Newsletter 5/23
Seid gegrüßt, meine Freunde der Schrecklichkeiten,
die Stunde des neuen Newsletters hat erneut geschlagen!
Hier erwarten euch wie üblich ein Monatsrückblick samt einer Zusammenfassung des Contents, der seit dem letzten Newsletter gepostet wurde, allerlei Neuigkeiten sowie exklusive Inhalte, die es nur im Newsletter gibt! Diesmal begeben wir uns am Ende des Newsletters tief in die Psychen der Figuren aus Verfall und betrachten sie aus dem Blickwinkel einer Psychologin. Wer von ihnen ist wirklich "psychisch krank" und wer bedient sich "nur" problematischer Bewältigungsstrategien? Und wer ist die resilienteste Figur der Reihe? Alles am Ende des Newsletters.
Noch mehr exklusiven Content gibt es seit gestern nun auch neben dem Newsletter. Ab jetzt könnt ihr direkt bei Steady Pakete buchen, um weitere exklusive Einblicke in meine Projekte zu erhalten und mich zu unterstützen. Gleich auf meiner Steady-Seite könnt ihr einen Blick auf die Angebote werfen, die ab 3 Euro monatlich erhältlich sind (Opens in a new window). Bei der Buchung erwarten euch Leseproben von geplanten Veröffentlichungen und Hintergrundinformationen zur Entstehung der Bücher. Wer das große Paket bucht, sichert sich eine Goodie-Box mit signiertem Buch zu jeder neuen Veröffentlichung. Geil oder geil?! Und Extralose bei den Quartalsverlosungen unter den Newsletter-Abonnenten gibt es auch noch. Zuletzt gab es eine Merch-Tasse zu gewinnen.
Jetzt aber langsam und chronologisch ...
Seit Ende Juli sind Merch-Tassen erhältlich und das in zahlreichen Designs, bei denen ich mich selbst übertroffen zu haben glaube:
Auf dem Bild aus der Insta-Story sind nicht alle erhältlichen Designs abgebildet. Mehr findet ihr in den Highlights bei Instagram (Opens in a new window), oder auf Nachfrage bei Facebook (Opens in a new window)oder per E-Mail an aprilnierose@gmail.com (Opens in a new window). Gleiches gilt auch für Merchandise aus Epoxidharz, von dem aktuell noch einiges bei Instagram in den Highlights einsehbar ist. Auch dort gibt es neue Designs, denn im August war ich, was das Gießen angeht, sehr aktiv. Die nächsten Goodies aus Epoxidharz entstehen voraussichtlich Ende des Jahres.
Aber zurück zu den Tassen - Dieses Design erweist sich bisher als der ultimative Bestseller und ist gerade vergriffen, aber kann jederzeit nachbestellt werden. Eine davon habe ich mir selbst auch gegönnt.
Das Beste an einem Monatsanfang ist die Wahl des Monatsfails. In diesem Newsletter erwarten euch sogar ganze zwei, die für August und für September, für die in den Instagram-Storys abgestimmt werden kann.
Also los gehts!
Kennt ihr noch diese Bettwäsche mit Abbildungen der liebsten Stars, die sich in meiner Jugend noch riesiger Beliebtheit erfreuten (heute auch noch?) - glattgebügelt, wunderhübsch; verknittert, ein Horrorfilm würdiger Anblick? Etwa das lässt sich bei dem Fail aus Verfall 5 "Sie druckte sie aufs Bett" vermuten. Ist Leonie ein so großer Fan von Celine, dass sie sich in ihr Antlitz kuscheln würde? Eher nicht. In Wahrheit handelt es sich um eine Szene am Ende des Buchs, in der Leonie Celine auf das Bett drückt - eine Taste weniger, ein ganz anderes Wort und Platz 3 mit 13% der Stimmen.
Etwas Ähnliches geschah beim Fail "Sie schaut versohlen zu mir hoch" aus Unerreichbar, den 29% der Community zum zweitlustigsten Fail von August wählten. Hier fehlte lediglich ein t.
Der mit 58% zum Sieger gewählte Fail lautet "lebende Überreste" und nein, da schrieb ich nicht von einer im Kühlschrank vergessenen Tupperdose, die beschlossen hat, Beine zu machen oder Jörgs Wohnung. Ich hatte einfach einen Nierosiesken Brainbug. Dabei vertausche ich, wenn ich sehr konzentriert tippe, schon mal was. Meistens merke ich auch, dass das, was ich da schreibe, nicht richtig sein kann, aber nachdenken oder googeln ist bei voller Konzentration auf die Handlung nicht. Erst muss das Grundgerüst stehen, korrigieren kann man später. Und so kam es dazu, dass in Verfall 5 etwas von lebenden, statt sterblichen Überresten geschrieben wurde.
Diesmal gab es einen eindeutigen Gewinner, während sich zwei Fails mit gleicher Anzahl der Stimmen den zweiten Platz teilen:
"Mira schleckte sich die Lippen" erhielt 14% der Stimmen. Keine Ahnung, was mir da durch den Kopf ging - Schlecker, der frühere Drogeriemarkt vielleicht? Jedenfalls gelang es mir damit, eine sehr wichtige und ernste Szene in Verfall 5 gänzlich unlesbar ohne Kichern zu machen. Für mich: für immer.
14% gehen auch an den Fail "durch Mitwissenschaft deckte sie ihn", der ebenfalls im 5. Verfall-Band fiel. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Theorie zur Auflösung lautet, Hanna, David und Marylin seien Konstantins Samen entsprungene Sprosse durch ein genetisches Experiment zur Züchtung des perfekten Menschen, macht das Wissenschaftliche sogar Sinn. Offenbar so viel, dass dieser Fail Word und meinem eigenen wachsamen Auge entwischt ist, bis er beim Lektorat eliminiert wurde.
Mit 72% gewann der Fail " ein Teich voller Nackttierchen". In diesem Kapitel befinden wir uns in der Eifel, wo von den Wissenschaftlern kürzlich eine neue Spezies entdeckt wurde... Nein, nicht ganz. Wir alle werden das kennen: Man weiß, was man meint, aber das richtige Wort fällt einem einfach nicht ein. Wie bereits im letzten Fail erwähnt, schreibe ich, um ja nicht aus dem Schreibfluss zu kommen, schon mal einfach irgendwas hin, von dem ich selbst weiß, was gemeint ist. In diesem Falle wollte mir nicht einfallen, wie diese Teichtierchen hießen: Molche! In meinem Kopf hatte sich das aber mit Nacktmullen verkoppelt, obwohl ich ja weiß, dass es ganz andere Tiere sind. Bei "Nackt-" wiederum war ich mir aber sehr sicher und um dann den Überarbeitungsflow nicht zu stören, ließ ich es so stehen - bis auf den letzten Drücker, nämlich kurz vor dem Versand an die erste Testleserin. Also, Leute, willkommen in der Eifel - da ist der Gemüsegarten, da hinten eine Trauerweide, unter der David über sein Leben nachdenkt und ganz rechts, da ist der Teich mit unseren schrulligen Nackttierchen, etwas schlüpfrig im Kontakt, aber ausgesprochen zutraulich.
Du willst nicht bis zum Newsletter warten, um die Auflösung der Monatsfails zu sehen? Das musst du auch nicht, denn vorläufig teile ich sie bei Facebook (Opens in a new window). Facebook wurde von mir bisher überhaupt nicht genutzt. Das hat sich seit Anfang August geändert. Inzwischen könnt ihr auch dort up to date bleiben. Am meisten bekommt ihr aber weiterhin in den Instagram-Storys mit.
Noch ein bisschen was Lustiges aus der Fail-Fraktion? Ja, okay ...
Und wer mir längere Voicemails schickt, kann schon mal damit rechnen, dass ich beim Abhören so etwas produziere:
Wer bei Instagram dabei ist, hat mitbekommen, dass ich aktuell an einem neuen Projekt schreibe, über das ich möglichst wenig verraten möchte, solange es in groben Zügen noch nicht abgeschlossen ist. Der aktuelle Stand beträgt inhaltlich etwa einen Drittel (116 von geplanten 300-400 Seiten), es geht also gut voran. Zum Thema des "drauf Losschreibens" und Plottens habe ich euch einen alten Beitrag aus 2019 (Opens in a new window)ausgegraben. Mal sehen, wie ich ihn rückblickend betrachten werde, wenn das Projekt beendet ist :D
Natürlich wird Verfall dabei auch nicht vernachlässigt. Mir kribbelt es richtig in den Fingern, mit Band 6 fortzufahren, aber gerade so kurz nach der Veröffentlichung vom 5. Band brauche ich noch ein kleines Päusle, um meine ganzen Pläne für die Reihe zu sortieren und etwas ganz Neues zu machen, macht gerade einfach viel zu viel Spaß.
Abgesehen davon möchte ich euch das Verfall-Aufreger-Diagramm aus dem Jahre 2020 (Opens in a new window) zurück ins Gedächtnis rufen, damit ihr bis zum nächsten Band all eure Nerven und Stressbälle zusammennehmen könnt :D
Derweil haben die Wüstlinge zwischenzeitlich den Account übernommen und Theorien zu Davids Verschwinden aufgeführt (Opens in a new window), die aus Katzensicht mehr als plausibel sind. Seht selbst!
Was sich aus dem Instagram-Content zum neuen Projekt schon mal herauslesen lässt: Ich nenne es vorläufig "O. W.", wobei eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass ich den Titel, der sich dahinter verbirgt, behalte. Ich bat dafür um Horrorgeschichten über die schlimmsten Nachbarn, was Raum für einige Spekulationen liefert. Dazu bat ich noch um hübsche Inspo für Locations im Harz. Damit steht ja sogar schon der Ort, wo die Geschichte spielt, fest, also behauptet nicht, ich hätte euch nichts verraten!
UND, ebenfalls für das Manuskript, bat ich euch darum, mir zu erzählen, wo für euch eine Freundschaft beginnt und was sie ausmacht (Opens in a new window). Spekuliert, Leute, spekuliert!
Bezugnehmend auf die Frage, womit ich nach Verfall 5 weitermachen soll, startete ich tatsächlich eine Umfrage, um mir einen Überblick darüber zu verschaffen, was die Community interessiert: Nur 4% meinten, sie wollten eine Kurzgeschichte von mir lesen. Kein Wunder, schließlich hat man von den ganzen anderen Optionen wesentlich mehr. Doch was mich überraschte war, dass nur 29 % für Verfall - Band 6 gestimmt haben. 31% waren neugieriger auf ein Werk aus dem Horror-Genre und 36% stimmten für einen Krimi. Alles davon ist in Planung. Die Frage ist nur: Was kommt zuerst? Jedenfalls zeigen mir die Ergebnissse, dass das Vordringen in andere Genres gern gesehen ist und das freut mich sehr. Zwar werde ich wohl nie Ambitionen hegen, etwas zu schreiben, wo niemand qualvoll stirbt, aber das ist ja bekanntlich in vielen Genres möglich :O
Fest steht, das neue Projekt raubt mir aber auch einiges an Energie und macht mein Hirn latent matschig.
Über das Schreiben selbst, nämlich realistische Erwartungen an Autor*innen ging es auch im August im Feed (Opens in a new window), denn viele von uns machen sich ordentlich Druck, weil sie glauben, dass viele andere weniger chaotisch durch ihre Veröffentlichungen kommen. Ich meinerseits bin immer wieder frustriert, dass ich es nicht mehr schaffe, zwei Bücher im Jahr zu veröffentlichen. Das ist neben Job auch keine leichte Sache, aber umso mehr hoffe ich, dass sich die Lage in nächster Zeit entspannt und ich schon bald wieder aktiver sein kann.
Contenttechnisch ging natürlich nichts ohne nachdenkliche Beiträge, so wie diesen hier über den Unterschied zwischen Mögen und Lieben (Opens in a new window).
In 2019 wiederum ging es um das Thema "Liebe auf den ersten Blick" (Opens in a new window)- ein damaliges Wunschthema.
Extraversion als Superkraft, die einem grundsätzlich das Leben erleichtert? (Opens in a new window) So wird sie zumindest oftmals gehandelt. Das sehe ich als Extrovertin deutlich differenzierter, dazu ein Beitrag:
Wusstet ihr, dass es von jedem von uns da draußen einen Doppelgänger geben soll - einen Menschen, der genau so aussieht, wie man selbst? Ich habe angeblich eine Doppelgängerin, der ich selbst nie begegnet bin, die jedoch in meiner Nähe wohnte. Mehr dazu im Beitrag (Opens in a new window).
Die Seiten, die von Autor*innen wohl am häufigsten frequentiert werden, sind die mit Kindernamen. Schließlich müssen wir uns Inspirationen für die Namen unserer Buchfiguren einholen. Aber wie sieht es mit dem eigenen Namen aus? Kann man sich damit identifizieren? Hätte man lieber einen anderen und zu welchen Pannen führte bisher mein Pseudonym? Alles dazu im Beitrag (Opens in a new window).
Södele, das war mein Zeitraum von Ende Juli bis heute. Er war recht vollgepackt, stressig, aber auch wahnsinnig produktiv. So bleibt es zu hoffen, dass ich dieses Pensum bis zum nächsten Mal halten kann, um euch mit konkreteren News zu füttern.
Bitte vergesst nicht, mir zu schreiben, was ihr euch für den nächsten Newsletter an exklusivem Content wünscht. In diesem Sinne - bis dann und bis bald, lasst euch über Halloween nicht von Gruseln wegschnappen und lest schön meine Bücher!
Hier kommt der exklusive Content für euch, aber Vorsicht - die Ausführungen enthalten Spoiler zur Verfall-Reihe, auch wenn ich versucht habe, mich sehr vage zu halten. Wenn du Verfall 5 noch nicht gelesen hast, wäre es vielleicht eine gute Idee, diesen Newsletter für später aufzuheben.
Zudem sei darauf verwiesen, dass ggf. psychische Erkrankungen thematisiert werden, weshalb hierfür eine Trigger-Warnung ausgesprochen wird.
Verfall-Figuren aus der Perspektive einer Psychologin
Ich weiß noch, wie ich staunte, als es in Rezensionen hieß „Man merkt sofort, dass das Buch von einer Psychologin geschrieben wurde“, denn das stimmt eben nicht ganz. Ich schrieb die ersten beiden Verfall-Bände mit 17-18 Jahren. Da war ich noch Schülerin. Ja, ich wollte Psychologie studieren, aber hatte von Psychologie noch keine Ahnung. Als ich mit 27 begann, die Verfall-Reihe zu veröffentlichen, hatte ich Psychologie zwar bereits studiert, doch bei der Überarbeitung der Manuskripte wurde nicht gerade viel geändert. Eigentlich hauptsächlich nur rigoros gekürzt, denn kurzfassen war damals noch weniger meine Stärke als heute^^ Das heißt: In die ersten Bücher ist kein explizites Wissen aus dem Studium und Berufsleben eingeflossen. Entgegen manchen Spekulationen muss ich auch klarstellen, dass auch heute nichts aus dem Berufsleben in die Bücher einfließt, denn ich unterliege der Schweigepflicht und hielte es für absolut respektlos, die realen Geschichten von Proband*innen ohne ihr Wissen zu verwenden. Eine Information, die mich vermutlich noch gruseliger macht, denn das heißt ja, dass ich auf alles, was ich schreibe, selbst kommen muss :D
Fangen wir mit meinem absoluten Liebling der Reihe an: Hanna. Zumindest in Verfall 1 ist sie ganz schön fies, wenngleich dies stark davon abhängt, mit wem sie gerade interagiert. Bestimmte Verhaltensweisen lassen sie schnell an die Decke gehen, so wie im ersten Kapitel mit Sonja; sie lässt sich schnell provozieren. Ihre Impulsivität zeigt sich auch in friedlichen Situationen. So schläft sie plötzlich mit David nach seiner Rückkehr, obwohl sie das eigentlich für keine gute Idee hält.
Hanna ist bewusst konzipiert als eine Figur mit schwierigen Temperamentsmerkmalen. Ihre Impulsivität und auch die kurze Zündschnur sind Charakter, an dem sich psychotherapeutisch nur schwer etwas machen ließe, aber der Umgang damit und die Lebensbedingungen sind sehr wohl variabel. Ändert sich die Situation und wird sie Menschen ausgesetzt, die sie mag, ändert sich ihr Verhalten. Zu Beginn von Verfall befindet sie sich in einer selbstzerstörerischen Abwärtsspirale, wie es im Klappentext heißt. Sie hat Davids Verschwinden nicht verarbeitet. Hier kann man recht klar von einer depressiven Symptomatik sprechen.
Werfen wir mal einen genauen Blick drauf, was das ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, alias die Psychologen-Bibel) dazu sagt:
Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung – trifft absolut zu – und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität – trifft ebenfalls absolut zu (Symptom Nr. 1). Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert – Konzentration ist unklar, aber Freude und Interesse, definitiv (Symptom 2). Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert – Müdigkeit und Schlaf treffen nicht zu, aber Appetitlosigkeit ist ein Thema (Symptom 3). Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt – Das wäre bei Hanna fraglich, denn einerseits gibt sie sich sehr selbstbewusst, andererseits nutzt sie dies, um sich von anderen abzugrenzen. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände (ggf. reagiert die Symptomatik auf Lebensumstände) und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit (innere Anspannung), Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeichnen.
Bei einer mittelgradigen depressiven Episode: Gewöhnlich sind vier oder mehr der oben angegebenen Symptome vorhanden, und der betroffene Patient hat meist große Schwierigkeiten, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen.
Da die Alltagsgestaltung bei ihr überhaupt nicht funktioniert, würde ich von einer mittelgradigen depressiven Episode ausgehen.
Ein Thema, das man immer wieder in der Community mit mir diskutiert hat, war Alkoholismus. Nach ICD-10 sind Anzeichen von Alkoholabhängigkeit: Craving (starker Wunsch oder gar Zwang, Alkohol zu konsumieren), Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, gedankliche Fokussierung auf Alkohol & Konsumfortführung trotz negativer Folgen.
In Band 2 trinkt Hanna schon recht wenig. Verlangen ist kein Thema. In Verfall 4 trinkt sie überhaupt nicht mehr und hatte keine Probleme, den Konsum einzustellen. Demnach war ihr Alkoholkonsum zweifelsohne bedenklich, aber nicht jede Person, die regelmäßig und/oder viel trinkt, leidet unter Alkoholabhängigkeit. Suchtentwicklung ist individuell. Ich scheine beispielsweise immun dagegen zu sein, eine Nikotinsucht zu entwickeln. Ich kann rauchen, so viel ich will, und dann einfach von heute auf morgen aufhören. Mache ich seit meiner Jugend so; es gab da nie Probleme. Konsum in bedenklichem Ausmaß ist eben nicht gleich Sucht – aber hinter unbedenklich wirkendem Konsum kann eine Sucht stecken.
Recht klar kann man sagen, dass Hanna an einer PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) leidet. ICD-10 sagt: Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde […] Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung ("Daueraufmerksamkeit"), einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert […]"
Als traumatisch kann die Situation mit Dominik in Band 3 und der Moment, in dem David beinahe gestorben wäre, gesehen werden. Hanna geht recht bagatellisierend in einem Gespräch mit Mira darüber hinweg (grillen sei nun problematisch, da die Leichen von Davids Eltern in dem Auto nach der Explosion verbrannt sind). Auch Davids Verschwinden ist als potenziell traumatisierend anzusehen.
Ich denke, wir können uns also einig darüber sein, dass Hanna aus Verfall einiges aufzuarbeiten hätte, nicht nur im psychopathologischen Bereich, sondern auch im Bereich des Konfliktmanagements. Es sollte aber eben nicht alles, was an ihr „ungewöhnlich“ ist, als pathologisch gedeutet werden . Die Kombination aus den psychischen Belastungen und ihren Temperamentsmerkmalen sowie ungünstigen Bewältigungsstrategien sorgen dafür, dass sie in Verfall – Band 1 ist, wie sie ist und es Leser*innen schwerfällt, das Gute in ihr zu sehen.
Leonie ist die Figur, über deren Psyche ich mir wohl die meisten Gedanken gemacht habe, denn so richtig klar sagen, was sie hat, lässt sich nicht. Der Grund dafür ist zum einen Leonies Alter. Sie ist in Verfall 1 noch ein Teenager (14) und auch in der Gegenwartssequenz sehr jung (16). Es ist ein vulnerables Alter. Was die Pubertät allein schon dem Körper abverlangt, ist heftig und sollte keineswegs runtergespielt werden.
Der Ausgangspunkt von Leonies Problemen ist ihre Vulnerabilität. Anders gesagt: Sie hat nur sehr wenige Ressourcen, um psychischen Belastungen standzuhalten. Bereits vor den Ereignissen, die Stacheldraht zu meinem Markenzeichen erklärten, geht es ihr psychisch sehr schlecht und das ist kein Wunder: Ihre Eltern werten sie ab, sie hat bis auf David und Hanna keine Bezugspersonen, die sich auch nicht bewusst für sie „entschieden“ haben, sondern „einfach da sind“ – David ist eben ihr Bruder und Hanna seine Freundin. Die Kapitel in Verfall 4, in denen man Leonies Eltern kennenlernt, waren für mich wichtig, um zu zeigen, unter welchen Bedingungen Leonie und David aufgewachsen sind. Nur ist David eben der Goldjunge, dem alles auf Anhieb gelingt. Er mag unter Druck stehen, doch es gelingt ihm, die Erwartungen seiner Eltern zu erfüllen. Leonie geht neben ihm völlig unter. Sie kann den Schönheitsidealen ihrer Mutter nicht entsprechen, bzw. bekommt familiär und gesellschaftlich vermittelt, dass sie nur, wenn sie dünn ist, etwas wert sei. Zwar wird Leonie (hauptsächlich durch Hanna, nicht David!) in ihren Kompetenzen gestärkt, aber das fruchtet nicht, da Leonie sich ständig mit Hanna vergleicht. Leonies Verletzlichkeit macht sie gleichzeitig anfällig für Leute wie Dominik, die ihre Unsicherheit für ihre Zwecke ausnutzen. Insgesamt kann man also auch bei Leonie von einer mittelgradigen bis schweren Depression sprechen, auch selbstverletzendes Verhalten und Suizidgedanken sind gegeben.
Ob die Fixierung auf David als Symptom der Depression gedeutet werden kann, habe ich für mich selbst offen gelassen. Einerseits ist er nun mal das einzige Familienmitglied, das ihr wohlgesonnen ist, andererseits neigt sie dazu, Menschen zu idealisieren (insbes. Hanna und David). Entsprechend ist es klar, dass sie dem einzigen Familienmitglied, das für sie einsteht, ein Podest baut und dabei Zuneigung mit sexueller Anziehung „verwechselt“ (ein Phänomen, von dem Hanna in Verfall 5 in Bezug auf andere Personen spricht). Inzest selbst ist keine Diagnose im Rahmen des ICD-10 oder DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Kategoriensystem wie ICD, mit dem mehr im englischsprachigen Raum gearbeitet wird). Es kann höchstens als sexuelle Obsession auftreten, aber sexuelle Anziehung hin oder her – ob Leonie von dem Gedanken mit ihrem Bruder insoweit besessen ist, dass sie das im Alltag einschränkt, ist fraglich. Auch hat sie keine Angst davor, dass etwas zwischen ihnen passiert – sie will es.
Recht eindeutig leidet Leonie unter einer Essstörung. ICD-10 sagt dazu: Die Anorexia ist durch einen absichtlich selbst herbeigeführten oder aufrechterhaltenen Gewichtsverlust charakterisiert […] Die Krankheit ist mit einer spezifischen Psychopathologie verbunden, wobei die Angst vor einem dicken Körper und einer schlaffen Körperform als eine tiefverwurzelte überwertige Idee besteht und die Betroffenen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst festlegen. Es liegt meist Unterernährung unterschiedlichen Schweregrades vor […]. Zu den Symptomen gehören eingeschränkte Nahrungsauswahl, übertriebene körperliche Aktivitäten, selbstinduziertes Erbrechen und Abführen und der Gebrauch von Appetitzüglern und Diuretika (entwässernde Medikamente).“
Während bei Leonie jedoch eine Diagnose in den Büchern selbst nicht klar gestellt wird und die Symptomatik in späteren Bänden nicht mehr auftritt (in Verfall 5 wird von Symptomen gesprochen; David hat Sorge, dass sie durch den Kontakt zu Celine in eine dauerhaft ausgeprägte Symptomatik abrutscht; Leonie selbst gibt an, die Symptomatik überwunden und ihr Aussehen akzeptiert zu haben), ist die Erkrankung bei Celine diagnostiziert. Sie hat einige Klinikaufenthalte hinter sich.
Es wurde mal diskutiert, ob Celine an einer Persönlichkeitsstörung leidet. Das ist gar nicht so leicht zu beurteilen. Das aufgedrehte Verhalten Hanna gegenüber wurde bewusst eingesetzt, um sie zu provozieren. Später gibt sich Celine reflektiert und berechnend, neigt jedoch zu starker Selbstüberschätzung. In Verfall 5 zeigt sich auch, dass sie ihre Mitmenschen mit Behauptungen über ihre Grandiosität blendet, die bei genauem Hinsehen haltlos sind. Celines Mutter verlangte von ihr Perfektion; Celine ist eine Performerin, die alles daransetzt, als jemand Großartiges gesehen zu werden. Dafür riskiert sie viel und ist bereit, über Leichen zu gehen. Insgesamt fallen bei Celine einige narzisstische Persönlichkeitszüge auf. Ob von einer Persönlichkeitsstörung die Rede sein kann, ist aber aufgrund ihrer noch geringen „Sendezeit“ in der Reihe nicht klar. Klar ist aber – Celine ist eine Figur, die noch sehr spannend für die Reihe werden kann.
Spreche ich mit der Community über Marylin, sprechen wir recht schnell über Resilienz. Resilienz wird oft übersetzt mit „Widerstandsfähigkeit“. Resilienten Menschen gelingt es besser, schwierige Lebenssituationen wie Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen. Was Marylin alles erlebt hat, ist der blanke Horror. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass es etwas mit ihr gemacht hat und sie letztlich Hannas Antagonistin in Verfall sein wird.
Was Marylin in der Gegenwart macht, ist noch ungewiss, aber in der Vergangenheit gelingt es ihr trotz all dem Erlebten ein normales Leben zu führen und vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Ist das in der Realität wahrscheinlich? – Bei alldem, was ihr widerfahren ist, eher nicht, doch es ist allemal möglich.
Marylin verfügt nun mal über zahlreiche Ressourcen und sie hatte Glück: Die ersten Personen, denen sie nach ihrer Tante begegnet (Jörgs spätere Tat ausgenommen) erlauben es ihr, gute Erfahrungen zu machen. Die Beziehungen zu professionellen Fachkräften werden nur in wenigen Sätzen erwähnt, aber sie waren positiv. Der Lerneffekt ist, dass man Hilfe bekommt, wenn man sie braucht und es sinnvoll und wirksam ist, sie anzunehmen. Entsprechend ist Marylin während ihrer Schwangerschaft nicht besorgt wegen des Helfersystems, obwohl klar ist, dass man bei ihr aufgrund der erlebten Belastungen genauer hinsehen wird. Die Freundschaft zu Jurij ist hierbei sehr prägend – sie weiß, dass sie sich auf ihn verlassen kann. Sie überträgt die gemachten Erfahrungen nicht auf alle Menschen, die ihr begegnen. So kann sie trotz der Vorgeschichte mit Jörg Marc eine Chance geben. Zusammenfassend verfügt Marylin über vorbildliche Coping-Strategien: Sie übernimmt Verantwortung für ihr Handeln, lädt keine Verantwortung auf sich, wo sie keine hatte, und nimmt ihre Lebensbedingungen als kontrollierbar wahr. Dabei spricht man von einer internalen Kontrollüberzeugung, die mit psychischem Wohlbefinden assoziiert ist. Hatte ich von so was eine Ahnung, als ich Verfall schrieb? – Nö, aber offenbar hatte ich im Gefühl, dass genau so zu sein wie Marylin, hilft, um auf dieser Welt zurechtzukommen.
Marylin zeigt eine größere Resilienz als Hanna. Was man erst in späteren Bänden erfahren wird, ist, dass Hanna keine positiven Erfahrungen mit dem System gemacht hat. David ist ihre erste richtige Bezugsperson. Im Gegensatz zu Marylin ist Hanna daher auch gehemmt, sich Hilfe zu suchen, bzw. käme gar nicht auf diese Idee. Der Kontrast zwischen beiden ist, zumindest in meiner heutigen Vorstellung als Psychologin, ein Sinnbild dafür, welche Auswirkungen das Versagen der professionellen Fachkräfte auf die Resilienz, bzw. das Vertrauen in die guten Absichten der Menschen einer Person haben kann. Marylin ist also ganz und gar nicht das Wunderwerk von Resilienz, sondern konnte sich aufgrund ihrer Lebensbedingungen, wenngleich der Fokus in den Büchern auf den Tragödien liegt, so entwickeln, wie weder Hanna oder Leonie es gekonnt hätten.
Das war’s erstmal mit der Psychopathologie meiner Figuren. Über wen hättest du noch gern etwas gelesen? Lass es mich per E-Mail oder bei Instagram wissen.
Und jetzt noch ein niedliches Katzenfoto zum Abschied, damit hier niemand von den Inhalten des exklusiven Contents runtergezogen wird <3
Bis dann und lasst es euch gutgehen!
Eure April