Guten Morgen! Hier kommt dein Überblick über die Bundespolitik-Recherchen der Woche. Inklusive Tipps zum Lesen, Sehen und Hören. Ich habe in mehreren  Nachrichtenredaktionen gearbeitet und schaue jetzt immer die Medien durch, damit du das nicht musst. Starte gut in die Woche!

Die Recherchen

Aserbaidschan-Affäre: Umstrittene Netzwerke im Bundestag

Praktikant:innen aus Aserbaidschan bauen laut VICE (Opens in a new window) seit Jahren Netzwerke im Bundestag auf ­– im Rahmen ihrer Tätigkeit bei "Bundestagsabgeordneten, die teilweise selbst zweifelhafte Verbindungen in den Südkaukasus pflegen". Betroffen sind nicht nur Politiker:innen von CDU und CSU wie bei den meisten bisherigen Enthüllungen zur  "Aserbaidschan-Affäre" (siehe die vergangenen Enthüllt-Ausgaben), sondern auch aktuelle oder ehemalige von SPD und Linke. 

Viele der früheren Praktikant:innen seien inzwischen in einflussreichen Positionen tätig, heißt es in dem Bericht. Einer arbeitet den Angaben zufolge etwa an der Berliner Humboldt-Universität (HU), an der es einen von Aserbaidschan finanzierten Lehrstuhl zur Geschichte des Landes gibt. Die Bundestagsverwaltung arbeitet bei der Auswahl der Personen unter anderem mit der HU zusammen. Beide wollten VICE mehrere Fragen nicht beantworten.

Maskengeschäfte I: Spahns Ehemann vermittelte Firmen

Daniel Funke "hat im März und April 2020 mindestens sechs Angebote oder Hinweise ans Ministerium weitergeleitet": Das schreibt der SPIEGEL (Opens in a new window) (€) in Bezug auf das von Jens Spahn (CDU) geleitete Bundesgesundheitsministerium. Im Text heißt es weiter: "Solche Kontakte sind ein klassisches Einfallstor für Bevorzugung. Es geht darum, Aufmerksamkeit bei den Ministerialen zu erregen und aus der Masse der Angebote herauszuragen." 

Ein Chat zwischen Funke und einem Bekannten legt laut Bericht nahe, dass sich Funke mit dem Thema ausgekannt habe – auch wenn er bei seinem Arbeitgeber Burda offiziellen Angaben zufolge nichts mit Masken zu tun hatte. Nach Angaben von Spahn haben weder er noch Funke von solchen Geschäften profitiert. Ein von diesem an den Minister weitergeleitete Anbieter bekam einen Vertrag über 1,5 Millionen FFP2- und KN95-Masken.

Windkraft: Bundesbehörde machte 16 Jahre lang falsche Angaben 

"Die Studie einer Bundesbehörde bremste die Energiewende und beflügelte Windkraftgegner. Zu Unrecht": Das ist das Fazit einer Recherche der ZEIT (Opens in a new window) (€)  zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Es geht um falsche Zahlen zum Thema Infraschall und Windräder, die Gesetze und Debatten beeinflusst haben. Auch das ZDF produzierte auf ihrer Grundlage eine Dokumentation. Die BGR untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium.

Sie sprach nun von "neueren wissenschaftlichen Untersuchungen" statt von fehlerhaften Berechnungen. "Ausgerechnet in einer Studie, die Gegnern von Windkraft in ganz Deutschland als Vorlage für Angst-Kampagnen diente", so die Journalistin Annika Joeres. Auch der Forscher Stefan Holzheu von der Universität Bayreuth machte aktuell und in der Vergangenheit wiederholt auf das Thema aufmerksam. Auf Twitter (Opens in a new window) kritisierte er die Behauptungen der BGR.

Maskengeschäfte II: Rund 20 von 53 Millionen Euro gingen an Vermittler:innen

Mehr als ein Drittel des von staatlichen Stellen für Corona-Masken einer hessischen Firma gezahlten Geldes war einem Medienbericht (Opens in a new window) zufolge für Provisionen vorgesehen. Für die Gruppe rund um Georg Nüßlein und Alfred Sauter sollte es laut Süddeutscher Zeitung (Opens in a new window) (SZ) – statt den bisher bekannten fünf bis sechs Millionen Euro – 11,5 Millionen Euro geben. Die Justiz hat das Geld großteils sichergestellt, müsste es je nach Ausgang der Ermittlungen (Korruptionsverdacht) aber zurückzahlen.

Über weitere Provisionen heißt es im Text: "Allein acht Millionen Euro sind an eine Firma aus Südafrika gegangen. Der mysteriöse Geldfluss könnte dazu gedient haben, die Masken-Lieferung aus China zu sichern." Außerdem schreibt die SZ (Opens in a new window), dass bei von Sauter organisierten Essen mit Wirtschaftsvertreter:innen nicht nur Horst Seehofer (s. Enthüllt #9), sondern auch Ministerpräsident Markus Söder dabei war – und es dabei unter anderem um Spenden ging.

"Geheimprotokolle": Mitarbeiterin belastet Ex-Wirecard-Chef

Die Chefjuristin des zahlungsunfähigen Konzerns hat den früheren Leiter Markus Braun (sitzt in Untersuchungshaft) einem Handelsblatt-Bericht zufolge (Opens in a new window) belastet. Laut Protokoll einer im Auftrag des Insolvenzverwalters erfolgten Befragung sagte sie 2020: „Ich wusste, dass Herr Braun sich die Wahrheit öfter mal so hingedreht hat, wie er sie gerne haben wollte“. Braun ist einer von mehreren Österreichern, die eine zentrale Rolle im Wirecard-Komplex (Opens in a new window) spielen.

Braun war Bundeskanzler Sebastian Kurz nahe (Opens in a new window) und spendete dessen Partei (ÖVP) viel Geld. In der Kritik wegen ihres Umgangs mit dem Thema Wirecard steht weiterhin auch die Bundesregierung (Opens in a new window) rund um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) (Opens in a new window) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) (Opens in a new window). Beide wurden im Untersuchungsausschuss dazu befragt: Merkel etwa zu einem Treffen mit Karl-Theodor zu Guttenberg (Opens in a new window), Scholz u.a. zur Nutzung seiner privaten Mailadresse (Opens in a new window).

Weitere Recherchen

Report Mainz (ARD): Autolobbyisten beraten die Bundesregierung (Opens in a new window)
-> Die "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" soll Konzepte für die Verkehrswende entwickeln, Teil von ihr sind aber "auffällig viele Vertreter der Autoindustrie und anderer Lobby-Verbände".

BR/NDR: Ein Fall von Behördenversagen (Opens in a new window)
-> "Im mutmaßlichen Anlageskandal rund um die insolvente Immobiliengesellschaft German Property Group, ehemals Dolphin Trust, wird nun das Ausmaß des deutschen Behördenversagens deutlich."

WDR/NDR: Rassistische Chats und ein Hitlergruß (Opens in a new window)
-> "Das Bundeskriminalamt ermittelt gegen eine Gruppe von Personenschützern wegen Rassismus- und Sexismus-Vorwürfen. Auch verschwundene Munition und Kontakte zu Sicherheitsfirmen werden genauer untersucht."

Krautreporter: So findest du einen Therapieplatz (Opens in a new window)
-> Nach einem allgemeinen Text über Krankenkassen und psychische Gesundheit (s. Enthüllt #10) gibt es jetzt konkrete Tipps für Menschen, die einen Psychotherapie-Platz suchen.

Deutschlandfunk: Ausländische Saisonkräfte länger ohne Versicherungsschutz (Opens in a new window)
-> Keine "Recherche", aber ein Beschluss mit weitreichenden Folgen, der nicht nur Erntehelfer:innen betrifft (s. Tweets von Georg Restle (Opens in a new window) und Renate Künast (Opens in a new window)).

Die Medientipps

In seinem Buch "Rechter Terror: Der Mord an Walter Lübcke und die Strategie der Gewalt" (Opens in a new window) beschäftigt sich der Journalist mit der Tat, ihren Hintergründen und Rechtsterrorismus allgemein. Er hat in diesem Kontext auch Unterlagen des hessischen Verfassungsschutzes u.a. zum NSU ausgewertet. Diese sollen offiziell 30 Jahre (ursprünglich 120 Jahre) geheim bleiben (Opens in a new window).

Das Buch hat 304 Seiten und kostet 18 Euro.

Im Buch "Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei (Opens in a new window)" des Journalisten Aiko Kempen geht es um die Frage, ob die immer wieder bekannt werdenden Fälle von Rassismus, exzessiver Polizeigewalt und Rechtsextremismus systemische Probleme widerspiegeln. Einen Auszug aus dem Kapitel "Viel zu viele Einzelfälle" gibt es bei Netzpolitik.org (Opens in a new window).

Das Buch hat 240 Seiten und kostet 20 Euro.

In dem fünfteiligen Podcast "Der Mann in Merkels Rechner" (Opens in a new window) widmet sich der BR dem Hackerangriff auf den Bundestag (2015). Eine der mutmaßlich im Auftrag des russischen Geheimdienstes handelnden Personen bekam Zugriff auf den PC der Bundeskanzlerin. Die "Radiodoku" befasst sich mit den Folgen.

Die Auskunft

Dank des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) (Opens in a new window) kann jede:r in Deutschland Anfragen an öffentliche Stellen stellen, auch Nicht-Journalist:innen (Opens in a new window). Jede Woche stelle ich eine Recherche vor, für die das IFG genutzt wurde oder wird.

Das geplante Lieferkettengesetz war schon mehrfach Thema bei Enthüllt. Der Entwurf dazu steht in der Kritik, weil große Unternehmensverbände für eine Abschwächung der Pläne gesorgt haben sollen (Stichwort Lobbyismus). Wie das genau geschah, zeigen von FragDenStaat veröffentlichte interne Dokumente (Opens in a new window). Die "Initiative Lieferkettengesetz" hatte sie mithilfe des IFG angefragt. 

Die Unterstützung

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