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ARFID: Wenn Kinder Essen verweigern – Was Eltern über restriktive Essstörungen wissen müssen

Essensverweigerung ist mehr als nur "wählerisch sein" – Eine neue Studie mit 600 Kindern zeigt alarmierende Zusammenhänge mit ADHS, Autismus und Angststörungen

Wenn Kinder nur wenige Lebensmittel akzeptieren, Mahlzeiten verweigern oder extreme Angst vor bestimmten Nahrungsmitteln zeigen, steckt oft mehr dahinter als bloße „Wählerischkeit“. Die vermeidende/restriktive Essstörung (ARFID) ist eine ernstzunehmende Diagnose, die gravierende Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit hat. Eine aktuelle schwedische Studie mit 600 Kindern zeigt nun erstmals in großem Maßstab, wie eng ARFID mit Entwicklungsstörungen wie ADHS und Autismus verknüpft ist – und warum Eltern dringend handeln sollten.

Was ist ARFID?

Die Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder (ARFID) ist eine Essstörung, die durch eine extrem eingeschränkte Nahrungsaufnahme gekennzeichnet ist. Anders als bei Magersucht oder Bulimie spielen hierbei keine Sorgen um das Körpergewicht oder das eigene Aussehen eine Rolle. Stattdessen kann die Ablehnung von Nahrung auf sensorische Empfindlichkeiten, Ängste vor Erstickung oder Würgen oder eine mangelnde Lust auf Essen zurückzuführen sein. ARFID kann zu Mangelernährung, Wachstumsstörungen, sozialer Isolation und schwerwiegenden psychischen Belastungen führen.

Laut aktuellen Schätzungen sind 1-2 % aller Kinder und Erwachsenen betroffen – eine Prävalenz, die mit Autismus oder Anorexie vergleichbar ist. Doch weil die Symptome oft als „harmloses Picky Eating“ abgetan werden, erhalten viele betroffene Kinder keine angemessene Diagnose oder Behandlung.

Die neue Studie: 600 Kinder mit ARFID unter der Lupe

Forscher der Karolinska-Universität in Stockholm untersuchten die neuropsychologischen Profile von 600 Kindern mit ARFID und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe. Dabei wurde überprüft, wie häufig neurodevelopmentale Störungen (z. B. ADHS, Autismus, Angststörungen, Zwangsstörungen und Tics) in der ARFID-Gruppe vorkamen.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie:

Autismus ist 14-mal häufiger bei Kindern mit ARFID (12,1 % vs. 0,9 % in der Vergleichsgruppe)
ADHS kommt 9-mal häufiger vor (16,9 % vs. 1,9 %)
Oppositionelle Verhaltensstörung (ODD) ist 6,8-mal häufiger (19,4 % vs. 3,2 %)
Angststörungen betreffen 31 % der Kinder mit ARFID, verglichen mit nur 10 % in der Kontrollgruppe
Zwangsstörungen (OCD) sind bei 11 % der ARFID-Kinder vorhanden, während es in der Kontrollgruppe nur 2 % sind
Tic-Störungen treten 4,5-mal häufiger auf (14,8 % vs. 3,4 %)

Besonders auffällig: Mehr als die Hälfte (57,4 %) der Kinder mit ARFID hatten mindestens eine weitere diagnostizierbare psychiatrische oder neurodevelopmentale Störung.

Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass ARFID kein isoliertes Problem ist, sondern häufig mit anderen psychischen oder neurologischen Erkrankungen zusammenhängt.

Was bedeutet das für Eltern?

Viele Eltern kennen das Problem: Ihr Kind lehnt Gemüse ab, isst nur Nudeln oder besteht auf bestimmte Markenprodukte. Doch ARFID geht weit darüber hinaus. Kinder mit dieser Störung haben keine Kontrolle über ihr Essverhalten – es handelt sich nicht um „Sturheit“ oder eine Phase, sondern um eine ernsthafte Erkrankung, die ärztliche und therapeutische Hilfe benötigt.

Anzeichen, dass es ARFID sein könnte:

🔹 Ihr Kind isst nur extrem begrenzte Lebensmittel und verweigert alles Neue
🔹 Es zeigt extreme Abneigung gegen bestimmte Geschmäcker, Texturen oder Gerüche
🔹 Es hat Angst, sich an Essen zu verschlucken oder zu ersticken
🔹 Gewichtsverlust, Mangelerscheinungen oder Wachstumsprobleme treten auf
🔹 Essen wird zu einem sozialen oder familiären Stressfaktor

Falls mehrere dieser Punkte auf Ihr Kind zutreffen, sollten Sie nicht zögern, eine spezialisierte Essstörungsklinik oder einen erfahrenen Therapeuten aufzusuchen. Die Studie unterstreicht, dass frühzeitige Intervention entscheidend ist, um schwere gesundheitliche Folgen zu vermeiden.

Wie kann ARFID behandelt werden?

Da ARFID oft mit neurodivergenten Eigenschaften (ADHS, Autismus, Angststörungen) verknüpft ist, braucht es eine multidisziplinäre Behandlung. Dies kann beinhalten:

Verhaltenstherapie: Methoden wie Expositionstherapie oder kognitive Verhaltenstherapie helfen, Ängste vor bestimmten Lebensmitteln abzubauen
Ernährungsberatung: Fachkräfte können Strategien zur Nährstoffversorgung entwickeln
Sensorische Therapie: Besonders bei Kindern mit Autismus können sensorische Desensibilisierungstechniken helfen
Medikamentöse Unterstützung: In manchen Fällen kann die Behandlung von ADHS oder Angststörungen helfen, ARFID-Symptome zu reduzieren

Das Wichtigste: ARFID ist behandelbar! Je früher Eltern das Problem erkennen und gezielt Unterstützung suchen, desto besser sind die Prognosen für ihr Kind.

Fazit: Eltern müssen handeln – und Kliniken sollten ARFID ernst nehmen

Diese großangelegte Studie zeigt, dass ARFID kein Einzelfall und kein harmloses Phänomen ist. Kinder mit dieser Störung haben ein erhöhtes Risiko für psychische und neurologische Erkrankungen, die unbehandelt langfristige Auswirkungen haben können.

Wenn Eltern vermuten, dass ihr Kind mehr als nur „wählerisch“ isst, sollten sie aktiv werden und spezialisierte Anlaufstellen aufsuchen. Gleichzeitig müssen Kliniken für Essstörungen und Therapeuten ARFID stärker in den Fokus nehmen, um betroffenen Familien die notwendige Unterstützung zu bieten.

🔹 Teilen Sie diesen Artikel mit Eltern, Lehrern oder Ärzten, um das Bewusstsein für ARFID zu schärfen! 🔹

Quelle der Studie:

Nyholmer, M., Wronski, M.-L., Hog, L., Kuja-Halkola, R., Lichtenstein, P., Lundström, S., Larsson, H., Taylor, M. J., Bulik, C. M., & Dinkler, L. (2025). Neurodevelopmental and psychiatric conditions in 600 Swedish children with the avoidant/restrictive food intake disorder phenotype. Journal of Child Psychology and Psychiatry. DOI: 10.1111/jcpp.14134 (Opens in a new window)

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