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WeinLetter #73: Mein Weingut des Jahres 2023: Zehnthof Luckert aus Franken

Liebe Wein-Freund:in,

Du liest den WeinLetter #73. Heute gibt's: Mein Weingut des Jahres. Und das heißt: Weingut Zehnthof Luckert aus Sulzfeld am Main, Franken. Gegen Ende eines Jahres ziehe ich immer meine persönliche Bilanz. Was hat mich in der Weinszene beeindruckt? Wo bin ich hängen geblieben? Was hat mich zum Nachdenken gebracht? 2022 habe ich meinen Wein des Jahres gekürt: Es war der Spätburgunder „Henkenberg“ von Peter Wagner (Opens in a new window), der mir erstmals offenbart hat, was Umami ist. Dieses Jahr haben mich Silvaner und Chardonnay mehr umgetrieben als – zum Beispiel Riesling. Steht das für etwas? Das Weingut Zehnthof Luckert hat eine erstaunliche Silvaner-Kollektion. Ich habe es besucht und lange mit Philipp Luckert gesprochen. Denn er erklärt, warum sie beim Silvaner auf ein ganz anderes Geschmacksbild setzen. Es hat mit dem Milchsäure-Trick zu tun. +++ Viel Spaß beim Lesen! Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (Opens in a new window) Aber vor allem: 

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

PS: Ihr könnt eine WeinLetter-Mitgliedschaft auch zu Weihnachten verschenken! So teilt ihr eure Leidenschaft mit den Menschen, die euch nahestehen. Es ist ein Geschenk, das ein Jahr lang Freude bereitet:

1.  Wer wissen will, wie das mit dem WeinLetter-Geschenk funktioniert, kann alle Infos nachlesen: WeinLetter #71: Ich schenke dir 2 Wein-Tipps! Verschenke Du den WeinLetter! (Opens in a new window)

2.  Wer gleich bestellen will, pusht den Button:

Philipp Luckert steht hinter einem Trsen, auf dem sechs Weinflaschen stehen

“2023 wird sensationell gut”: Philipp Luckert steht vor der Silvaner-Kollektion 2022 unserer Weinprobe im Weingut Zehnthof Luckert. Und die ist schon sensationell gut FOTO: THILO KNOTT

Die Milchsäure macht’s

von Thilo Knott

2022 kam die Erlösung. Am Ende dieser Weinprobe haben wir sechs Silvaner des aktuellen Jahrgangs probiert. Ortsweine, Erste Lagen, Großes Gewächs. Philipp Luckert sitzt in der Probierstube des Zehnthofs im fränkischen Sulzfeld. Und erzählt von den Jahrgängen davor. 2020? Später Frost. 90 Prozent der Ernte – kaputt. 2021? Extreme Feuchtigkeit, extremer Mehltau-Druck. 70 Prozent der Ernte – kaputt. „Das waren echte Herausforderungen“, sagt Philipp Luckert. 2022 sei dann „unspektakulär gut“ gewesen. Endlich. Nach zwei Fast-Totalausfällen. Und 2023? Da strahlt er: „Wird sensationell gut.“

So ist das, wenn man als Winzer mit der Natur arbeitet. Das eine Jahr: Zum Vergessen. Das andere Jahr: Zum Jubilieren. Es erfordert Geduld. Und ein Handwerk, das sich permanent erneuert, weil sich die Welt da draußen ändert. Man kann’s Klimawandel nennen. Es geht aber auch immer mehr um die Verarbeitung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Alltagsarbeit. Im Idealfall entsteht ein Handwerk, das auch mal gegen die gängigen Geschmacksbilder arbeitet. Und Rebsorten weiterentwickelt, die einen besonderen Charakter haben, und nicht mit Ries… beginnen und auf …ling enden.

Rebstöcke von Silvaner wachsen auf dem Weinberg in Franken

10 von 19 Hektar sind Silvaner: Die Rebstöcke wächsen rund um Sulzfeld in Franken FOTO: ANDREAS DURST

Das Weingut Zehnthof Luckert ist quasi mein Jahresbegleiter. Die Ortsweine „Sulzfelder“ und den sehr guten „Sulzfelder Alte Reben“ zur Brotzeit, das Erste Gewächs Gelbkalk zum Fisch, das Große Gewächs „Maustal“ solo. (Berlin-Info: Alle habe ich sie in der Kreuzberger Weinhandlung Suff bekommen)

Ich habe nämlich festgestellt, dass ich mich an Rieslingen ein bisschen sattgetrunken habe. Wobei der Begriff „satt“ quasi das genau falsche Bild ist: Ich nehme mehr und mehr Abstand von diesem extrem reduzierten, mineralisch-säurbetonten Zitronen-Geschmacksbild. 2023 hatte ich die besten Erlebnisse im deutschen Weißweinbereich deshalb mit: Chardonnay – und eben Silvaner. Und Silvaner, das machen sie in Franken auf einem exzellenten Niveau – die Luckerts im Speziellen. Deshalb ist es das WeinLetter-Weingut des Jahres.

Das Weingut im fränkischen Sulzfeld bewirtschaftet 19 Hektar. 60 Prozent sind Silvaner. Seit 2007 verwenden sie Schraubverschlüsse, 2008 haben sie angefangen auf Bio umzustellen, seit 2013 sind sie Bio-zertifiziert. Die Brüder Ulrich und Wolfgang Luckert betreiben das Weingut, in das mittlerweile Philipp, Wolfgangs Sohn, eingestiegen ist. Philipp Luckert hat seine Winzerausbildung bei Paul Fürst gemacht und danach in Geisenheim studiert. Sie bieten eine hochwertige Kollektion an Silvanern. In der Weinprobe mit Philipp Luckert haben ich und meine Eltern diese sechs Silvaner probiert:

Drei Ortsweine, drei Lagenweine: Die Aufstellung zur Weinprobe im Weingut Zehnthof Luckert FOTO: THILO KNOTT

Silvaner, Sulzfelder, Ortswein, trocken, 12 % vol, 13 Euro ab Hof.

Roter Silvaner, Sulzfelder, Ortswein, trocken, 12 % vol, 15 Euro ab Hof.

Blauer Silvaner, Sulzfelder, Ortswein, trocken, 12 % vol, 15 Euro ab Hof.

Silvaner Sonnenberg Gelbkalk, Erste Lage, trocken, 13 % vol., 24 Euro ab Hof.

Silvaner Berg, Erste Lage, trocken, 13 % vol., 24 Euro ab Hof.

Silvaner Maustal, Großes Gewächs, trocken, 13,5 % vol., 55 Euro ab Hof.

Wir blieben ausschließlich bei den Trockenen, edelsüß oder Silvaner-Cuvées haben wir ausgelassen. Die Kollektion zeigt die ganze Bandbreite des Silvaners. Allein, dass sie die eigenständigen Roten und Blauen Silvaner anbauen ist ein Genuss: Beim Roten schmeckt man die „Mutter“ Gewürztraminer raus, er ist phenoloiger, getragen von Blüten; der Blaue hat eine zupackende Mineralität, ist würziger, grasiger. Das sind Details. Aber es zeigt sich schon im Basisbereich eine großartige Differenzierung.

Die Qualitätsstufen über die Ersten Lagen – saftiger „Gelbkalk“, muschelkalkiger „Berg“ – bis zum Großen Gewächs „Maustal“ spiegeln sich im Trinkgenuss wider. Der „Maustal“ zum Abschluss ist wirklich ein Silvaner-King. Die Lage ist Süd-Südost, die Rebstöcke wurden 1962 gepflanzt. Das ist ätherischer als alles andere und bringt eine komplexe Struktur mit sich, die schon im 2022er Jahrgang schmeckbar ist. Aber an dem Tag freilich viel zu früh getrunken wurde. Dabei ist der Preissprung zwischen Erster Lage (24 Euro) zum „Maustal“ (55 Euro) schon erheblich, aber durchaus gerechtfertigt. Mit dem „Maustal“ habe ich jetzt ohnehin ein „Problem“ bekommen: Ich halte das Große Gewächs „Hoheleite“ von Paul Weltner aus Rödelsee prinzipiell für den besten Silvaner Deutschlands. Das Große Gewächs „Maustal“ ist jetzt eine echte Herausforderung.

Das Spannende am Weingut Luckert ist aber eine bewusste Entscheidung für ein anderes Geschmacksbild. Man könnte sagen: Das Weingut Zehnthof Luckert steht für eine burgundische Verschiebung beim Silvaner. Wie das?

„Wir bauen den Silvaner wieder sehr traditionell aus“, sagt Philipp Luckert. Wie traditionell? „Zurück in die 60er“, sagt er. Die Silvaner werden allesamt in Holzfässern ausgebaut. Statt im Stahl, was dem Silvaner immer eine „Blechigkeit“ geben kann. Und das ist nicht despektierlich gemeint, aber eine andere Akzentuierung. Sie verwenden nur natürliche, keine Reinzuchthefen. Sie füllen schon im April ab, nicht wie vielerorts im September.

Große Holzfässer voll mit Wein stehen im Weinkeller des Weinguts Zehnthof Luckert

Der Weinkeller des Weinguts Zehnthof Luckert: Ausbau im Holz, Naturhefen, Spontanhefen - und irgendwann prägt die Milchsäure den Silvaner FOTO: ANDREAS DURST

Das Prägende der Luckert-Silvaner ist aber die Milchsäure. Es gibt zwei wesentliche, biologische Prozesse bei der Weinherstellung nach der Lese: Die alkoholische Gärung und der biologische Säureabbau. Den Säureabbau machen sie bei Luckert anders. Sie setzen hier auf eine malolaktische Gärung, die eigentlich eher im Rotwein-Bereich eingesetzt wird. Was heißt malolaktische Gärung?

Die Trauben beinhalten zunächst Weinsäure und Äpfelsäure. In der malolaktischen Gärung bleibt Weinsäure bestehen, Äpfelsäure wandelt sich aber sukzessive in Milchsäure um. Möglich macht das eben die lange Spontanvergärung mit natürlichen Hefen. Viele Winzer:innen unterbrechen diesen Prozess frühzeitig oder wenden ihn erst gar nicht an: Sie wollen frische, „spritzige“ Weine gerade im Weiß-Bereich. Die Milchsäure hingegen macht die Weine sanfter. Sie sind butteriger wie es typisch eher bei Burgundern der Fall ist. Die Milchsäure verleiht den Silvanern Tiefe und Komplexität. Die Silvaner von Luckert sind dem Charakter nach also: burgundisch.

„Frische, Säure, Zitrone: Dieses Geschmacksbild kam Anfang der 2000er auf“, sagt Philipp Luckert. Es war die Phase, als (trockene) deutsche Rieslinge richtig gut wurden. Er glaubt, dass es sich gerade verändert. „Weißweine dürfen auch mal ein paar Gramm mehr Restzucker haben, saftig und cremig schmecken.“ Es ist dabei nicht so, dass sie in Sulzfeld nicht auch Mineralität schätzen. Aber sie sorgen eben für eine spannungsgeladene Balance in beide Geschmacksrichtungen.

Klar, Silvaner wird jetzt nicht dem Riesling den Rang ablaufen. Da macht sich auch Philipp Luckert keine Illusionen: „Es ist eine Nische, es gibt zu wenig Menge in Deutschland.“ Neben Franken baut heutzutage eigentlich nur noch Rheinhessen eine nennenswerte Menge an Silvaner an. Es gibt in den anderen Anbaugebieten noch vereinzelt Winzer:innen, die tolle Silvaner produzieren (etwa Helmut Dolde in Württemberg (Opens in a new window)). Das war‘s. Aber? „Der Silvaner hat einen ganz eigenen Charakter: Nicht so viel Aromapotenzial, aber eine feine Würze und einen schönen Körper: Das geht zu eher fettiger Küche genauso wie zu eleganter Gemüseküche“, sagt Philipp Luckert. Besonders wenn man den Milchsäure-Trick anwendet.

Und nochmal zur Erinnerung: Macht Euren Nächsten eine Freude und beschenkt sie mit dem WeinLetter:

Zehnthof Luckert ist mein Weingut des Jahres 2023. Im Spätherbst besuchte ich den Betrieb mit meinen Eltern FOTO: IRMGARD KNOTT

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