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Über Frauen und Männer.

Es gab eine Zeit, da war ich eher ein Mann. Oder ein Junge. Schon als Kind nervten mich die üblichen Mädchen-Rollenspiele mit Barbie und Ähnlichem. Puppen fand ich sterbenslangweilig. Ich habe mir sehnlichst ein

ferngesteuertes Auto gewünscht und ein Kettcar. Beides hab ich nie bekommen. Gut ich habe mir auch sehnlichst Lackschuhe mit Absätzen gewünscht. Und ein romantisches Kleid zur Erstkommunion, so wie die anderen Mädels. Ein völlig unpraktisches Kleid, was man danach nie wieder tragen kann. Oder eben doch, wenn man sich hübsch fühlen will. Hab ich auch nicht bekommen. Sondern das praktische, das man danach auch noch in der Schule tragen kann. Trotzdem, das typische Mädchen-Zeugs war nicht so meins. Stylen. Schminken. Gutsitzende Frisur. Anstrengend. „Du wirst nie eine Dame“, hat meine Mutter immer gesagt. Wollte ich auch nicht. Viel zu mühsam. Ich hatte nie die passende Handtasche oder das passende Jäckchen zum Outfit. Weil ich auch shoppen immer schon anstrengend fand. Stundenlang rumlaufen und tausende Sachen anprobieren. Schrecklich. Wenn ich was brauche, will ich in den Laden rein, das Ding sehen, anprobieren, und wenn‘s passt, kaufen. Und wieder raus. Heute noch. Jagen, nicht sammeln. Bis zu meinem 40ten Lebensjahr hatte ich nur 3 Paar Schuhe im Schrank: Winterstiefel, Halbschuhe (so hießen damals bei uns die Sneaker) und Sandalen. In meiner Teenager-Zeit hab ich versucht, wie die andern Mädels zu sein. Und bin gescheitert. Dann mit 19 hab ich mich von dem Styling-Anspruch befreit. Und mir einen Kapuzen-Anorak mit Blümchen gekauft. Darin sah ich aus wie 12. Auch gut. War mehr mit Leben beschäftigt als mit gut aussehen. Bequeme Klamotten fürs Volldampf-Leben. Einfach mal auf der Straße auf den Boden setzen, wenn mir danach ist – ohne Angst ums Kostümchen zu haben. Wunderbar. Als Kind wollte ich lieber mit Sachen spielen, die sich bewegen, Action und Geräusche machen. Auf Bäume klettern. Fahrrad fahren. Mit 16 nahm mich mein älterer Cousin das erste Mal auf dem Motorrad mit. Seitdem bin ich infiziert. Aber das ist ein anderes Thema.

Oft hab ich gedacht, irgendwie ticke ich wie ein Mann. Organisieren, schaffen, Ansagen machen. Dinge aus dem Boden stampfen. Gegnern den Kampf ansagen. Pragmatisch sein. Nicht telefonieren!  Und fand es gar nicht so schlecht. Heute noch fühle ich mich beleidigt, wenn jemand bei etwas, das ich tue oder sage, „typisch Frau“ sagt. Aber ich arbeite dran. An einem liebevollen Annehmen des Frauseins. Auch wenn ich vielleicht an den typischen Mädels-Abenden nie Gefallen finden werde. Im Laufe der Jahre hab ich Ursachenforschung betrieben. Väterliche Prägung und so. Und gemerkt, dass ich mich von dieser Festlegung befreien will. Und es hinbekommen, Stück für Stück. War ein langer Weg, und ein echtes Abenteuer. Ich hab immer mehr entdeckt, dass da eine weibliche Seite in mir ist, die gelebt und befreit werden möchte. Genossen und gefeiert werden will. Zum Beispiel das Muttersein. Die ersten beiden Kinder hatte ich bekommen und versucht, sie nahtlos in mein Leben zu integrieren. Weitermachen, funktionieren, alles hinkriegen. Wie eine gut geölte Maschine. Ob mit Kind oder ohne. Als mir klar wurde, dass Muttersein eine wunderschöne Aufgabe ist, nähren, versorgen, da sein, halten, Geborgenheit geben, tragen, spüren, in aller Ruhe, ohne Leistungsdruck und wegrennen – hat es mich unglaublich geschmerzt, was ich verpasst habe. Und meinen Kindern vorenthalten habe. Ich wollte noch ein Kind, es genießen, es richtig machen. Gewünscht, getan. Alles anders gemacht bei diesem Kind. Sicher, auch da wieder Fehler. Aber das Genießen, das hat geklappt. Und dem Kind hat es gutgetan.

Was bedeutet Frausein? Ich bin immer tiefer reingegangen ins Thema und habe ganz behutsam begonnen, mir Weichheit, Zartheit, Verletzlichkeit zu erlauben. Ruhe. Bleiben. Nicht alles schaffen, nicht alles können müssen. Ja, auch Leidenschaft. Mich hingeben dürfen. Genießen dürfen. Mich, meinen Körper, das Leben feiern. Dann kam der Moment, in dem ich entschieden habe: „Alles ist erlaubt. Das, was ich fühle und brauche, darf ich leben.“ Der Anfang einer unglaublichen Befreiung. Diese Tür hab ich nie wieder zugekriegt. Zugang zu völlig neuen, unglaublichen Welten. Und das Ende meiner Ehe. Und noch mehr neue Welten. Ich hab mich auch äußerlich verwandelt. Plötzlich Spaß gefunden am hübsch machen, meinen Körper pflegen, meine Schönheit, meine Weiblichkeit strahlen lassen. Rausgehen. Tanzen. Schuhe kaufen. Obwohl, das finde ich immer noch schrecklich. Aber schöne Schuhe haben, das ist schön.

Mittlerweile feier ich beides, meine männliche und meine weibliche Seite. Ich liebe es, wie Männer ticken. Ihre Einfachheit, ihren Pragmatismus. Nicht lange rumreden und zerdenken. Einfach machen. Spaß haben, bei einer Pulle Bier, grillen mit Freunden, Fußball. Ich weiß, Klischee-Alarm. Aber das musste sein. Denn es ist viel dran, und viel Gutes dran. Und mittlerweile feier ich auch immer mehr die Frauen (sieh an, ich hab „die“ geschrieben – der Weg geht weiter). Das behutsame, empathische, versorgende. Die Umsicht und die Ruhe. Nicht Erfolg um jeden Preis, sondern schauen, dass es allen gut geht. Ja, auch Klischee. Aber was ist Schlechtes daran? Ich wünschte mir, dass wir uns gegenseitig so sein lassen könnten. Jeder individuell. Die Männer mit ihrer Männlichkeit. Und mit ihren weiblichen Anteilen. Und die Frauen mit ihrer Weiblichkeit. Und ihren männlichen Anteilen. Nicht gleichmachen wollen. Sondern die Unterschiede feiern und uns ergänzen. In vielen Bereichen bin ich wohl immer noch eher ein Mann. Vielleicht versteh ich mich deshalb mit den Jungs so gut. Oder gerade deshalb, weil ich jetzt eine Frau geworden bin. Die sich auch traut, eine zu sein. Nicht in Ohnmacht fällt, wenn ihr ein Mann die Tür aufhält oder ein Kompliment macht. Die sich traut, auch dem Mann mal was Nettes zu sagen. Der braucht das. Der hats schwer. (Ich hör euren Aufschrei, Mädels. Und es ist mir egal.) Wer weiß. Ich feier einfach das Leben. Das Männliche und das Weibliche. Das Yin und das Yang. Die Gegensätze. Und das Zusammensein.

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