Frauen werden sichtbar – Tanz zu Dir Selbst

Natürlichkeit statt Klischees – Weibliche Bewegung neu entdecken
Ägyptischer Tanz hat sich für mich und die Frauen meiner Tanzgruppen zu einer Art Bewegungstherapie entwickelt - wobei es hier weniger um eine klassische Therapie im medizinischen Sinne geht, sondern um persönliche Entwicklung, interkulturelle Bereicherung und unser Frau-Sein.
In unserer Kultur fehlt häufig der Raum für bestimmte Bewegungen oder Ausdrucksformen. Manche Bewegungen, wie die des Beckens oder des Brustkorbs, unterliegen entweder Tabus oder werden durch Instagram und Co. übertrieben sexualisiert. Das führt zu einem Spannungsfeld zwischen kulturellen Hemmungen und einer überzeichneten Sexualisierung, die kaum Raum für natürlichen Ausdruck lässt. Diese Wahrnehmungen beeinflussen, wie Frauen ihren Körper wahrnehmen und können zu Unsicherheiten oder inneren Konflikten führen.
Tanz als Weg zur Selbstakzeptanz und inneren Stärke
Uns fehlen zudem weibliche Vorbilder, die ihre Weiblichkeit in ihren vielen Facetten vorleben. Während ältere Generationen mit Tabus und Zensur aufwuchsen, fehlt es den Jüngeren oft an Orientierung und klaren Grenzen. Solche Einschränkungen und Verunsicherungen speichert unser Körper – sie zeigen sich später in Form von Verspannungen, Haltungsschäden, Stresssymptomen oder Schmerzen.
Hier setzt Tanz zu Dir Selbst an: In einem geschützten Raum können wir diese Blockaden erkennen und lösen. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit unseren Bewegungen und unserem Körper lernen wir, uns selbst besser zu spüren und anzunehmen.
Die sowohl kraftvollen als auch sanft fließenden Bewegungen fördern nicht nur die körperliche Stabilität und Mobilität, sondern stärken auch unser Körperbewusstsein und Selbstvertrauen. Gleichzeitig lernen wir die Stärken von Frauengemeinschaften kennen – jenseits von Konkurrenz und Leistungsdruck.
Das Ergebnis ist ein tieferes Verständnis für uns selbst, unsere Geschichte und unsere Rolle als Frauen – losgelöst von gesellschaftlichen Einschränkungen oder unrealistischen Idealen. Die Tanzeinheiten werden so zu einer Quelle von Stärke, Freude und innerer Freiheit.

Bewegung aus der Mitte
Das Erlernen von Ägyptischem Tanz führt uns sanft und mit Freude an Bewegungen heran, die in unserer Kultur häufig tabuisiert oder ungewohnt sind. Becken- und Brustkorbbewegungen können dabei tiefere Gefühle auslösen. Der Tanz ermöglicht es, sich mit diesen Gefühlen neu auseinanderzusetzen, sie zuzulassen, loszulassen und dabei vielleicht zu ganz neuen, lustvollen Bewegungsformen zu finden.
Alle Bewegungen im Ägyptischen Tanz sind gut zentriert und werden mit einem stabilen Kontakt zum Boden ausgeführt. Sie entstehen aus der Mitte, aus Becken- und Brustkorbzentrum, und verbreiten sich von dort aus in den ganzen Körper. Selbst Arm- und Handbewegungen entstehen aus der Körpermitte, wodurch der gesamte Tanz organisch und fließend bleibt.
Das unterscheidet sich von vielen westlichen Tanzstilen, die häufig auf vorgegebene Bewegungsmuster, Schrittfolgen oder Choreografien setzen, die meistens vor einem Spiegel einstudiert werden. Während diese Herangehensweise ihren eigenen Wert hat, liegt der Fokus im Ägyptischen Tanz auf innerer Wahrnehmung und Bewegungen, die von innen nach außen entstehen.
In meiner Version des Ägyptischen Tanzes steht diese Verbindung zur eigenen Mitte im Vordergrund – und viele erleben das als eine Befreiung und Öffnung zur Spontaneität. Der Tanz wird so zu einem Ausdruck von Freiheit und einem Weg zu mehr Körperbewusstsein und Freude an der Bewegung.

Getanzte Weiblichkeit
Für uns Frauen ist dieser Tanz weit mehr als eine Technik – er ist Ausdruck und Selbstwahrnehmung zugleich. Er gibt uns die Möglichkeit gibt, uns selbst zu spüren - unabhängig davon, ob wir unsere Bewegungen öffentlich zeigen oder für uns selbst behalten. In meinen Seminaren kommen Frauen zusammen, um ihre weibliche Energie zu erleben, sie zu stärken und sich gegenseitig zu unterstützen.
„Das erdige Tanzen und die aufrechte Haltung haben nicht nur meine Bewegungen verändert - auch wenn ich vor vielen Menschen spreche, bin ich präsenter und sicherer. Meine Stimme hat an Kraft gewonnen, mein Auftreten an Selbstbewusstsein. Früher hätte ich mir nie vorstellen können, vor einem fremden oder kritischen Publikum zu sprechen – geschweige denn, eine Rede zu halten.“
eine Kursteilnehmerin
Frauen werden sichtbar
Der Ägyptische Tanz fordert uns als ganze Person heraus. Es geht darum, uns authentisch auszudrücken und offen zu zeigen, wer wir sind. Statt zu zeigen, was wir können, zeigen wir uns selbst – unsere Gefühle, unsere Gedanken, unsere Verbindung zur Musik.
Wir lassen uns von der Musik leiten, werden zu einem Kanal, der sichtbar macht, was die Melodien und Rhythmen in uns auslösen. Dabei betreten wir unsicheres Terrain und wagen es, Bewegung aus dem Augenblick entstehen zu lassen. So wird der Tanz zu einem Mittel, uns in unserer Ganzheit zu zeigen – ohne äußere Vorgaben, sondern aus unserem Inneren heraus.
Die Arbeit mit diesem Tanzstil stärkt nicht nur unsere Präsenz und unser Selbstbewusstsein, sondern zeigt uns, wie wir uns als Frauen mit unserer ganzen Persönlichkeit sichtbar machen können – ohne Masken und ohne Perfektionsdruck. Der Tanz wird so zu einem Raum für Freiheit, Stärke und authentischen Ausdruck.
„Wenn die Psychoanalyse eine Änderung der seelischen Verfassung eines Menschen bewirken kann, müsste gleichzeitig eine entsprechende körperliche Veränderung vor sich gehen. Wenn die Tanztherapie eine Veränderung im Körperverhalten bewirken kann, müsste sie eine Veränderung der geistigen Haltung und der seelischen Verfassung zur Folge haben.“
(Schoop, Trudi, ...komm und tanz mit mir!, 1981, S. 46)