine Stimme hörte sich seltsam an. Mechanisch. Ein Bug, der hoffentlich keine Auswirkungen hatte. Die anderen waren nicht beunruhigt. Vielleicht hatten sie es nicht gehört. Doch ein Gefühl in meiner Magengrube ließ mich nicht los. Ich beschloss, nichts zu sagen.
„Ich bin bereit. Schreiben wir Geschichte!“, gab ich stattdessen zu verstehen.
Die Klappe schloss sich und ich war allein in der Maschine. Etwas zischte, dann schloss sich der Sitz an meinen Anzug an. Außerdem formte er die Kontur meines Körpers nach, was mich angenehm weich liegen ließ. Dennoch hatte ich Angst. Ich konnte soviel über diese Technik gelesen haben, konnte jedes Detail wissen. Ja, ich war sogar an der Anpassung an unser System beteiligt. Mir ging die Muffe. In meinem Magen rumorte es. Das übliche Stressproblem machte sich bemerkbar. Etwas, was ich zwingend verhindern musste. Zumindest bis das Gel eingeleitet war.