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Kultursommer mit Lack und Feder 

Ich muss schon sagen, das Wetter macht es uns hier in Hamburg nicht leicht mit dem Kultursommer. Aprilwetter im August. Auf dem Weg zum Spielbudenplatz, im Platzregen, habe ich schon überlegt, ob es eine geile Idee wäre, eine Umhängehalterung für das Tablet zum Zeichnen mit Regenschirm zu erfinden. Zum Glück hat der Regen pünktlich aufgehört.

Ich fand schnell die Bühne. Die Modelle waren schon fast fertig ausgezogen. 

Kultursommer auf dem Spielbudenplatz ist mal wieder sehr bunt. Hier wird nicht nur Musik gespielt und Bier getrunken. Theater, Kino, Musik, eine Live-Zeichensession und sogar Basketballspiele gibt es in diesem Sommer zu erleben. Auch der Auftakt für den Kultursommer fand hier mit dem hamburger Kultursenator und Udo Lindenberg statt. Noch bis zum 15. August kannst Du dort unterschiedlichste Veranstaltungen erleben.

Da es für mich meist zu voll und zu laut ist, habe ich mir ein Event ausgesucht, bei dem es ums Zeichnen ging. Organisiert wurde es von einer hamburger Zeichner:innengruppe AHOI Sketchers und L‘apotheque — Betreiberinnen des ersten Museums für historisches Sexspielzeug in Deutschland und meinen Ateliernachbarinnen in St.Pauli. 

Eine relativ kleine, gemütliche Bühne aus Holz wurde mit Fellen ausgelegt. Darauf fanden vier Modelle in schwarzen und roten Latexoutfitts und mit beeindruckendem Federschmuck Platz. 

Für jede Pose gab es ca 10-15 Minuten, um die ganze Pracht zeichnerisch festzuhalten. 

Auf den Bierbänken und Tischen gegenüber breiteten bekannte und weniger bekannte Zeichner:innen ihre Blöcke und Malutensilien aus. Ich fühlte mich fast nackt mit meinem Tablet. Andererseits war es ganz angenehm, da ich wusste, wie stressig es ist, drauf zu warten, dass die Farben trocknen, die richtigen Pinsel und Stifte dabei zu haben und die passende Sicht auf die Bühne zu wählen. 

Glücklicherweise war ich nicht die einzige mit dem Tablet. Trotzdem wurde ich etwas neidisch, als die ersten fertigen Bilder in Tusche, Pastellkreiden und Aquarelle ausgebreitet wurden. Minimalistisch, mit einigen wenigen Linien und Farbtupfern, oder auch überschwänglich mit Wasserfarbe, Kohle und Pastellstiften.

Die konnte man nämlich direkt vor Ort aus der Hand der Künstlerin kaufen. Das gesammelte Geld, und immerhin wurden es am Ende ca. 500 Euro, wurde an die Stiftung Mammazentrum (für die an Brustkrebs erkrankte Frauen) gespendet.

Hinter uns feierte eine laute, betrunkene Gruppe auf ausgepolsterten Palettensofas die Session gleich mit. Schaulustige blieben außerhalb der Absperrung stehen und guckten verdutzt auf die dekadente Szenerie.

Neben mir saß und zeichnete eine Bookerin vom Spielbudenplatz und Mitverantwortliche. Auch Julia. Zum Ende der Veranstaltung entstand ein interessantes Gespräch zwischen uns darüber, wie schwierig es ist, das Publikum auf dem Kiez mit originellen und außergewöhnlichen Auftritten zu beeindrucken. Es scheint, die individuelle kreative Arbeit wird weniger belohnt, als eine Coverband oder Promikunst …

Eins der Modelle und Gründerin des L’apotheque Museums — Künstlerin Anna Genger — setzte sich am Ende der Veranstaltung zu uns. Sie war glücklich, müde und überwältigt von den außergewöhnlichen Arbeiten, die entstanden sind. 

In St.Pauli aufgewachsen, übernahm Anna vor Kurzem die alte Apotheke ihrer Mutter und machte daraus einen Ort der Kunst, der Geschichte und der Unterhaltung. Als eine beeindruckende Persönlichkeit, gehört sie zu meinen Held:innen hier auf St.Pauli. 

Noch dabei war Patrick, ein Fotograf, der die Veranstaltung für die Morgenpost dokumentierte. Ich fand es lustig, dass er mich kurz über mein Zeichenstil mit dem Tablet interviewt hat, während ich für meine Reportage zeichnete. Allerdings habe ich meine journalistische Absicht in diesem Fall nicht offenbart — das Introvertier in mir hat es nicht für nötig gehalten. Umso mehr freute ich mich, als ich meine Silhouette mit dem Tablet in einem Bericht auf der Moposeite entdeckt habe.

Am Ende wichen die extravagant gekleideten Modelle der nächsten Coverband auf der Bühne. Die Farbkästen machten Platz für Bier und Currywurst. Der Spielbudenplatz füllte sich noch mehr. Man hörte Pfiffe und laute Ausrufe des nebenan ausgetragenen Basketballspiels … es war höchste Zeit für mich zu gehen … mit dem Wunsch, mehr über die Kunst und Events zu berichten, außerhalb des Mainstreams. Es gibt so viele Musiker:innen, Künstler:innen, Galerien und Orte in Hamburg, die meine und Deine Aufmerksamkeit verdienen. Die einfach unentdeckt bleiben, weil sie nicht so laut, schrill oder prominent sind. Die aus den Rahmen fallen. Die sich nicht anpassen wollen. Bleib also dran und hab einen guten Wochenstart!

Tschüß.

Julia Zeichenkind 

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