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Ein Brief, ein Brief!

Von Hasnain Kazim - Kalte Bahn / Todesstrafe / Sarkozy / Billige Hütten / (Keine) Post aus Dänemark

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach einem Aussetzer in der vergangenen Woche erscheinen die “Erbaulichen Unterredungen” diesen Sonntag wieder. Meine Erkältung der vorvergangenen Woche hatte sich leider zu einer Lungenentzündung ausgeweitet, und nach einer weiteren Woche im Bett und mit viel Tee und Antibiotikum ist es jetzt wieder halbwegs gut.

Gut genug jedenfalls, dass ich am Freitag mit dem Zug von Wien nach Berlin gereist bin, um am Samstag bei den Berliner Festspielen an einem Panel der Reihe “Reflexe & Reflexionen” teilzunehmen. Im ICE herrschten durchgängig etwa acht Grad Celsius. Auf meine Bitte hin regulierte der Zugbegleiter zwar die Klimaanlage etwas herunter, aber an der Temperatur änderte das kaum etwas. Ich hoffe nun, dass nicht gleich die nächste Erkältung folgt…

Auge um Auge…

Ich habe wenig Mitleid mit einem Mörder. Erst recht mit einem Doppelmörder. Und doch bin ich froh, dass es zu einem demokratischen Rechtsstaat gehört, dass auch der schlimmste Verbrecher das Recht auf einen fairen Prozess und auf juristische Verteidigung hat. Ich spreche den USA im Allgemeinen und dem Bundesstaat South Carolina im Besonderen nicht ab, dass sie diesen rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen.

Und doch ist am Freitagabend etwas geschehen, das ich schockierend finde. Der US-Bundesstaat South Carolina hat am Freitagabend um 18.05 Uhr Ortszeit den 67-jährigen Brad Sigmon hingerichtet (Opens in a new window). Und zwar durch ein Erschießungskommando. Sigmon hatte 2001 die Eltern seiner Ex-Freundin mit einem Baseballschläger erschlagen. Er hatte auch vor, seine Ex-Freundin zu ermorden, doch ihr war die Flucht gelungen.

Ich habe, wie gesagt, wenig Mitleid mit Mördern und finde, dass der Rechtsstaat die Härte des Strafrechts durchaus ausschöpfen sollte. Aber Todesstrafe? Ich bin prinzipiell und ausnahmslos dagegen. Ich finde, der Staat sollte, um das Töten zu sanktionieren, nicht selbst töten. Ich halte die Todesstrafe für rückständig, unzivilisiert, primitiv, unwürdig.

Es gibt Staaten, die jedes Jahr Hunderte Menschen hinrichten. Ganz vorne: China und Iran. Saudi Arabien, das in jüngster Vergangenheit so sehr um einen guten Ruf bemüht ist und sich bei Touristen international beliebt machen möchte, hat alleine im Jahr 2024 insgesamt 345 Menschen hingerichtet - mit dem Schwert auf öffentlichen Plätzen geköpft.

Dass eine Hinrichtung geheim und hinter Gefängnismauern stattfindet, macht sie aber auch nicht besser. Neben Japan, das gelegentlich Mörder am Galgen hinrichtet, sind die USA der einzig andere Industriestaat, in dem die Todesstrafe noch vollzogen wird. Üblicherweise geschieht das durch eine tödliche Injektion, in manchen Bundesstaaten gibt es immer noch den elektrischen Stuhl - und in South Carolina eben zusätzlich noch die Möglichkeit der Erschießung.

Der verurteilte Mörder Sigmon wählte letztere Methode, weil er Angst hatte, bei einer Injektion unnötig lange zu leiden, was von vorangegangenen Exekutionen berichtet worden war. Und ebenso fürchtete er sich vor einem langen Leiden auf dem elektrischen Stuhl. Er wählte die Methode, die ihn seiner Ansicht nach am schnellsten ins Jenseits befördern würde.

Drei Journalisten waren Zeugen dieser Hinrichtung am Freitagabend. Sie berichten, dass am Eingang zum Zuschauerraum Gehörschutz ausgeteilt wurde, wegen der Schüsse. Und sie berichteten weiter von drei für die Zeugen nicht sichtbare Schützen, die hinter einer Mauer standen und durch einen Schlitz ihre Gewehre auf den Verurteilten richteten. Und von einem Arzt, der später den Raum betrat, den Delinquenten 90 Sekunden lang untersuchte und anschließend den Tod feststellte.

Was ist das für ein Rechtssystem? Und was sind das für Leute, die bei so etwas mitmachen? Treu dienende Beamte? Was ist das für ein Verständnis von Umgang mit Menschen? Wir sind doch hoffentlich längst weg vom alttestamentarischen “Auge um Auge, Zahn um Zahn”. Mit dem neutestamentarischen “Ihr habt gehört, dass den Alten gesagt ist: ‘Auge umd Auge, Zahn um Zahn.’ Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin” kann ich persönlich jetzt auch wenig anfangen. Jedenfalls bin ich nicht der Auffassung, dass man, anstatt zu strafen, die andere Wange hinhalten sollte.

Aber Todesstrafe? Nein, danke! Erschreckenderweise ist die Zustimmung dazu in vielen Ländern hoch. Ein guter Rhetoriker kann mit ein paar geschickten Erzählungen die Befürwortung dieser grausamen Strafe in die Höhe treiben. Weshalb ich gegen Volksabstimmungen bei bestimmten Fragen bin. Ich bin froh, dass die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft ist.

Kohle aus dem Ausland

Ich finde, man sollte Spenden aus dem Ausland an politische Akteure ächten. Jede finanzielle Unterstützung von Politikern und Parteien, aber auch von NGOs und Gruppen von Aktivisten sollte grundsätzlich transparent und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein. Aus dem Ausland aber, finde ich, sollte sie ausnahmslos untersagt sein. (Faktisch sind laut Parteiengesetz Spenden aus dem Nicht-EU-Ausland an Politiker und Parteien ohnehin untersagt, außer von Einzelspendern bei weniger als 1000 Euro.) Wir sehen aber an dubiosen Versuchen der Einflussnahme diverser Autokraten und Diktatoren, wie groß die Versuchung ist, auf Wahlergebnisse und damit auf Machtverhältnisse in Demokratien einzuwirken.

Das ist keine neue Entwicklung. Wie schmierig es zugehen kann, wird derzeit in Frankreich deutlich. Da steht der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass Millionen von Euro des libyschen Diktators Gaddafi ihm den Weg an die Macht geebnet haben. Im Gegenzug sollte Sarkozy dem Paria Gaddafi wieder den Weg auf die Weltbühne ebnen. Und tatsächlich gastierte der Diktator dann auch in Paris, zum Erstaunen vieler anderer westlicher Länder.

Oliver Meiler von der “Süddeutschen Zeitung” beschreibt diesen Gerichtsprozess, (Opens in a new window) und das ist spannender als so mancher Politthriller. Erschreckend nur, dass es hier nicht um Fiktion geht, sondern um reale Politik. Wie gesagt, jeder Cent, jeder Rubel, jeder Dinar, der aus dem Ausland an hiesige Politiker und Parteien und politische Organisationen fließt, sollte Anlass zu öffentlicher Kritik sein.

Ein Haus, ein Haus!

Hin und wieder schaue ich mir Immobilienanzeigen im Netz an, in der ganzen Welt. Einfach, um einen Eindruck vom Markt zu bekommen, wie Menschen woanders leben, was es kostet und was überhaupt angeboten wird.

Vor etwa einem halben Jahr entdeckte ich ein wunderschönes Haus mit kleinem Swimmingpool in den Tiroler Alpen, in Österreich. Da kein Preis angegeben war, schrieb ich dem Makler und bat um das Exposé. Das war ein Fehler. Natürlich wollte ich das Haus nicht kaufen, ich war einfach nur neugierig. Ich schätzte, dass das Haus vielleicht zwei Millionen Euro kosten würde, also eh weit über meinem Budget, aber wie gesagt, ich wollte es sowieso nicht kaufen, sondern war einfach nur neugierig.

Zufälligerweise erschien an dem Tag, an dem ich beim Makler anfragte, in einer Tiroler Tageszeitung ein ganzseitiges Interview mit mir. Der Makler hatte das gelesen, und so wie ich Immobilienpreise völlig falsch einschätze, schätzte er vermutlich bei der Bezeichnung “Bestsellerautor” meine Gehaltsklasse völlig falsch ein, jedenfalls rief er sofort bei mir an.

“Ah, das wäre ein ideales Haus für Sie, zum Schreiben!”, sagte er. “Trinken Sie gerne Wein?”

Ich: “Ähm, och, ab und zu ja.”

“Freuen Sie sich: Sie haben in diesem Haus nicht nur einen großen Weinkeller, Sie bekommen ihn sogar komplett befüllt, mit den besten Weinen! Lassen Sie sich überraschen!”

Ja, und was kostet die Immobilie jetzt?

“Es ist ein Neubau, nach den höchsten Qualitätsstandards, feinste Materialien, mit freiem Blick auf die Alpen! Wir verkaufen es für 8,9 Millionen Euro!”

Ich musste schlucken.

“Also, ähm, wissen Sie, ich lebe ja in Wien, ich suche eigentlich nur einen Zweitwohnsitz, eine Ferienwohnung, wo ich mich zum Schreiben zurückziehen kann…”, log ich.

“Wie hoch ist denn Ihr Budget, wenn ich fragen darf?”

Und wie das so ist, folgt auf die eine Lüge die nächste, man sollte das nie machen. “Ja, hm, ach, vielleicht so die Hälfte?”

Seit einem halben Jahr also bekomme ich wöchentlich Exposés zugeschickt für Häuser in Tirol und im Salzburger Land, so zwischen drei und fünf Millionen Euro. Superschnäppchen! Ich bin inzwischen sozusagen Experte für Häuser dieser Preiskategorie in der Region, ich kenne den Markt! Wenn Sie also so eine Hütte interessiert, lassen Sie es mich wissen.

Der Algorithmus jedenfalls funktioniert. Neulich bekam ich ein Angebot für eine Mietwohnung in Wien, nur ein paar Straßen von mir entfernt: eine Dachgeschosswohnung, 270 Quadratmeter, mit Dachterrasse und Blick über Wien, inklusive “Infinitypool”, für knappe 14.000 Euro Monatsmiete.

Keine Briefe mehr aus Dänemark

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche! In Wien (und auch in Berlin) erlebe ich den Beginn des Frühlings, und schon sitzen viele Menschen draußen in den Cafés und in den Parks, trinken Kaffee, unterhalten sich, lesen. Wie schön! Wenn es sich ergibt, werde ich diese Woche: angrillen.

Herzliche Grüße diesmal aus Berlin,

Ihr Hasnain Kazim

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