Liebe Leser meines wöchentlichen Newsletters, in dieser Ausgabe möchte ich euch nicht weniger als eine Welt-Sensation bieten. Wie viele von euch wissen, bin ich vor gut zwei Wochen an Corona erkrankt. So weit, so schlecht. Es war jedoch – Glück im Unglück – der mittlerweile fast schon sprichwörtliche „milde Verlauf“. Die Krankheit war nie wirklich schlimm, allerdings geht sie auch sehr langsam – ein bisschen wie eine nette Schwiegermutter auf dem Rollator.
Nun wäre ich nicht der investigative Top-Journalist, als den ihr mich kennt, wenn ich meinen aktiven Eingriff ins „Infektionsgeschehen“ nicht auch als Chance sehen würde. Mir ist ein unglaublicher Coup gelungen! Spektakulärer als die Hitler-Tagebücher und mitreißender als jede Story von Claas Relotius: Das weltweit erste Exklusiv-Interview mit dem Omikron-Virus!!
(Vielen Dank für die Zeichnung an Martina Hoffmann, stiftundpapier.de (Öffnet in neuem Fenster))
Peter Wittkamp: Guten Tag! Ich freu mich sehr, dass es geklappt hat. Verzeihen Sie mir meine leicht nasale Sprache, aber ich bin derzeit erkältet. Sie wissen, warum.
Omikron: He he, ja. Sorry. Gehört zum Geschäft.
Bevor wir richtig loslegen, würde ich gerne von Ihnen wissen, wie sie gerne angeredet werden möchten. In der Wikipedia werden Sie derzeit etwas sperrig als „SARS-CoV-2-Variante Omikron“ geführt.
Puh. In der Tat sehr sperrig. Das klingt ja fast wie ein Adelstitel.
Kronen haben sie ja tatsächlich ein paar …
Stimmt auch wieder. Aber Omikron oder wegen mir auch „Kroni“, wie gute Freunde sagen, reicht völlig. Und gerne they/them.
Alles klar. Ich würde dann gerne bei „Omikron“ bleiben. Gute Freunde werden wir vielleicht erst, wenn der Rotz hier überstanden ist.
Fair enough.
Aber „Freunde“ ist in der Tat ein gutes Stichwort. Haben Sie als Virus überhaupt Freunde?
Natürlich habe ich Freunde. Gerade im beruflichen Umfeld verstehe ich mich sehr gut mit den Kollegen Alpha oder Delta – da würde ich schon sagen, das ist mehr als nur reine Zusammenarbeit. Wir sind einfach auf einer Welle. Oder mehreren.
Aber auch unter den Menschen gibt es ein paar, die ich wirklich sehr zu schätzen weiß. Ich mag zum Beispiel die Leute, die ihre Maske immer nur unter der Nase tragen. Ich habe natürlich ein Herz für Querdenker und Schwurbler. Gute Leute auf beiden Seiten! Im politischen Bereich erfahre ich viel Zuspruch von der AfD – wobei auch die FDP neuerdings großartige Dienste leistet.
Und wenn man mal den Fokus auf aktuellere Entwicklungen setzt: So jemand wie Wladimir Putin, der ungefragt in einen fremden Landeskörper eindringt – das ist mir natürlich inhaltlich sehr nahe. Den würde ich gerne mal kennenlernen.
Ich fürchte, er sie aber nicht.
Das ist glücklicherweise nicht immer eine Frage von Wollen. Da kann der Tisch noch so lang sein.
Auch wieder wahr. Wie sieht es aus mit Feinden?
Feinde ist so ein hartes Wort. Es gibt im Leben einfach immer auch Charaktere, mit denen man nicht so gut harmoniert. Karl Lauterbach ist zum Beispiel jemand, den ich nicht privat zu mir nach Hause einladen würde. Wobei ich den ehrlichen Wettkampf zwischen uns schätze. Gut, das mit der Impfung war ein bisschen unfair – aber ich denke auch, das wird mir langfristig nicht die Suppe versalzen. Und bei dieser Impf-Sache haben ja zum Glück längst nicht alle mitgemacht. Was – unter uns im Vertrauen gesagt – ganz schön dumm ist. Denn wenn eine Sache mein volles Potenzial blockiert, dann die Impfungen.
Na ja … ich sage immer: Man muss einfach wandlungsfähig blieben und sich immer wieder neu anpassen.
Leiden Sie eigentlich unter der Maskenpflicht?
Leiden nicht zwangsläufig. Wenn man unbedingt einen Weg in die Nase oder den Mund finden möchte, dann entdeckt man auch einen. Aber so eine Maskenpflicht macht einem persönlich das Leben halt unnötig schwer. Im Zweifel geht man dann lieber zu einem Menschen ohne Maske. Gibt ja zum Glück immer einen Deppen.
Wo haben Sie denn eigentlich dieses ganze biologische Wissen her? Wie man jetzt in Schleimhäute oder so weiter eindringt? Wird Ihnen das intern beigebracht?
Klar, das ist im Grunde wie fast alles im Leben eine Mischung aus Biologie, Mathematik und Physik – mit einer Spur Politik. Wir haben da eine kurze, aber intensive, schulähnliche Ausbildung und lernen dort alles Wichtige. Aerosolkonzentration, Resistenzbildung, Mutation, Angriffsstrategie und so weiter. Gleichzeitig blickt man auch mal über den Tellerrand und schaut sich an, was man interdisziplinär zum Beispiel vom Zitronensäurezyklus lernen kann. Einiges über uns Corona-Viren habe ich sogar im Drosten-Podcast zum ersten mal erfahren. Der Typ ist zwar ebenfalls nicht mein bester Freund, doch er hat Ahnung. Aber am liebsten habe ich aber immer Geschichte gehabt. Die Pest im Mittelalter, Spanische Grippe, Russische Grippe, Hongkong-Grippe oder auch HIV … da kann man auch heute noch einiges mitnehmen.
Wohl wahr! Ich würde noch mal gerne mehr in den medizinischen Bereich gehen, den wir mit dem Thema „Impfungen“ und „Masken“ ja auch schon kurz gestreift haben. Was, würden sie sagen, unterscheidet sie von einer ... sagen wir … herkömmlichen Erkältung?
Nichts gegen die herkömmliche Erkältung. Seit Jahrhunderten ein zuverlässiger Mitstreiter in unserem Geschäft. Für mich persönlich fehlt es bei dem Kollegen „herkömmliche Erkältung“ ein bisschen an dem Willen, die Sache auch mal zu Ende zu bringen. Wo sind denn da die wirklich dramatischen Fälle? Wo sind denn da die Einweisungen auf die Intensivstation? Da ist auf jeden Fall noch Luft (lacht kurz) nach oben.
Die herkömmliche Erkältung ist im Grunde ein fairer Typ. Die kommt zum Menschen und sagt so: Du hast da jetzt keinen Bock drauf, aber ich muss das jetzt leider durchziehen. Ist eben mein Job. Machen wir einen Kompromiss: Fünf Tage Schnupfen und Rotz, dann bin ich auch schon wieder weg. Deal?
Das ist ein Ansatz, den man machen kann. Da macht man sich auch wenig Feinde mit, sodass man das wirklich dann auch über Jahrhunderte immer wieder so anstellen kann. Da kommt niemand mit einer Impfung um die Ecke.
Für mich persönlich ist das aber zu kurz gedacht. Zu wenig Action. Man muss da jetzt nicht unbedingt mit dem ganz groben Besteck arbeiten wie zum Beispiel der Kollege Delta oder der Kollege Alpha in seinen ersten Monaten nach Arbeitsbeginn, aber ein bisschen was will man als anständiger Virus ja auch „hinterlassen“.
Stichwort „Long Covid“ …
Da darf ich leider noch nicht so viel drüber reden, da sind wir intern in der Strategie-Abteilung auch noch nicht ganz schlüssig, welche Symptomen genau wir verwenden wollen und wie lange die sich dann zeigen sollen. Zwei Monate? Ein halbes Jahr? Für immer? Wir experimentieren derzeit noch viel herum, mit was wir langfristig am besten arbeiten können. Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, vielleicht sogar Depressionen. Da sind viele schöne Dinge dabei, die aber noch ausführlich getestet werden.
Aber man muss schon sagen: Generell ist dieses „Krank sein NACH einer überstandenen Infektion“ schon eine Meisterleistung aus der Produktentwicklung unserem kleinen – ich sage immer liebevoll – „Familienbetrieb“.
Apropos Familie! Wo kommen Sie denn überhaupt genau her?
Das kann ich Ihnen leider ebenfalls nicht so ganz genau sagen. Wobei man da auch ehrlich zugeben muss: Was Fortpflanzung angeht, sind wir nicht besser als ein typisches europäisches Adelshaus. Da wird die Nichte auch mal zu Ehefrau. Kreuz und quer geht es da.
Wir haben neulich mal versucht, so eine Art Stammbaum zu entwickeln. So richtig mit Ahnentafeln und so weiter. Aber irgendwann verliert sich dann immer die Spur. Und wie die Fledermaus auf das Familienwappen gekommen ist, weiß auch niemand mehr.
Vielen lieben Dank für ihre spannenden Antworten bis hierhin. Ich würde jetzt hier erst mal Schluss machen. Die Kräfte schwinden. Ich bin in letzter Zeit gerne mal ein wenig müde. Brauche ich ihnen ja nicht zu erklären …
Sie machen ihren Job, ich mache meinen! Danke Ihnen ebenfalls für ihre Gastfreundschaft, das offene Gespräch und die offene Nase.
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