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Alles ist gerade furchtbar, oder? 

 
In der Ostsee strömt Gas aus und ruiniert neben der Hoffnung, dass der Krieg sich uns geografisch nicht nähert, auch noch massiv die Umwelt.

In Russland werden Männer, die relativ wenig Lust auf Krieg haben, als Kanonenfutter in die Ukraine verfrachtet. Der Rest flüchtet panisch aus dem Land.

Dort, in der Ukraine, wird erbittert weitergekämpft und getötet, während Putin Schein-Referenden zur Abstimmung gebracht hat, die mit demokratischen Wahlen ungefähr so viel zu tun haben, wie die „Willst du mit mir gehen?“-Zettelchen aus der sechsten Klasse. Und selbst da war das Ergebnis näher dran an der Realität.

In Italien wählen sie endlich mal jemanden, der weniger geliftet ist als Berlusconi – aber das war dann auch schon die einzig gute Nachricht.

In Deutschland haben immer noch sehr viele Menschen Angst davor, dass das Leben unbezahlbar wird. Auch wenn es jetzt endlich eine gewaltige Unterstützung bei den Energiekosten geben wird.

Die Bahn ist unpünktlich wie nie und wird im Dezember noch mal teurer – das geliebte 9-Euro-Ticket ist hingegen verschwunden.

Corona bereitet sich eventuell auf eine Comeback-Tournee vor. Es wird, wie man hört, schon fleißig geprobt. Und wir alle wissen nicht, ob wir dabei sein werden.

Dann – und ich weiß, das ist überraschend – geht diese Sache mit dem Klima dreisterweise ja auch noch weiter OBWOHL WIR WIRKLICH SCHON GENUG ANDERE PROBLEME HABEN!!!

Apropos! Die Deutsche Umwelthilfe fordert, dieses Jahr auch privat auf Weihnachtslichter zu verzichten. Genau. Klaro! Perfekt!!
Nach drei Jahren Pandemie und einem Jahr Krieg sollte man den Leuten wirklich das letzte Stück Besinnung, Gemütlichkeit und Ruhe nehmen, damit wir 0,05 Prozent Energie sparen. Sagt den Menschen doch einfach, sie sollen ihre Stand-By-Geräte an eine abschaltbare Mehrfachsteckdose klemmen, wenn ihr es ernst meint. Könnt ich mich aufregen!

Friedrich Merz bewirbt sich derweil mit seinem „Sozialtourismus“ schon mal vorsorglich bei der AfD.

Richard David Precht und Harald Welzer führen in der Sendung Markus Lanz eine gekonnte dramaturgische Inszenierung ihres Musicals "Überheblichkeit" auf.

Und als wäre noch nicht genug Verunsicherung und Destabilisierung in unserer Gesellschaft, sind nicht mal mehr die Bayern auf Platz eins der Bundesliga-Tabelle. Auf nichts ist mehr Verlass!

Alles ist schlimm? Oder?

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Aber:
Es gibt sie noch, die guten Dinge. Nicht nur bei Manufactum. Und deutlich günstiger. Aber man muss sie sehen. Der Herbst kommt zum Beispiel. Beziehungsweise, er ist schon da. Vermutlich ist er nicht mit dem ICE angereist.

Bild von Valentin (Öffnet in neuem Fenster) auf Pixabay (Öffnet in neuem Fenster)

Es klingt ein wenig wie eine Floskel, aber die ersten Tage des Herbstes haben für mich immer etwas leicht Magisches. Ich denke an Rotwein, an mit Mantel vor einem Café sitzen, an Musik von Yann Tiersen, Element of Crime oder Butcher Boy, (Öffnet in neuem Fenster) an "Somewhere Only We Know (Öffnet in neuem Fenster)" von Keane, an Wiedersehen mit der Familie, an Eintopf zum Abend, wegen mir sogar an Bastelarbeiten, an Kastanien, an Rot, Gelb und Orange, an lange Nächte mit HBO-Serien, an mehr Rotwein oder heiße Zitrone, an wieder ins Kino gehen, an erst draußen leicht unterkühlen und dann gemütlich drinnen sitzen, überhaupt – an Einkehren, an Deftiges, an Kalorien, an Knödel, an grüne Cordhosen, an warme Mützen, an Handschuh-Zeit und Hände eincremen, an Wollsocken, an Lebkuchen im Supermarkt, an "in die Pilze gehen", an fallende Blätter sowieso – an eine Jahreszeit, die gefühlt einen kleinen Ticken langsamer und unaufgeregter verläuft als ihre hektischen Geschwister Frühling und Sommer.

Vielleicht ist es Zeit, neben dem Verfolgen der Nachrichten und dabei zu erfahren, was im Großen und Ganzen wieder besonders schlimm ist, auch an das zu denken, was im ganz Kleinen, ganz Privaten eigentlich sehr schön sein kann.

Neu verlieben. Oder mit dem Partner etwas unternehmen, was man noch nie getan hat. Zeit mit den Kindern verbringen. Oder welche produzieren. Sich endlich mal mit den Freunden treffen, denen man seit einem Jahr „bald“ sagt. Spieleabende. Oder Netflix-Abende. Oder mal 12 Stunden lang nur RTL2 schauen und dabei Eierlikör trinken. Getränke endlich wieder unkompliziert auf dem Balkon kühlen. Sich darüber freuen, dass immerhin die Bierversorgung sicher ist. Denn dafür braucht man vor allem Kohlensäure und dieses Gas wirst du uns nicht nehmen, Wladimir! Ein Museum besuchen. Mal wieder in ein Kaufhaus statt zu Amazon gehen. 10 Euro nehmen und bei Rossmann für unsinnige Dinge auf den Kopf hauen. Den Plenarsaal des Bundestag aus Kastanien nachbauen. Mit neuen Kopfhörern Spotify zu Ende hören. Etwas Einwecken. Jemanden nach drei Jahren "mal wieder" anrufen. Das Musical Hamilton bingen. Oder das schöne Gefühl genießen, bei Regenwetter einfach drinnen bleiben zu dürfen. Kochen. Musik hören. Quatsch machen. Lieben. Treffen. Sofa. Kuscheln. Alles.

Viele Menschen haben gar nichts. Wir haben einen 200 Milliarden Abwehrschirm, Kürbissuppe und Übergangsjacken*.

Auf einen mindestens okayen Herbst!

Herzlich
Peter

* Ich weiß. Auch hier leider nicht alle. Und ich denke, dieser Text ist vor allem für alle, die gerade ein bisschen Verzweifeln. Nicht für die, die schon total verzweifelt sind. Und gerade die sollten wir jetzt nicht vergessen.

P.S. Dieser Newsletter hat aktuell circa 2400 Abonnenten und ungefähr 118 zahlende Mitglieder. Damit er langfristig weiterbetrieben wird, sollten es irgendwann mindestens 200 Mitglieder werden. Wenn er dir also öfter ein bisschen Freude bereitet, werde gerne Mitglied. Ansonsten hilft es mir aber auch sehr, wenn du ihn persönlich oder in den sozialen Medien weiterempfiehlst.

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Gemeine Brokkoli-Paywall!

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