Bitte Zusammenarbeits-Hindernisse aus dem Kopf räumen!
Die Art, wie wir mit anderen zusammenarbeiten, ist geprägt von vielen verschiedenen Dingen: Wie wir in der Schule sozialisiert wurden, wie unser Wirtschaftssystem über weite Strecken der letzten 60-70 Jahre funktioniert hat, welche Glaubenssätze wir zum Thema Zusammenarbeit haben, der Kultur um uns herum, der Kultur der Organisationen, in denen wir schon gearbeitet haben, zum Beispiel.
Wenn wir nun den Wunsch haben, hierarchiefreier, selbstorganisierter, organischer, «agiler» zusammen zu arbeiten, muss uns bewusst sein, dass alle diese Erfahrungen und Konzepte uns weiterhin beeinflussen. Sie legen uns Quasi Hürden und Stolpersteine in den Weg, mit denen wir umgehen müssen oder über die wir ein paar Mal (eher ein paar hundert Mal) stolpern, bevor wir merken, dass wir die Strasse davon befreien müssen und können, um wirklich «neu» zusammen arbeiten zu können.
Von diesen Hindernissen gibt es viele, und nicht immer erkennen wir sie als solche, sondern nehmen sie als Teil der Strasse wahr. Wenn wir zum Beispiel glauben, dass gute Zusammenarbeit bedeutet, dass jemand vorplant und vordenkt und die anderen dann das vorgedachte und vorgeplante ausführen, wie können wir dann erkennen, dass es dieser Gedanke sein könnte, der uns daran hindert, anders / neu zusammen zu arbeiten?
Als Kind fuhr ich oft mit meinen Eltern mit dem Auto in ein abgelegenes Dorf in den Bergen von Mexiko. Die Strasse in dieses Dorf war voller Schlaglöcher, und man fuhr immer knapp am Abgrund und mit grosser Absturzgefahr ins Tal. Wenn wir im Dorf ankamen, waren wir ganz ordentlich durchgeschüttelt, hatten etliche Schrecksekunden hinter uns und das Auto brauchte einen Service.
Das war ärgerlich, aber es war eben auch «normal». Man akzeptierte, dass die Strasse schwer befahrbar, gefährlich und schädlich für den fahrbaren Untersatz war, denn es gab nun mal keinen anderen Weg ins Dorf und man schickte sich drein, und man war so froh, an der Destination angekommen zu sein, dass man die schreckliche Reise etwas verdrängte. Die Hindernisse waren zwar klar spürbar, aber so richtig hinschauen wollte niemand, denn in wessen Macht stand es denn, die Strasse instandzustellen? Viel zu kompliziert, viel zu schwierig, sich darum zu kümmern, und ausserdem auch nicht in unserer Macht.
Als dann die Strasse endlich mal umgebaut und neu geteert war, hatten alle leicht nostalgische Erinnerungen an die alte Strasse, obwohl alle wussten, dass sie unbefahrbar und gefährlich gewesen war. Aus irgend einem Grund verklärten wir in späteren Reisen die frühere Strasse, machten sie in unseren Köpfen schöner, spannender und interessanter, als sie je gewesen war.
Im Grunde ist es mit der Zusammenarbeit noch etwas verzwickter: Anstatt dass wir die echten Hindernisse auf der Strasse wahr nehmen, denken wir, das Hindernis sei die neue Art der Zusammenarbeit, die sich ungewohnt, seltsam und anstrengend anfühlt. Wir merken nicht, dass die Anstrengung vor allem daher kommt, dass die alten Vorgehensweisen und Ideen noch so stark in unseren Köpfen vorherrschen.
Für uns sind neue Wege und Ideen so lange unbequem, wie wir denken, dass die alte Strasse «normal» ist und versuchen, auf der alten Strasse einen kleinen Trampelpfad an allen Hindernissen vorbei zu bauen, anstatt die Hindernisse aus dem Weg zu räumen und die Strasse neu zu pflastern.
Es geht zunächst einmal darum, dass wir Hindernisse überhaupt als Hindernisse wahrnehmen und merken: Aha, da fühlt sich was schwierig oder anstrengend oder kompliziert an, da steht uns etwas im Weg, warum ist das so? Wir können neugierig sein und überlegen, was es ist, das uns ein schlechtes Gefühl gibt, wir können den Glaubenssätzen nachspüren und sie in Frage stellen.
Organisch funktioniernde Zusammenarbeit, bei der jede Person ihre Fähigkeiten optimal einbringen kann, man gemeinsam Entscheidungen trifft und Prioritäten setzt, alle zum Zug kommen und gemeinsam etappenweise Grossartiges schaffen fühlt sich leicht und angenehm an, wenn es eingespielt ist. Einspielen kann sie sich nur, wenn wir uns von den alten Ideen verabschieden, die den neuen Vorgehensweisen im Weg stehen.
Einige dieser alten Ideen und Glaubenssätze zum Thema Zusammenarbeit sind:
Damit Menschen arbeiten können, muss jemand für sie die Arbeit planen
Arbeit wird zugeteilt, nicht gewählt
Wir müssen kontrollieren, wer wie viel arbeitet
über die Arbeit reden ist mühsam und anstrengend, die Leute wollen “lieber arbeiten” als “ständig diskutieren”
Wenn man Leuten nicht sagt, was sie zu tun haben, tun sie nichts
Arbeit macht oft keinen Spass und das «ist halt so»
Jedes Team braucht einen Chef, der sagt wo’s lang geht
Wenn alle mitreden wollen, wird alles zu kompliziert
Wir dürfen keine Fehler machen
Die Chefin hat mehr zu sagen / mehr Rechte als die anderen Teammitglieder
Nur wenn eine Person die Verantwortung trägt, klappt Zusammenarbeit
Die hierarchische Position habe ich mir erarbeitet, nun will ich auch ihre Privliegien nutzen
Das gibt ein Chaos
Selbstorganisiert heisst nur, dass alle machen was sie wollen und man keine guten Ergebnisse hinkriegt.
Diese Glaubenssätze und Vorstellungen hindern uns daran, neue Formen der Zusammenarbeit mutig auszuprobieren und zu erlernen. Jedes Mal, wenn wir etwas neu anpacken möchten oder eine neue Form der Collaboration versuchen, melden sich leise oder auch laute Stimmen im Kopf, die uns sagen «stop mal, das fühlt sich irgendwie falsch an».
Erst wenn wir anfangen, die Hindernisse zu sehen, anzuerkennen und uns mit den alten Glaubenssätzen auseinander zu setzen, sie von der Strasse räumen und nach und nach immer mehr positive Erfahrungen machen, können wir die Strasse nach und nach von den Hindernissen befreien, neu pflastern und mit der Zeit mit mehr Tempo und Freude auf der Zusammenarbeitsstrasse fahren. Nach einigen erfolgreichen Fahrten vermisst man die alte Strasse nicht mehr und verklärt sie auch nicht mehr nostalgisch, versprochen!