Geduld.
Über den Lauf der Dinge, wenn man sie einfach mal laufen lässt – und aufhört, sich selbst im Weg zu stehen.
In der letzten Woche habe ich einen riesigen Schritt nach vorn gemacht, der von Außen betrachtet vielleicht gar nicht wahrnehmbar ist – in meinen Inneren aber für mächtig Turbulenzen gesorgt hat. Im positiven Sinne. Das ist mal wieder der Beweis dafür, dass unsere Fortschritte oft heimlich, still und leise passieren. Und dann sieht es eines Tages plötzlich so aus, als hätte sich der Erfolg über Nacht eingestellt. Der sogenannte Overnight-Success existiert natürlich nicht. „Natürlich nicht“? Ich schreibe das, als wäre mir das schon immer klar gewesen, dabei dachte ich ganz lange: So viel Glück muss man einfach haben. Eines Tages, da stellt sich auch bei mir der ganz große Erfolg ein. Ich muss nur Geduld haben.
Geduld haben und immer wieder die kleinen, leisen und manchmal auch langweiligen Dinge machen. Ganz ehrlich: Schreiben, das ist für mich nicht immer die eine aufregende Sache, die mir Herzklopfen beschert. Obwohl es das in vielen Momenten tut, wäre es ein Fehler, es nur in diesen Augenblicken zu tun. Es ist genauso, wenn nicht sogar besonders wichtig, es auch dann zu tun, wenn es mich eigentlich ein bisschen langweilt. Wenn ich kein spannendes neues Kapitel schreibe, sondern einfach nur ein paar Sätze, die vielleicht niemals irgendwohin führen werden. Auch diese wollen zu Papier gebracht werden. Dabei geht es nicht immer darum, was dabei rauskommt. Der Output ist bei meinem Schreiben öfter als du denkst absolut nebensächlich. Eigentlich geht es die meiste Zeit darum, es einfach zu tun. Wie jede andere Routine auch. Zähneputzen, Geschirr spülen, staubsaugen, Yogakurs, schreiben. Diese Herangehensweise klingt für meinen Geschmack ein wenig unromantisch und ja, langweilig. Aber es hilft mir auch enorm, den Druck von meinem Schreiben fernzuhalten. In einer Schreibwerkstatt vor zwei oder drei Jahren, sprach die Dozentin davon, dass wir das Schreiben „vom Thron holen“ müssen, um es erfolgreich zu tun. Ein bisschen so, wie wir ehemaligen Liebhaber:innen die Macht über uns nehmen, indem wir sie als den Menschen sehen, der sie wirklich sind und nicht als die goldumrandete Erscheinung, zu der wir sie einst machten.
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Und wenn wir das schaffen und einfach nur ganz schlicht und ergreifend schreiben, egal wo und wann, dann passieren zwei Dinge: Es wird leichter und es verliert seinen Glanz. Schreiben ist nicht glamourös. Von dem Gedanken müssen wir uns verabschieden. Auch wenn es für mich eine Notwendigkeit ist, so ist es doch auch einfach etwas, das man tut. Möchte man damit etwas erreichen, wie zum Beispiel einen vollendeten Roman, dann braucht man vor allem Geduld. Nicht unbedingt, was das Schreiben angeht, das tun wir ja ohnehin. Vielmehr denke ich dabei an alles andere, mit dem wir dazwischen fertigwerden müssen: Zweifel, Fragen, gut gemeinte Ratschläge, Druck, Unverständnis, falsche Abzweigungen, skeptische Stimmen, die Langeweile zwischen den aufregenden Zeilen und die Angst vor leeren Seiten. Niemals würde ich jemanden verurteilen, der auf diesem Weg die Geduld verliert und sich leichterer Kost zuwendet.
Ich glaube, ich habe meinem Schreiben den Thron in den letzten Wochen ruckartig unter dem Allerwertesten weggezogen und ihn aus dem Fenster geworfen. Auch wenn ich zunächst mit einem vorwurfsvollen Blick gestraft wurde, so stellt sich doch langsam eine respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe ein. Manchmal geraten wir aneinander, sehen uns tagelang nicht in die Augen und könnten uns die Köpfe einschlagen. Aber irgendwie finden wir immer wieder zueinander. Besonders zu schätzen weiß ich es, dass mein Schreiben wie diese eine wunderbare Freundin, die man ewig nicht gesehen hat, nicht nachtragend ist nach einer längeren Funkstille. Das Leben passiert, es kommen Dinge dazwischen und für eine Weile kann man sich auch ganz aus den Augen verlieren. Aber man findet sich immer wieder und weiß, dass man auf offene Arme stößt.
Auch ich habe in letzter Zeit mehr Konzepte, E-Mails und Webseitentexte verfasst als kreative Werke. Und das ärgert mich manchmal. Aber ich weiß, dass sich das wieder ändern wird. Ich muss nur geduldig sein und darf mich nicht beirren lassen. Mein Schreiben ist da, immer. Und es macht mir immer wieder die Tür auf.
Vertraue deinem Schreiben, es ist immer bei dir.
Alles Liebe
deine Sarah
