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WeinLetter #79: PIWI-Wein-Special, Teil 2: Das große A bis Z der PIWI-Rebsorten!

Liebe Wein-Freund:in,

Du liest den WeinLetter #79. Heute gibt’s: Teil 2 des PIWI-Wein-Specials. Denn pilzwiderstandsfähige Rebsorten gelten als Zukunftsversprechen, als Antwort auf den Klimawandel und die veränderten Bedingungen des Weinanbaus. In Teil 1 der WeinLetter-PIWI-Serie ging es um die Frage: Wann kommt das erste Große PIWI-Gewächs? (Opens in a new window)Oder anders gefragt: Müssten VDP-Weingüter nicht die Grenzen der PIWI-Wein-Qualität ausloten? Denn es ist ja immer noch weit verbreitet, dass PIWI-Weine löblich für die Nachhaltigkeit sind, aber liderlich im Geschmack. Ist nicht mehr so. So manchen Cabernet Blanc könntest Du einem Sauvignon Blanc Tasting unterjubeln - und Du würdest es nicht merken und den PIWI-Wein kaufen. Damit auch ihr gewappnet seid, was da an Solaris, Pinotin, Muscaris, Prior, Johanniter, Calardis, Bronner, Souvignier Gris auf euch zukommt: Hier ist das große ABC der PIWI-Rebsorten - mit allen wichtigen Fakten! +++ Viel Spaß beim Lesen! Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! Aber vor allem: 

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

Mosel ist Riesling. Mosel ist Riesling. Mosel ist bald PIWI? Wenn es nach dem Netzwerk Vision Mosel geht: Ja! FOTO: DEUTSCHES WEININSTITUT

Von A wie Anbaufläche der PIWI bis Z wie Zukunftswein PIWI

von Thilo Knott

A wie Anbaufläche.

Der PiWi-Anteil an der bundesweiten Anbaufläche für Wein liegt laut Deutschem Weininstitut bei drei Prozent – und damit bei gut 3.000 Hektar. In Deutschland wird auf 103.391 Hektar Wein angebaut – davon entfallen 70.752 Hektar auf weiße und 32.639 auf rote Rebsorten.

B wie Blattner, Valentin.

Valentin Blattner ist ein Schweizer Winzer und einer der wichtigsten Rebenzüchter weltweit. Der 66-jährige Agrarökonom hat maßgeblichen Anteil am Erfolg bekannter PIWI-Rebsorten wie den Roten Pinotin, Satin Noir und der in Deutschland am verbreitetsten weißen Rebsorte Cabernet Blanc. Viele seiner Züchtungen sind noch unbenannt und tragen die Initialien VB wie VB6-04. Er arbeitet seit Jahrzehnten sehr eng mit der Rebschule Freytag in der Pfalz zusammen. Mit seiner Frau Silvia bewirtschaftet Valentin Blattner das eigene Weingut in Soyhières.

C wie Cabernet Blanc, Cabernet Cortis.

Trauben im Weinberg

Cabernet Blanc ist die wichtigste PIWI-Rebsorte in Deutschland FOTO: WEINGUT MOSBACHER

Cabernet Blanc ist eine Neuzüchtung aus 1991. Die Markteinführung vollzog sich 2010. Die Züchtung Cabernet Blanc (Opens in a new window) von Valentin Blattner, selektiert von Volker Freytag, ist eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Regent.

Cabernet Cortis wurde in Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (WBI) unter der Regie von Norbert Becker gezüchtet. Es ist eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und der PIWI-Rebsorte Solaris.

E wie Erste PIWI-Generation.

Die erste Generation an pilzwiderstandsfähigen Rebsorten weist eine mittlere bis gute Resistenz gegen Echten und Falschen Mehltau aus. Sie ist in der Genetik noch geprägt von Amerikaner-Rebsorten. Typische Exemplare der Ersten PIWI-Generation sind:

  • Rot: Accent, Allegro, Bolero, Regent, Rondo, Roesler.

  • Weiß: Bronner, Johanniter, Orion, Phönix, Saphira, Sirius, Solaris.

Die zweite Generation zeichnet sich durch vermehrte Rückkreuzungen aus und damit einer Erhöhung der Resistenz der PIWI-Sorten – zum Beispiel gegen Oidium, dem Echten Mehltau. Das sind Sorten der zweiten PIWI-Generation:

  • Rot: Cabertin, Laurot, Pinotin, Pinot Nova

  • Weiß: Cabernet Blanc, Donauriesling, Muscaris, Rinot, Souvignier Gris

Die dritte PIWI-Generation macht weiter Fortschritte in der Resistenz gegen Schädlinge, sie fokussiert auf die Rebqualität wie Lockerbeerigkeit oder Dickschaligkeit. Viele Vertreter der Dritten Generation warten noch auf die Namensgebung:

  • Rot: Cal 1-28, Cal 1-36, Divico

  • Weiß: Calardis Blanc, Cal. 6-04, Donauveltliner, Divico, FR 633-2005.

F wie Freytag, Volker.

Volker Freytag ist das in Deutschland, was Valentin Blattner in der Schweiz ist. Ein Pionier der PIWI-Züchtungen. Volker und Marion Freytag betreiben eine Rebschule in Lachen-Speyerdorf in der Pfalz. Die Rebschule hat sich um die PIWI-Züchtungen verdient gemacht. Dabei arbeiten sie seit Jahrzehnten mit dem Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner zusammen. Dessen beste Neuzüchtungen - u.a. Cabernet Blanc oder Satin Noir - wurden in der Freytag-Rebschule selektiert und jahrelang auf weinbauliche Faktoren geprüft.

G wie Galler.

Ansgar und Katja Galler in ihrem Weinberg: Jahrgangstiefe bis 2014 FOTO: WEINGUT GALLER

Das Weingut Galler ist eines, wenn nicht das PIWI-Pionier-Weingut in Deutschland. Sie setzen fast komplett auf PIWI auf ihren 13 Hektar und bauen die wesentlichen PIWI-Rebsorten an. Sauvigniac, Cabernet Blanc oder Johanniter bei Weißweinen, Satin Noir, Cabernet Cortis oder Pinotin im Rotweinsegment. Bei Satin Noir und Cabernet Blanc bieten sie unterschiedliche Qualitätsstufen an und stoßen mit ihren PIWIs auch preislich in ein gehobenes Weinsegment vor und nennen den Top-Satin-Noir dann auch ganz selbstbewusst „Grand Vin“ (39,90 Euro). Vom Grand Vin gibt es immerhin schon eine kleine Vertikale mit den Jahrgängen 2018, 2019, 2020. Die kleine Satin-Noir-Schwester “Kunigunde” (19,90 Euro) gibt es dagegen schon ab dem Jahrgang 2014. Ich erwähne das, weil PIWIs mitunter entgegengehalten wird, dass ja keine Jahrgangstiefe bestünde. Tut es.

H wie historische Rebsorten.

Gelber Orleans: Das ist kein PIWI, sondern eine historische Rebsorte FOTO: MICHAEL A. ELSE

Historische Rebsorten sind nicht zu verwechseln mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten – und doch spielen sie für einige Wein-Experten eine Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels. Der Weinrechtler und Weinhistoriker Michael A. Else hat im WeinLetter #61 über historische Rebsorten wie den Gelben Orleans oder Heunisch (Opens in a new window) geschrieben: „Der Klimawandel wird den Weinbau zunehmend unter Druck setzen. Historische Rebsorten können hier einen Beitrag für eine gesunde Zukunft des Weinbaus leisten. Manche alten Sorten sind widerstandsfähiger, sie haben klimatische Veränderungen über Jahrhunderte überstanden und können mit extremen Bedingungen besser umgehen.“

I wie Internationale Arbeitsgemeinschaft zur Förderung pilzwiderstandsfähiger Rebsorten.

PIWI International ist ein 1999 auf Initiative des Schweizers Pierre Basler gegründeter Verein. Das internationale Informations-Netzwerk tauscht wissenschaftliche und praktische Erkenntnis bei der Züchtung, Anpflanzung und Weinproduktion international aus. Die meisten Mitglieder von PIWI International kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (mehr (Opens in a new window)).

J wie Johanniter.

Johanniter gehört der ersten PIWI-Generation an, sie ist okay resistent gegenüber Echtem und Falschem Mehltau sowie Botrytis (Schlauchpilz). Johanniter ist eine Kreuzung aus Riesling x (Seyve Villard 12-481 x (Ruländer x Gutedel)). Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg beschreibt die Eigenzüchtung so: „Fein bukettierte, rieslingähnliche Weißweine, oft mit Nuancen von Pfirsich. Lebendige Säurestruktur.“

K wie Kreuzung von PIWI.

Um PIWIs zu züchten, werden Wildreben mit hochwertigen europäischen Weinreben (Vitis Vinifera) gekreuzt. Grob kann man sagen: Wildreben besitzen eine natürliche Resistenz gegen die Erreger wie Falscher und Echter Mehltau, die Qualitätsreben liefern den Geschmack. Wirklich grob. Die in Deutschland verbreitetste PiWi-Rotweinsorte Regent ist zum Beispiel eine Kreuzung aus Silvaner, Müller-Thurgau und Chambourcin. Die weiße PiWi-Rebsorte wiederum ist eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Resistenzpartnern. PIWI-Rebsorten selbst können auch wieder in Neuzüchtungen eine Rolle spielen: Muscaris zum Beispiel ist eine Kreuzung aus Gelber Muskateller („Qualitätsrebe“) und der PiWi-Rebsorte Solaris. Solaris wiederum ist eine Kreuzung aus Merzling und dem Resistenzpartner Gm7493. Eine solche neue Rebsorte benötigt 20 Jahre von der Kreuzung bis zur Zulassung. Viele Kreuzungen kommen aus Rebschulen – etwa der Rebschule Freytag in Neustadt a. d. Weinstraße, Pfalz.

M wie Mehltau (Echt und Falsch), Muscaris.

Falscher Mehltau kann ganze Ernten bedrohen und vernichten - zuletzt in Frankreich: PIWI sind dagegen pilzwiderstandsfähig FOTO: GERD GÖTZ/DLR RHEINPFALZ

Es gibt den Echten Mehltau (Oidium) und Falschen Mehltau (Opens in a new window) (Peronospora). Beides sind Schädlinge, die im 19. Jahrhundert mit amerikanischen Wildreben nach Europa eingeführt wurden und sich seitdem verbreitet haben. Echter und Falscher Mehltau können ganze Ernten verzichten wie zum Beispiel 2023 bei Bordeaux-Weinen (Opens in a new window). PIWI sind extrem widerstandsfähig gegen diese Rebkrankheiten, so dass sie kaum Pflanzenschutz benötigen.

Muscaris ist eine Kreuzung aus Solaris und Gelber Muskateller – ebenfalls aus dem Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg. Dieses beschreibt das Geschmacksbild so: „Intensiv bukettierte Weine, geprägt von exotischen Fruchtnuancen wie Mango, Litschi und Zitrus.“

O wie Ökologie der PIWI-Rebsorten.

PIWI-Rebsorten sind unter ökologischen Gesichtspunkten klar im Vorteil zu klassischen Rebsorten:

  1. PIWI reduzieren den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Weinberg auf ein Minimum. Dies gilt für chemisch-synthetische wie für Bio-Pflanzenschutzmittel wie Kupfer.

  2. PIWI reduzieren die CO2-Emission, weil durch die Widerstandsfähigkeit weniger Betriebsmittel und Kraftstoffe wie Diesel verbraucht werden.

  3. Bessere und lockere Böden im Weinberg gedeihen durch die Reduzierung der Traktorüberfahrten.

P wie PIWI, Pinotin und Prior.

Die großbeerige PIWI-Rebsorte Prior FOTO: URSULA BRÜHL/JULIUS-KÜHN-INSTITUT

PIWI ist die Abkürzung für pilzwiderstandsfähig. Gemeint sind pilzwiderstandsfähige Rebsorten.

Pinotin ist eine Kreuzung zwischen Blauem Spätburgunder und einem Resistenzpartner. Der Burgunder-Typ entstand aus der jahrzehntelangen Kooperation des Schweizer Rebenzüchters Valentin Blattner und der Pfälzer Rebschule Freytag.

Prior wurde ebenfalls in Freiburg gezüchtet – und zwar aus Joannès-Seyve 23-416 x Blauer Spätburgunder (als Muttersorte) und Bronner (als Vatersorte) 

R wie Regent, Rote PiWi-Rebsorten in Deutschland.

Regent ist die Rebsorte, die die größte Fläche unter den PIWI vorweist: 1.618 Hektar (2022). Sie verliert aber an Attraktivität. Im Vergleich zu 2021 hat die Fläche um drei Prozent abgenommen, im Vergleich zu 2012 sogar um 21 Prozent. „Diese Entwicklung entspricht dem allgemeinen Markttrend, wonach die meisten Rotweinsorten eine rückläufige Anbaufläche aufweisen“, erklärt das Statistische Bundesamt. Regent ist eine Kreuzung aus Diana (Silvaner x Müller-Thurgau) und Chambourcin. 1967 gezüchtet, erhielt Regent erst 1995 die Zulassung in Deutschland und 1996 europaweit.

Das sind laut Zahlen des Deutschen Weininstituts die Top 5 bei den roten PiWi-Rebsorten in Deutschland nach Hektar Anbaufläche:

  • Regent: 1.618 Hektar

  • Cabernet Cortis: 60 Hektar

  • Pinotin: 36 Hektar

  • Prior: 21 Hektar

  • Cabertin: 19 Hektar

S wie Staatliches Weinbauinstitut Freiburg, Solaris, Souvignier Gris.

Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg (WBI) ist die Forschungsabteilung des Staatsweinguts Freiburg. Es verfolgt in der wissenschaftlichen Begleitung des Weinbaus nach eigenen Angaben drei Ziele: Optimieren der Weinqualität, Steigern der Wirtschaftlichkeit und Verbessern der Nachhaltigkeit. Dezidierter Schwerpunkt ist dabei die Resistenz- und Klonenzüchtung. Die eigenen Erfolg wurden maßgeblich forciert durch den Agrarwissenschaftler Norbert Becker, der zum Beispiel die Rebsorte Souvignier Gris entwickelte. Unbenannte Züchtungen aus dem Weinbauinstitut erkennt man an der Bezeichnung FR wie FR 629-2005 (rot) oder FR-628-2005, FR 631-2005 und FR 633-2005 (weiß). Das WBI hat eine der besten Zusammenstellungen von PIWI-Rebsorten, dem Grad ihrer Resistenz, weinbaulichen Merkmalen und Geschmack veröffentlicht (hier (Opens in a new window)).

Solaris ist eine PIWI-Rebsorte der ersten Generation. Sie ist eine Kreuzung aus Merzling und Gm 6493. Solaris wiederum war Kreuzungspartnerin für PIWI-Rebsorten wie Muscaris (Solaris x Gelber Muskateller)

Souvignier Gris stammt ebenfalls aus Freiburg. Es ist eine Kreuzung aus Sayval Blanc und Zähringer.

V wie Vision Mosel.

Vision Mosel ist das jüngste Netzwerk von 17 Winzer:innen, die sich entlang der deutsch-luxemburgischen-französischen Mosel vernetzt haben (hier (Opens in a new window)). Sie bauen traditionelle Rebsorten an, investieren jetzt aber in robuste Rebsorten wie PIWIS.

W wie Weiße PIWI-Rebsorten.

Es gibt fünf weiße PIWI-Rebsorten, die jeweils auf mehr als 100 Hektar angebaut werden (2022). Hier ist die Rangliste:

  • Cabernet Blanc: 260 Hektar

  • Solaris: 207 Hektar

  • Souvignier Gris: 205 Hektar

  • Johanniter: 141 Hektar

  • Muscaris: 117 Hektar

Anders als im Gesamt-Rebspiegel werden bei PIWI – noch – mehrheitlich Rotwein-Sorten angebaut.

Z wie Zukunftsweine.

Macherin der “Zukunftsweine”: PIWI-Fan Eva Vollmer FOTO: JONAS-WERNER HOHENSEE

Das Netzwerk „Zukunftsweine“ ist das bekannteste, das sich PIWI verschrieben hat (hier (Opens in a new window)). Gegründet durch die Winzerin Eva Vollmer (Opens in a new window)ist der Begriff Zukunftsweine auch eine Antwort auf die Frage, ob PIWI oder pilzwiderstandsfähige Rebsorten vermarktbar sind. Oder ob man diese Neuzüchtungen nicht neu und positiver aufladen muss. Indem man sie Zukunftsweine nennt.

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