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Der erste Fischmarkt 2021

Ich — Verschlafen. Fischmarkt — verschoben. Aber zum Glück nicht das Datum, sondern nur den Standort. Ein wenig.

Seit über 500 Jahren fand der Hamburger Fischmarkt jeden Sonntag statt. Mal größer, Mal kleiner. Letztes Jahr im Frühling war dann erstmal Schluss mit Laut und Lustig. Mit Kickern, Tanzen, die Nacht durchmachen und dann einem Kaffee und einem Fischbrötchen auf dem Fischmarkt … Keine Marktschreier, die mich an meine Heimat in Südkasachstan erinnern und keine Lautsprecherdurchsagen wie zu Sowjetunionszeiten.

Heute bin ich aus dem Bett gefallen mit dem Gedanken „Fischmarkt verschlafen!“. Erst die Enttäuschung, dass unter den Fenstern nicht das ersehnte Treiben der Leute und die gewohnten Buden stehen. Dann doch die Durchsage, pünktlich um 9:30 Uhr, dass der Markt jetzt schließt. Also schnell raus, noch vor dem ersten Kaffee! Irgendwo muss doch irgendwas sein ...

Der erste Fischmarkt 2021 fand ganz oben, Richtung Landungsbrücken statt. Total ungewohnt die Stelle, denn normalerweise parkten dort immer die Wohnwagen mit Stadtbesucher:innen, die fürs Wochenende nach Hamburg kamen. Und der traditionelle Markt stand um die Fischauktionshalle herum.

Der weitläufige Platz wurde wohl aus strategischen Gründen gewählt, man kann hier gut Abstand halten. Aber keine besonder schöne Kulisse zum Zeichnen. Ich frage mich, warum ich so heiss darauf war, den Fischmarkt zu erleben.

Vor dem Zugang Schilder mit dem Hinweis zu Hygienemaßnahmen und Sicherheitsleute, die darauf achten, dass man nur mit Maske rauf geht. Noch davor sitzt Anton und spielt Libertango von Piazzolla auf seinem Akkordeon. Das erste positive Zeichen für mich. Die Stimmung ist sowas von garnicht … Keine Marktschreier, aber bekannte Buden und Verkäufer. Bin noch nicht ganz wach …

Ich schlendere durch, mir ist so gar nicht nach Fischbrötchen oder Kaffe, aber ich bin ja auch nicht verkatert. Wenig Besucher, aber vielleicht bin ich auch einfach zu spät. Nach ein Paar Hundert Metern ist Schluss. Ich gehe zurück und zeichne Anton mit seinem Akkordeon. Als ich ihm die Zeichnung zeige ist er sichtlich enttäuscht, aber freundlich. Ich kenne ihn vom Sehen und Hören. Er saß immer unter der Straßenbrücke Breite Straße und spielte jeden Sonntag für die Fischmarktbesucher:innen. Er sieht ein wenig wie Morgan Freeman ohne Bart aus, hat aber einen sehr osteuropäischen Akzent. Anton erzählt mir, dass er zufällig vom Fischmarkt heute erfahren hat und sofort hierher gefahren ist. Er hat einen schwarzen Hut, ein Jeanshemd und -hose, Turnschuhe. Ich bin neidisch auf sein Akkordeon. Meiner ist viel kleiner. Ich lasse ein paar Euro in seine Spendenschale fallen und gehe nach Hause.

Auf dem Marktplatz unter meinem Balkon bauen Café-Leute Tische und Schirme auf. Die NDR-Reporter packen ihre Kameras in den Wagen und fahren weg. Was sie wohl berichten werden? Ich denke an die anderen Sonntage, vor über einem Jahr. Um diese Zeit wäre es jetzt hier laut und voll. Später würde die Stadtreinigung den Platz sauber und blitzeblank putzen. Ob ich das jemals wieder erleben werde? Ist das schlimm? Ich finde nicht. Veränderungen sind normal und machen mir nichts aus.

Jetzt, endlich, Kaffee und selbstgemachte Brötchen und die Ruhe auf dem Balkon genießen. Das Vermissen schiebe ich für den nächsten Sonntag auf.

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