Reflexion - bitte nicht verschieben!
Es gibt kaum ein Vorbereitungsgespräch mit Teams, die ich auf der Reise zu noch besserer Zusammenarbeit begleiten, das seit Start der Pandemie nicht mindestens einmal eine Aussage in die folgende Richtung enthält:
«Vielleicht sollten wir diesen Workshop / dieses Seminar / diese Auszeit besser erst durchführen, wenn Corona Geschichte ist».
Nein, bitte nicht verschieben!
Reflexion über die eigene Arbeit ist Bestandteil der Arbeit und sollte nicht verschoben werden. Denn das rächt sich. Wir brauchen die Reflexion über unsere Zusammenarbeit genau so sehr, wie wir die Zusammenarbeit selbst brauchen. Und wenn wir dem einen mehr Bedeutung zumessen als dem anderen, verpassen wir wichtige Chancen, unsere Zusammenarbeit regelmässig und mit Leichtigkeit immer weiter zu verbessern.
Eine Künstlerin räumt ihr Atelier nicht einmal im Jahr auf, sondern jede Woche. Ein Athlet lebt nicht vom Wettkampf, sondern vor allem vom Training. Eine Sterneköchin schleift ihre Messer in einem bestimmten Rhythmus, und kein Pianist würde sagen, dass Fingerübungen etwas sind, auf das man getrost verzichten könnte.
Nur wenn wir genau so regelmässig wie diese Berufsleute darüber nachdenken, wie wir zusammen arbeiten möchten und wie wir Zusammenarbeit so gestalten können, dass alle optimal mitwirken können, lernen wir dazu und können unsere Zusammenarbeit Schritt für Schritt noch besser machen, also unsere eigentliche Arbeit noch besser ausführen.
In meiner Erfahrung ist die ideale Form, über Arbeit zu reflektieren, ungefähr so zusammen gesetzt:
1. Wir nehmen uns etwas vor, definieren ein Etappenziel dafür und gehen ein «Committment» dafür ein.
Zum Beispiel: «In den nächsten drei Tagen wollen wir einen ersten Prototypen für unser Produkt gebaut haben, das wir unseren Kundinnen und Kunden zeigen können und worauf sie uns Feedback geben können»
2. Wir arbeiten als Team auf das Ziel hin und nutzen alles Wissen und Können in der Gruppe, um ein gutes Ergebnis zu erzielen.
Zum Beispiel: Jeden Morgen um 9 treffen wir uns auf Zoom, diskutieren, was es zu tun gibt und organisieren uns als Gruppe. Immer um 16 Uhr treffen wir uns nochmal und besprechen, was wir geschafft haben und wo wir morgen dran bleiben. Eine Person agiert als "Facilitator" und unterstützt das Team dabei, gut zusammen zu arbeiten .
3. Am dritten Tag um 16 Uhr ist unser Prototyp fertig und wird einer Gruppe von Kund*innen präsentiert, die ihr Feedback geben. Wir notieren das Feedback.
4. Am vierten Tag treffen wir uns zu einer Reflexion (manche nennen das auch «Retrospektive») und reden darüber, was in dieser Arbeitsetappe gut lief, was nicht so gut lief, was wir gelernt haben und was wir an unserer Zusammenarbeit in der nächsten Etappe verbessern könnten.
Mit anderen Worten: Am Produkt arbeiten und über die Zusammenarbeit nachdenken wechseln sich rhytmisch ab. Wir machen nach jeder Etappe einen kleinen Zwischenstop, der uns dabei hilft, darüber nachzudenken, wie unsere Zusammenarbeit funktioniert und was wir daran verbessern möchten.
Gerade in Zeiten, wo die Zusammenarbeit anspruchsvoll ist, sollten wir diese Arbeits- und Relexionsschlaufen eher engmaschiger gestalten. Denn mit jeder Etappe und jeder Reflexion werden wir geschmeidiger, lernen dazu und können in kleinen Schritten Anpassungen vornehmen.
Wenn wir uns nur einmal im Jahr zu einer Auszeit treffen oder das Ganze gar bis «nach Corona» verschieben, verpassen wir die Chance, den Zusammenarbeitsmuskel ganz selbstverständlich und ganz regelmässig zu trainieren. Und wenn wir uns dann endlich Zeit dafür nehmen, hat sich eventuell schon sehr viel angestaut, das mit einem regelmässigen Rhythmus leicht und lässig hätte behoben werden können.