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Wer zahlt schon für eine Belehrung?

Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Warum du Augenhöhe brauchst.

Hallo!

Medien haben seit etwa 25 Jahren zwei große, ungelöste Probleme. Es könnte sich auch für dich – Journalist:in oder nicht – lohnen, darüber nachzudenken.

Erstens haben sie, wie wir alle wissen, sehr lang gebraucht, um ein funktionierendes digitales Geschäftsmodell zu finden. Mit ihren Plus-Modellen scheint da nun endlich da zu sein. Allerdings passen die Kosten ihrer immer noch leidlich funktionierenden Print-Ausgaben meistens noch nicht zu den digitalen Umsätzen. Also werden weitere Jahre des schmerzhaften Ab- und Umbaus folgen. Über all das wird, seitdem ich mich erinnern kann, in endlosen Schleifen diskutiert.

Über das zweite große Problem wird dagegen in Fachmedien, auf Konferenzen und in Redaktionen zu wenig gesprochen; soweit ich weiß eigentlich nie. Das ist das kaputte Verhältnis zwischen Journalist:innen und Publikum.

Wie ich einmal mit Kochmütze einen Orden verlieh

Als ich als Schüler anfing, für die Lokalzeitung zu schreiben, wurde mir die besondere Stellung von Zeitungsleuten bewusst. Die Leute, die bestimmen konnten, was morgen in der Zeitung steht, hatten eine merkwürdige Sorte von Macht, vor allem in einer kleinen Stadt und den Dörfern drumherum.

Zum Beispiel wurde ich einmal für mich völlig überraschend zur Hauptattraktion einer Karnevalssitzung eines kleinen Dorfes, zu der ich mit einer großen Kochmütze, Block und Stift aufgeschlagen war, um am nächsten Tag für 50 Pfennig die Zeile Bericht zu erstatten. Mein Chef hatte mir zwischen Tür und Angel noch einen Orden in die Hand gedrückt, den ich irgendwie übergeben sollte. Nachdem viel Bier geflossen, Männer in Tutus aufgetreten und eine Premium-Pointe nach der nächsten gesetzt waren (statt „Helau“ oder „Alaaf“ ruft man in diesem Dorf „Schütt, schütt!“), schritt der Sitzungspräsident zum Höhepunkt des Abends: die Übergabe des „Ordens der Rhein-Zeitung“ für den besten Auftritt: „Und das macht der Koch dahinten!“

Es folgen einige der unangenehmsten Minuten meiner Karriere.

Warum Journalist:innen von oben herab kommunizieren

Egal ob durch Orden, Überschriften oder Kommentare: Die Rolle der Zeitung war es, zu beurteilen. Von oben herab muss man hinzufügen. Das war damals kein Problem, sondern so vorgesehen. In jedem Ort gab es solche Männer (was sonst?), die aufgrund ihres Berufes Autorität ausübten, was auch von ihnen erwartet wurde. Der Schuldirektor, der Pfarrer, der Polizist, der Schornsteinfeger und so weiter, und eben der Herr Zeitungs-Redakteur. Nicht beliebt aufgrund seiner einflussreichen Stellung, die aber auch nicht hinterfragt wurde. Solche Macht war Teil von Berufen, die die Hauptrollen in der damaligen Gesellschaft spielten. Zur Not übte diese ein Teenager mit Kuli und Kochmütze aus.

Augstein, Nannen, Springer, Bucerius standen über den Dingen. Sie konnten von der Kanzel herab predigen. Sie konnte Themen setzen, Kampagnen planen, Kanzler machen. Es wurde gesendet, aber kaum empfangen. Man schwebte über den Dingen.

Bis heute interpretieren viele Journalist:innen ihre Rolle so. In fast allen Redaktionssitzungen, an denen ich je teilgenommen habe, ging es darum, die Kolleg:innen zu beeindrucken beziehungsweise ihre Ideen zu zerreden, die aus dem eigenen Haus oder die der Konkurrenz. Die Leser:innen dagegen spielten als Teil der Unterhaltung keine Rolle. Sie waren konsumierend wichtig. Ihnen musste man eine Titelseite verkaufen. Zuhören musste man ihnen nicht.

Warum Empfangen genauso wichtig ist wie Senden

Dieses Gefälle ist das zweite große Problem von Medien heute. Sie senden, meist von oben herab. Aber sie empfangen nicht. Aber das passt nicht mehr in unsere Zeit. Im Internet senden alle, aber die wenigsten haben Lust, nur zu empfangen – noch dazu von Leuten, die sich ganz offensichtlich für etwas Besseres halten.

Wie das konkret gehen kann, habe ich an anderen Stellen (Opens in a new window) schon ausführlich beschrieben. Meiner Meinung nach ist es aus vielen Gründen wichtig, zumindest zu versuchen, auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren. Einer diese Gründe ist ein wirtschaftlicher. Wer zahlt dafür, sich belehren zu lassen? Wenn du also über eine Value Proposition nachdenkst (Opens in a new window), solltest du deinen potenziellen Mitgliedern auf Augenhöhe begegnen.

Das gilt in beide Richtungen: Du solltest natürlich nicht von oben herab, also arrogant auftreten. Aber auch eine Kommunikation von unten nach oben fühlt sich für dein Publikum unangemessen an. Das kommt häufiger vor, als man vielleicht denkt. Sogenannte Soli-Abos, also Unterstützungsaufrufe und Rettungsaktionen als Marketing-Kampagne, balancieren einen schmalen Grat entlang, immer knapp an der Unterwürfigkeit. Aber Betteln funktioniert nicht.

Fakten präsentieren statt Betteln

Ich rate an der Stelle zu Selbstbewusstsein. Es geht darum, der Community klarzumachen, dass das Ganze nur funktioniert, wenn sie sich an den Kosten beteiligt. Du lieferst ihr verlässlich ein gutes Produkt, aber das lässt sich auf Dauer nur aufrechterhalten, wenn genug Leute sich an den Kosten beteiligen. Das sind nüchterne Fakten, und so solltest du sie auch präsentieren: transparent, detailliert, und ohne sich für sie zu entschuldigen.

Bis nächste Woche,
👋 Sebastian

PS:

Bald bin ich in einem Podcast zu Gast, den ich schon vorher toll fand und wirklich sehr empfehlen kann: Creatorway von Victoria Weber (Opens in a new window).

Victorias Online-Konferenz für Solopreneure, Creators, Online-Marketing-Menschen, Selbstständige & digitale Unternehmer startet in wenigen Tagen unter dem Titel WILDES WACHSTUM?! Einige der Speaker kennst du aus diesem Newsletter: Laura Lewandowski, Michael Otto, Anne-Kathrin Gerstlauer, Fee Schönwald, Amy Frank & Freddy Strauss (@frechundfruchtig), Alex Mrozek, Lea Giltjes und Christina Danetzky.

Das Ganze läuft online am 14. und 15. November 2023. Tickets: creatorway.de (Opens in a new window)

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