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WeinLetter #3: Winzerinnen

Liebe Wein-Freund:in,

Du liest den dritten WeinLetter, den zweiwöchentlichen Wein-Newsletter +++ Heute geht’s um Winzerinnen. Ausschließlich. Nein, Internationaler Frauentag war am 8. März, schon klar. Da gab's den WeinLetter noch gar nicht. Mir geht's hier aber um nachhaltige, gesellschaftliche Entwicklungen in der Weinwelt. +++ Ich habe deshalb die Winzerinnen Dorothee Zilliken, Nicole Roth, Theresa Breuer und die Vinissima-Vorsitzende Jennifer Henne-Bartz gefragt: Warum sind Sie so erfolgreich? Ihre Erklärungen lest ihr exklusiv im WeinLetter +++ Plus: taz-Chefreporter Peter Unfried testet den Mythos der Pfälzer Winzerin Adriane Moll und wird zum Weltphilosophen +++ Viel Spaß beim Lesen! Empfehlt den WeinLetter sehr gerne weiter. Und vor allem:

Trinkt’s euch schön!

Euer Thilo Knott

WeinLetter weiblich ILLUSTRATION: JULIA RACSKO

"Wein von Frauen ist wohl immer noch etwas Besonderes"

Die Weinwelt ist längst nicht mehr männlich. Immer mehr Frauen gewinnen Preise und werden mit Höchstnoten bewertet. Was sind die Gründe für ihren Erfolg? Dorothee Zilliken, Nicole Roth, Theresa Breuer und Vinissima-Vorsitzende Jennifer Henne-Bart erzählen.

von Thilo Knott

Winzerinnen in Deutschland sind erfolgreich wie nie, holen Höchstpunktzahlen mit ihren Weinkreationen, werden abonniert auf Instagram wie Influencer:innen. „Heute ist es sehr modern geworden, dass Frauen Winzerinnen werden“, sagt Top-Winzerin Dorothee Zilliken. Es gibt ein „Spotlight auf uns Frauen“, sagt ihre Kollegin Theresa Breuer, „Wein von Frauen ist wohl immer noch etwas Neues und Besonderes. Und es ist schön, wenn uns diese Wahrnehmung hilft“. Aber es ist noch nicht lange her, da war die Weinbranche eine männliche Welt. Wie erklären sich die Frauen in der Weinbranche selbst diesen Wandel und Erfolg? Was sind für sie die Bedingungen für den Erfolg – und was machen sie anders als ihre männlichen Kollegen?

Theresa Breuer ist Chefin des Weinguts Georg Breuer in Rüdesheim im Rheingau. Ihr Vater verstarb früh, sie war 20 Jahre alt. Da stieg sie ein. 2019 hat ihr der Gault&Millau erstmals das Prädikat „Weltklasse“ zugeschrieben. Sie spielt mit in dem Dokumentarfilm „weinweiblich“ (2020) über den Alltag von vier Winzerinnen. Sie sagt: „Die Weinbranche spiegelt die Gesellschaft wider.“

Nicole Roth kommt aus Wiesenbronn in Franken. Sie hat in den 90ern eine Winzerlehre gemacht und – weit früherer als Breuer – in Geisenheim nach dem Abitur Weinbau studiert. Sie ist aber erst später ins Familien-Weingut eingestiegen und hat davor auch mal fürs Fernsehen gearbeitet – bei „Alfredissimo“ mit Alfred Biolek. Die alleinerziehende Mutter sagt: „Das Konkurrenzdenken ist bei uns nicht so groß.“

Dorothee Zilliken führt das Weingut Forstmeister Geltz Zilliken in Saarburg. Frauen spielten hier immer eine dominante Rolle. Im Gault&Millau ist der Betrieb wie der von Breuer mit fünf Trauben dekoriert – die Höchstzahl. Bei den Zillikens hätten eher die Männer eingeheiratet, sagt sie.

Jennifer Henne-Bartz, die Winzermeisterin, ist Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Vinissima, dem ausschließlich Frauen angehören. 630 Frauen aus der Weinbranche. Sie sagt: „Frauen haben heute mehr Sichtbarkeit, mehr Aufmerksamkeit, mehr Selbstbewusstsein. Fertig sind wir aber noch nicht.“

Diese vier Frauen haben eine Reihe von Erklärungen für den Wandel im Geschlechterverhältnis. Also: Was sind ihre Erfolgsfaktoren?

"Also haben sie Frauenclubs gegründet": Dorothee Zilliken FOTO: WEINGUT ZILLIKEN

1. Der Aufbau eigener Netzwerke

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Frauen-Netzwerken in der Weinbranche – nicht nur in Deutschland. „Viele Winzerinnen wissen, dass es Männerclubs gibt, also haben sie ihre Frauenclubs gegründet“, sagt Dorothee Zilliken.

Der Verein Vinissima wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Er ist mit 630 Frauen das größte, weibliche Netzwerk in der deutschen Weinbranche. Der Verein bietet Vorträge und Seminare an zu Themen wie „Frauen in Führungspositionen“, „Konflikte konstruktiv lösen“, „Vereinbarkeit Familie und Beruf“, „Zeig‘ deine Persönlichkeit“, aber auch zum Gabelstaplerfahren. Nicole Roth ist Mitglied bei Vinissima. Sie sagt: „Wir sind ein Verein für Gleichgesinnte.“ Es werden nur Frauen zugelassen, wer Mitglied werden will, muss von einer anderen Frau empfohlen werden. „Der Wissensaustausch ist wichtig für die Entwicklung eines Weinguts“, sagt Roth, „und wir können hier völlig offen sprechen“.

In Österreich gibt es zum Beispiel „Elf Frauen und ihre Weine“ mit namhaften Winzerinnen wie Birgit Braunstein, Silvia Heinrich oder Judith Beck. Oder es gibt die „Milch-Gäng“, eine Vereinigung mit fünf Designerinnen und zehn Winzerinnen, die einen Wein machen und die Gewinne aus dem Verkauf einem Verein zur Brustkrebsfrüherkennung spenden.

"Der Teamgedanke spielt eine größere Rolle": Theresa Breuer FOTO: WEINGUT BREUER

Die Winzerinnen pflegen auch persönliche Frauen-Netzwerke. Dorothee Zilliken zum Beispiel ist nicht im Verein Vinissima – und doch gut vernetzt. Sie hat ein bundesweites Netzwerk, in dem sich Frauen bei Blindverkostungen austauschen. Momentan online. Sie ist Teil eines Netzwerk Saar-Mosel mit ausschließlich Frauen. Und ein weiteres Netzwerk besteht aus ehemaligen Absolventinnen der Hochschule Geisenheim. Drei Netzwerke, Zufall? Zilliken sagt: „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, so einen Frauen-Probier-Club zu gründen. Ich habe aber Freundinnen, die gesagt haben: Für sie wäre es schöner, wenn sie mal unter sich bleiben könnten.“

Dorothee Zilliken sagt: „Manche Frauen trauen sich eher, fachliche Fragen zu stellen, wenn keine Männer dabei sind.“ Sie sagt aber auch: Sie selbst habe das Problem nicht. Und Vereinsvorsitzende Jennifer Henne-Bartz sagt: „Es gibt die selbstbewussten Winzerinnen.“ Zum einen. Es gibt aber auch Vinissima-Mitglieder, die seien aber Nebenerwerbs-Winzerinnen oder hätten in einen Weinbetrieb eingeheiratet. „Die trauen sich mehr, wenn sie unter sich sind“, sagt Jennifer Henne-Bartz. „Die Hemmschwelle ist in gemischten Runden offenbar höher.“ Nicole Roth ergänzt: „Das Brustklopfen ist nicht so groß bei uns.“ Und: „Wir können hier völlig offen sprechen – auch über Niederlagen. Und einfach mal zugeben: Das war Scheiße, was ich da gemacht habe – könnt ihr mir helfen.

Für Theresa Breuer macht das Teamplay einen Geschlechterunterschied aus. „Der Teamgedanke spielt für Frauen eine größere Rolle – sie denken weniger in Hierarchien und suchen eher die Harmonie“, sagt sie. Sie spricht ein Thema an, das oft als Vorurteil in der Welt war: Für Frauen wäre der Beruf zu hart. Sie sagt: „Die Körperlichkeit ist schon ein Thema.“ Doch dabei helfen den Winzerinnen zwei Dinge: die Mechanisierung der Produktion – und eben das Teamplay. „Wir fokussieren uns auf ein Team und lassen es zu, dass jeder in seinem Bereich glänzt.“

"Da waren nur zehn Prozent Studentinnen": Nicole Roth FOTO: WEINGUT ROTH

2. Der nachhaltige Wandel des Berufs

Der Fokus auf das Teamplay, alle mit ihren jeweiligen Fähigkeiten glänzen zu lassen, wie es Theresa Breuer benennt, hat auch mit der zunehmenden Komplexität des Berufs zu tun. „Du bist heute Unternehmerin, Biochemikerin und Meteorologin in einem“, sagt Vinissima-Chefin Jennifer Henne-Bartz. „Das macht den Beruf aber auch attraktiv – weil er sich vom körperlichen Landwirtschaftsberuf entfernt.“ Alle Winzerinnen bestätigen aber auch, was Nicole Roth sagt: „Die harte Arbeit im Weinberg: Da machen wir genauso mit wie die Männer.“

Es sind noch zwei weitere Entwicklungen, die den Beruf in der Weinbranche insgesamt attraktiver machen. Wein ist erstens zum In-Getränk geworden. Während der Bierabsatz regelrecht eingebrochen ist, trinken die Deutschen immer mehr Wein. Bezogen auf die gut 83 Millionen Einwohner:innen trinkt jede:r Deutsche 20,7 Liter Wein pro Jahr – ein Plus von 0,6 Litern in 2020. Zweitens: Die Kundschaft verjüngt sich. Oder wie es Theresa Breuer sagt: „Der Weingenuss wird unkomplizierter – er ist nicht mehr nur den Spezialistenkreisen aus Männern über 50 vorbehalten.“

Die gestiegene Attraktivität des Winzer:innen-Berufs spiegelt sich in den Ausbildungszahlen wider. An der Hochschule in Geisenheim gibt es den Bachelor-Studiengang „Weinbau und Önologie“. In den Jahrgängen 2020/21 liegt der Anteil bei 29 Prozent Frauen (25 Prozent vor fünf Jahren). Im BA-Studiengang „Internationale Weinwirtschaft“ haben die Frauen mit 53 Prozent die Männer sogar überholt (44,6 Prozent vor fünf Jahren). Dabei waren die Student:innen-Zahlen mit 110 bzw. 150 Absolvent:innen noch nie so hoch wie im aktuellen Jahrgang. 

„Die Ausbildung ist mit den Jahrzehnten immer professioneller geworden“, sagt Henne-Bartz. „Die Mechanisierung nimmt dem Beruf ein Stück Körperlichkeit“, sagt Henne-Bartz weiter, „und die Themen haben sich erweitert: Nachhaltigkeit aufgrund des Klimawandels und langfristige, betriebswirtschaftliche Strategien stehen heute im Fokus“. Henne-Bartz: „Es ist ein grüner Beruf.“

"Das sind ja sehr intime Themen": Jennifer Henne-Bartz FOTO: VINISSIMA

3. Die veränderten Rollenbilder

Warum so viele Frauen heute Weinbau und Weinwirtschaft studieren, hat auch mit einer anderen gesellschaftlichen Entwicklung zu tun: mit veränderten Rollenbildern. „Mein Vater hat ja nur zwei Töchter“, sagt Dorothee Zilliken und muss lachen. Und wird ernst: „Mein Vater hat mir nie das Gefühl gegeben, das Weingut lieber an einen Jungen zu übergeben – im Gegenteil.“ Es sind die Familienwerte, das ist für alle drei Winzerinnen ein wichtiger Punkt: „Als ich studiert habe 1995, da waren 10 Prozent Studentinnen, das hat auch mit den Elternhäusern zu tun“, sagt Nicole Roth. „Das Elternhaus und die Werte, die vorgelebt werden, sind beim Berufswunsch entscheidend“, sagt auch Theresa Breuer.

Dabei ist die Nachfolgeregelung gerade in Familienbetrieben oft ein Problem, wie die KFW Bank jüngst in ihrem Nachfolge-Monitoring für den Mittelstand ermittelt hat. Viele Firmenbesitzer aus der geburtenstarken Babyboomer-Generation wollten demnächst ihr Unternehmen übergeben, heißt es in der KFW-Studie. Nur an wen? Der Anteil der familieninternen Übergaben nimmt nämlich stetig ab. Von 41 Prozent in 2016 auf 34 Prozent in 2019. 66 Prozent der Betriebe werden also nicht oder durch externe Manager fortgeführt. 

Das geht aber in Weingütern nicht so einfach. „Unsere Familienbetriebe sind oft nicht so groß, dass man sich einen Geschäftsführer von außen holt“, sagt Jennifer Henne-Bartz. „Die Zahlen sind ja sehr intime Themen“, sagt die Vinissima-Vorsitzende. Dass der Sohn, wenn überhaupt vorhanden, der automatische Erbe wird: Dieses Rollenbild entstammt der Vergangenheit. Theresa Breuer sagt: „Es war nie etwas Besonderes, dass ich als Frau das Weingut übernehme.“

Hier kannst Du lesen, was die Mission des WeinLetter ist! (Opens in a new window)

 

Frauen in der Weinbranche: Noch mehr Winzerinnen, die Du kennen solltest!

Ich habe in diversen Facebook-Wein-Gruppen gefragt: Was sind Eure Top-Winzerinnen? Die Antworten reichen für fünf WeinLetter. Hier gibt's eine Auswahl aus Deutschland. 

Lisa Bunn-Strebl: Weingut Lisa Bunn, Nierstein

"Wir führen das Weingut zusammen": Lisa Bunn-Strebl FOTO: WEINGUT LISA BUNN

Sie hat das Familienweingut nach sich selbst umbenannt. Ist das Selbstbewusstsein? Oder gar Eitelkeit? Nein. Das Familienweingut hieß Margarethenhof. Margarethenhof ist im Weinmetier fast so eine Art Nachname Müller im (digitalen) Telefonbuch. Sie aber wollte eher unverwechselbar sein – mit ihren Weinen, mit denen sie 2013 angefangen hat. Das hat sie geschafft. Oder sie beide. Denn das ist Lisa Bunn-Strebl wichtig, schreibt sie dem #WeinLetter: „Bei uns ist es aber so, dass mein Mann Bastian und ich das Weingut zusammen führen.“ Bastian Strebl hat ihr auch den Rat gegeben, den Margarethenhof hinter sich zu lassen. Gut, im Rampenlicht zu stehen, war sie ja gewohnt: Sie war mal Weinkönigin von Rheinhessen.

Bettina Bürklin-von Guradze: Weingut Bürklin-Wolf, Wachenheim

Französisch, Banklehre, Wein: Bettina Bürklin-von Guradze FOTO: BÜRKLIN-WOLF

Als der Vater starb, war Bettina Bürklin-von Guradze 19 Jahre alt. Sie sollte das Weingut erben. Im Testament stand: aber erst mit 30. Sie hat Französisch studiert, eine Banklehre gemacht – und ein einjähriges Praktikum auf Schloss Vollrads. Da hat sie sich für den Weinbau entschieden – und gegen ein BWL-Studium. Ihr erster wichtiger Schritt war: Reduzierung der Anbauflächen und vor allem der Erträge (120 auf 85 Hektar, 1,2 Millionen Liter auf 400.000 Liter). Ihr zweiter Schritt war: Umstellung des Betriebs 2005 auf Biodynamie. Das Weingut Bürklin-Wolf ist heute eines von vier Weingütern in Frauenhand, das vom Gault&Millau mit fünf Weintrauben bedacht wird.

Eva Clüsserath-Wittmann: Weingut Ansgar Clüsserath, Trittenheim

Minimale Intervention: Eva Clüsserath-Wittmann FOTO: WEINGUT ANSGAR CLÜSSERATH

Eva-Clüsserath-Wittmann ist 2001 in das elterliche Weingut eingestiegen. Ein Weingut, das bereits im Jahr 1670 gegründet wurde. Sie steht für eine Winzergenerationen, die früh auf konsequente, ja mehrmalige Ertragsreduzierung setzte und - bei aller Technik, bei allem Handwerk - den Wein Wein sein ließ. Die Weine vergären bei Eva Clüsserath-Wittmann, die mit dem rheinhessischen VDP-Spitzenwinzer Philip Wittmann verheiratet ist, spontan in großen Holzfässern. Bei minimaler Intervention. Also: Geduld und Zeit - das ist die Philosophie in diesem traditionsreichen und modernisierten Haus.

Eva Fricke: Weingut Eva Fricke, Eltville

100 Punkte in der A- und B-Note! Eva Fricke FOTO: MBASSLER

100 Punkte von Robert Parker für den 2019 Lorcher Kapellenberg Riesling Trockenbeerenauslese. 100 Punkte von James Suckling für den Lorcher Krone Riesling. Und 100 Punkte von Suckling für den Lorcher Krone Riesling Trockenbeerenauslese. 3 mal 100! 2019 war das Jahr von Eva Fricke. Einer Bremerin. Aus einer Stadt, die bei Weinen höchstens an die Niederlagen von Werder Bremen denkt. Das ist das Erstaunliche. Sie kam vor gut 20 Jahren ins Rheingau. Und gründete 2006 als Selfmade-Winzerin ihr eigenes Weingut. Stellte es auf ökologische Produktionsweisen um und ist Teil der „Vegan Society“. 100 Parker-Punkte, für eine Winzerin „aus Bremen“: Das hat das Rheingau noch nicht gesehen.

Caroline Diel: Schlossgut Diel, Rümmelsheim

"Nicht nur Stilistin, auch Allrounderin": Caroline Diel FOTO: WEINGUT DIEL

„Wenn man einen dominanten Vater hat, ist es wichtig, dass man selbst weiss, was man will.“ Das sagte Caroline Diel dem Weinmagazin Falstaff anlässlich ihrer Kür zur „Winzerin des Jahres 2020“. Der „dominante Vater“ ist Armin Diel, der das Weingut groß gemacht hat. Der aber offensichtlich auch loslassen konnte: 2006 stieg Caroline – nach vielen Stationen bei namhaften nationalen wie internationalen Weingütern – beim elterlichen Weingut mit ein. 2017 übernahm sie den Betrieb dann komplett. Der Falstaff schrieb über die frisch gekürte „Winzerin des Jahres“ Caroline Diel: „Mit ihren mineralisch fokussierten Rieslingen, aber auch mit finessenreich interpretierten Burgundersorten und mit delikatem Sekt beeindruckt Diel nicht nur als Stilistin, sondern auch als Allrounderin.“

Carolin Spanier-Gillot: Weingut Kühling-Gillot, Bodenheim + Weingut Battenfeld-Spanier, Hohen-Sülzen

"Ich bin am liebsten Gastgeberin": Carolin Spanier-Gillot FOTO: WEINGUT KÜHLING-GILLOT

Carolin Spanier-Gillot und Oliver Spanier sind das Paar mit den meisten Weintrauben in Deutschland. Gemeint sind nicht die Hektar an Rebflächen, sondern im Gault&Millau. Fünf Trauben für das Weingut Battenfeld-Spanier, vier Trauben für das Weingut Kühling-Gillot. Macht neun! Letzteres ist das Familienweingut der Gillots, das Carolin 2002 übernommen hat und 2005 auf Bio-Dynamie umgestiegen. Sie schreibt über sich: „Ich bin Naturmensch, Oenologin, Geschäftsfrau und zweifache Mutter. Von allem am liebsten aber bin ich Gastgeberin.“

Eva Vollmer: Weingut Eva Vollmer, Mainz

"weinweiblich": Eva Vollmer FOTO: JONAS-WERNER HOHENSEE

„‘Keine Zeit‘ darf keine Ausrede sein für etwas Gutes“: Diesen programmatischen Satz sagt Eva Vollmer in dem programmatischen Dokumentarfilm „weinweiblich“, den Regisseur Christoph Koch 2020 veröffentlichte. Vier Winzerinnen (und Stuart Pigott) machen einen Riesling. Die Winzerinnen sind eben Vollmer, Theresa Breuer, Carolin Weiler und Silke Wolf. Der Film begleitet die vier Winzerinnen (und Stuart Pigott) vom Rebschnitt bis zur Verkostung. Er zeigt einen Arbeitsalltag, wie er bisher noch verschlossen war wie ein zu junger Wein. Und er zeigt den Wandel einer Weinbranche, die weiblicher wird.

Stefanie Weegmüller-Scherr: Weingut Weegmüller, Neustadt-Haardt

"Sauvignon Blanc ist austauschbar": Stefanie Weegmüller-Scherr FOTO: WEINGUT WEEGMÜLLER

Es ist ein reines Weißweingut, in elfter Generation. Der Riesling ist die Haupt-Rebsorte. Aber es kommt nicht jeder Weißwein in Frage für Winzerin Stefanie Weegmüller-Scheer, die mit ihrer Schwester Gabriele das Weingut in Neustadt-Haardt mit der berühmten Lage Haardter Herrenletten führt. Glaubt man dem Weinguide Gault&Millau, darf man das Wort (oder gar einen Schluck) „Sauvignon Blanc“ nicht in den Mund nehmen. „Warum soll ich auf jeden Zug aufspringen, der vorbeifährt? Sauvignon Blanc kommt von überall her und ist austauschbar. Die Scheurebe ist das nicht“, sagt sie. Ihre Scheurebe ist ein Klassiker. Sie führt das Weingut jetzt seit mehr als 30 Jahren. Sie steht für alles, was nicht austauschbar ist.

Andrea Wirsching: Weingut Hans Wirsching, Iphofen

"Wein und Familie": Andrea Wirsching FOTO: WEINGUT WIRSCHING

Andrea Wirsching führt eines der größten und erfolgreichsten Weingüter Deutschlands. 85 Hektar, 600.000 Flaschen. Und fast wäre sie nicht Winzerin geworden. Sie ist eigentlich Historikerin. Sie beschreibt oft, wie sie mit ihrem Vater auf dem Julius-Echter-Berg über ihrem Heimatort Iphofen stand. „Da war mir klar, dass ich nicht als Historikerin arbeiten würde. Seitdem kreist meine Arbeit um Wein und Familie“, sagt sie im VDP-Interview. Ihren Stil beschreibt sie als „klassisch-elegant“. „Klassisch“ meint aber nicht „konservativ“. Ja, sie versteht sich als traditionelles „Silvaner-Weingut“, sie wirft aber auch mal die Rebsorte Sauvignon Blanc aus dem Sortiment, macht die Scheurebe weltweit groß oder produziert seit 2016 koscheren Wein für den amerikanischen Markt. So viel Innovation steckt also in der Beschreibung „klassisch-elegant“.

PS: Die Auswahl der Winzerinnen entspringt einer Mischung aus Weinfibel-Einordnungen (Gault&Millau & Co.) und Blitz-Umfragen in diversen Facebook-Wein-Gruppen, in denen ich Mitglied bin. Die Namen symbolisieren eine spannende, gesellschaftliche Entwicklung. Die Liste ist freilich fortsetzbar. Ich arbeite daran!

Hier Ausgabe #2 des WeinLetter: Alles über Tauberschwarz! (Opens in a new window)

Hier Ausgabe #1 des WeinLetter: Alles über Wein in Liter-Flaschen!  (Opens in a new window)

Weingut Adriane Moll, Mythos Cuvée, 2017, 15,90 Euro FOTO: WEINLETTER

Ins Glas geschaut - heute: Peter Unfried trinkt den Mythos von Adriane Moll 

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Prominente ihren Wein der Woche vor. Heute: taz-Chefreporter Peter Unfried über Adriane Molls Mythos. 

von Peter Unfried

Der Wein: Weingut Adriane Moll, Mythos Cuvée, Rheinland-Pfalz, Bio, Erste Lage, 2017, 13 % vol., 15,90 Euro ab Hof.

Der Grund: Ich lernte den Wein von Adriane Moll in einem Restaurant im Spreewald kennen, war begeistert, fuhr wieder hin, um ihn zu trinken und dachte dann: Schlauer wäre es vielleicht, ihn zu bestellen, dann musst Du dafür nicht noch durch den Spreewald paddeln und radeln.

Das Weingut Moll liegt in der Winzergemeinde St. Martin in der Pfalz. Die Familie ist seit dem 17. Jahrhundert in der Branche, Adriane Moll führt den Betrieb auf der Grundannahme, dass Ökoanbau nicht nur besser für die Welt ist, sondern besser für den Wein.

"Zigarre dazu rauchen": Adriane Moll im Weinkeller FOTO: WEINGUT MOLL

Ihre Spätburgunder haben alle etwas, aber diese Cuvée ist trotzdem was Besonderes. „Freestyle“ nennt Moll, was sie da macht, nämlich in den Keller gehen, ihre ganzen Barrique-Fässer anstarren und dann jenseits von bezeichnungsrechtlichen Regeln wild kombinieren, auch die Jahrgänge. Die Basis des 2017ers ist Cabernet, der Rest ist geheim. 

Nun hat WeinLetter-Chef Thilo Knott ja „Sensorik-Schwall“ beim Beschreiben von Weinen verboten, weshalb ich nur faktisch erkläre, dass der Mythos ein faszinierendes Purpurrot ins Glas bringt, ziemlich tanninig daherkommt und sich das Geschmackserlebnis im Lauf eines Abends verändert und immer besser wird. „Man kann Zigarre dazu rauchen“, sagt Moll, „und philosophieren.“

Zweiteres kann ich total bestätigen. Man fühlt sich an einem Mythos-Abend zunehmend als Weltphilosoph.

Peter Unfried, 57, ist Chefreporter der linksalternativen tageszeitung und Chefredakteur des Magazins taz FUTURZWEI. Der Theodor-Wolff-Preisträger ist Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Er trinkt Wein, seit er philosophieren kann. FOTO: ANJA WEBER

Zuletzt in der Rubrik "Ins Glas geschaut": MSL-Chairman Axel Wallrabenstein über den Oberbergener Bassgeige Spätburgunder von DFB-Präsident Fritz Keller! (Opens in a new window)

Und: Geisenheimer Oliver Bach über Riesling Vom Roten Schiefer von Clemens Busch! (Opens in a new window)

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