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Überzeugt

Immer mehr Zeitungen publizieren ihre Inhalte auch bei kompreno. Wie das?

Die belgische Moondiale Nieuws war der erste, die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT ist der jüngste Verlagspartner an Bord der Plattform kompreno, und damit soll für Gründer und Geschäftsführer Jochen Adler aus Frankfurt am Main noch lange nicht Schluss sein. Mit kompreno veröffentlicht er täglich europäischen Journalismus mehrerer Zeitungen auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italiensch, jeden Kommentar, jede Analyse und Reportage in mehreren Sprachen. 

25 Verlagspartner hat Jochen Adler mittlerweile gewonnen, unter anderem auch aus Großbritannien, Bulgarien, Italien und der Ukraine.  Er selbst kommt gar nicht aus dem Journalismus, sondern hat erst in der Software-Entwicklung, später im Bankwesen sowie in leitenden Positionen in IT und Consulting gearbeitet. 

Und jetzt also kompreno. Mittels Sprachtechnologie gibt es hier Artikel der Verlagspartner, lesbar hinter einer Bezahlschranke. Online, anzeigenfrei, international. Idealistisch? Klar. Doch mit kompreno habe er sich einen Traum erfüllt, sagt Jochen Adler.

kompreno tritt als Netzwerk aus internationalen Zeitungen an, die in fünf Sprachen lesbar sind. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Zunächst einmal: Der Begriff Netzwerk ist mir ganz wichtig in Abgrenzung zu Plattformen wie Spotify. Es geht mir um Inhalte aus hochwertigen journalistischen Quellen: Le Monde, Die Zeit, der Independent aus England. Wir wollen diese breiter zugänglich machen, weil doch viele Europäer nicht alle Sprachen sprechen, um diese Zeitungen lesen zu können.

Ich habe mich schon immer für die europäische Völkerverständigung engagiert, war schon immer ein Informations-Nerd und an Computern interessiert. Deswegen lag es nicht so fern, irgendwann beide Leidenschaften zu verbinden.

Die Idee hat sich gewissermaßen entwickelt im Lauf Ihres Lebens?

So kann man es sehen, ja. Ich habe mich – zum Beispiel im Urlaub – schon immer gefragt, wie das wäre, wenn man einfach alle Zeitungen lesen könnte, die in den Kiosken ausgestellt sind.

Am Beispiel des Europäischen Parlaments sieht man sehr gut, welche Aufwände die Vielsprachigkeit mit sich bringt, weil jedes Schriftstück in alle Sprachen übersetzt werden muss. Ich habe Technologie schon immer als Werkzeug gesehen, Menschen zusammenzubringen. Die Sprachtechnologie habe ich deshalb in die Gründungsgeschichte meines Start Ups integriert…

… das die Informationsverbreitung anders als üblich angeht.

Es gibt bereits Medien, die sich ganz Europa als Thema vornehmen, bei denen aber einfach auch der Platz begrenzt ist.

Mich hat die Idee fasziniert, Informationen digital zu bündeln. Aus Konsumentensicht ist es tatsächlich so, dass auch innerhalb Deutschlands schon oft die Frage gestellt worden ist, warum man nicht einfach alle Zeitungen in einem Abo lesen kann. Mit Kompreno machen wir ein relativ neuartiges Angebot, doch wir gehen Probleme an, die schon lange bekannt sind. Es gibt viele erfolgreiche Projekte und noch mehr gescheiterte aus jeweils guten Gründen. Die haben wir uns angeschaut und versuchen es jetzt, besser zu machen.

Was macht Sie so sicher, dass Ihre Idee besser funktionieren wird?

Verschiedene Aspekte! Zunächst aus Sicht des Users: Unser Angebot ist anders aufgebaut. Nach Abschluss des Abonnements werden sie als Erstes gefragt, für welche Themen Sie sich interessieren. Wir empfehlen dann gezielt Artikel, die auf diese Interessen passen. Dafür sorgt unsere Sprachtechnologie. Wir arbeiten ohne Werbung, ohne Störfaktoren. Das Leseerlebnis ist sehr reduziert, fokussiert und ermöglicht eine Immersion in die Texte.

Unsere Inhalte stammen aus hervorragenden Quellen, wir haben keinen nutzergenerierten Content. Bei uns gibt es keine Trolle, die Hasskommentare schreiben, da wir diese Funktion für unsere User nicht anbieten. Wir schaffen zwar eine Gemeinschaft, aber die trifft sich außerhalb unserer Plattform.

Und der zweite Teil der Antwort ist, dass wir mit Verlagspartnern anders umgehen als zum Beispiel google oder facebook, weil die Verlage ihre Inhalte natürlich monetarisieren wollen. Guter Journalismus ist Teamwork und Recherche. Wir verteilen die Umsätze, die wir erzielen, auch an unsere Verlagspartner.

Wie ist es Ihnen gelungen Verlagspartner von Ihrer Idee zu überzeugen?

Wir mussten schon sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Knallhart geschäftsmäßig ausgedrückt: Wir nehmen nichts weg, sondern fügen etwas hinzu, nämlich das Potenzial einer Zielgruppe im Ausland, die relevant ist. Unsere Leser*innen sind gut gebildet und interessiert an den Läufen dieser Welt. Unser Geschäftsmodell bietet Wachstumsperspektiven, wir bieten eine defensive Artikulation – wir sind ein Start Up, ganz neu, es ist ein Experiment, wir gehen respektvoll um mit den Inhalten unserer Verlagspartner.

Es ist nach der ersten Anlaufphase erheblich einfacher geworden, Verlagspartner zu gewinnen – und es melden sich mittlerweile auch Partner, die bei uns dabei sein wollen.

Die Einnahmen erzielen Sie über die Abonnements?

Wir haben das Start-Up ganz klassisch vorfinanziert. Ich bin hier auch persönlich ins Risiko gegangen. Die Refinanzierung läuft über Abonnenten in Europa und der Welt – Menschen, die sich unseren Kontinent von außen anschauen wollen. Ich habe die Anschubfinanzierung geleistet, wir haben Finanzierungspartner, Business Angels, eine Sparkasse hier am Ort.

Trotzdem mutig.

Umso mutiger vielleicht.

Bekomme ich als Nutzer das Komplettangebot Ihrer Verlagspartner?

Das ist unterschiedlich. Bei einigen Partnern ja, bei anderen nur einige Texte. Wir wählen aus, auch zielgruppenspezifisch und suchen gezielt Texte mit einzigartiger Perspektive auf die Welt. Wir übernehmen zum Beispiel viele Artikel unseres belgischen Partners Mondiale News, weil man von dort einen exzellenten Blick auf Afrika hat mit exzellenten Quellen vor Ort durch die koloniale Vergangenheit.

Wer ist denn wir?

Wir sind ein kleines, internationales Team, ein virtuelles Unternehmen. Eine wichtige Personalie ist ein Kollege, der in Rom arbeitet. Er leistet die redaktionelle Auswahl. In einem klassischen Medium wäre er der Chefredakteur.

Wie viele Artikel veröffentlichen Sie am Tag?

Das schwankt. Es sind im Durchschnitt zehn bis 15 am Tag. Wir haben zum Beispiel Partner wie das deutsche Wirtschaftsmagazin brand eins, das nur monatlich erscheint, bei denen wir weite Teile des Angebots übersetzen. Bei anderen Partnern ist es weniger.

Die Übersetzung leistet ausschließlich die Sprachtechnologie?

Nein, nicht ausschließlich. Das hat auch eine ethische Komponente. Trotz des nerdigen, technischen Hintergrunds sehe ich sehr wohl, dass die künstliche Intelligenz nicht fehlerfrei arbeitet. Wir machen stichprobenartige Überarbeitungen durch ein verteiltes Team von Redakteuren.

Kann ich jeden Text in allen fünf Sprachen lesen?

Nein. Die Verlagspartner haben ja zum Teil berechtigte Interessen, ihren Heimatmarkt zu schützen. Die ZEIT soll man in Deutschland natürlich bei der ZEIT lesen und nicht bei Kompreno. Das machen wir auch ganz transparent und haben für jedes Medium ein Angebot geschaffen, zur Originalausgabe zurückzugehen. Wir wollen die Zeitungen, mit denen wir arbeiten, ja nicht kannibalisieren. Brand Eins aber macht zum Beispiel auch die deutschen Texte zugänglich.

Als User: Kann ich mir sicher sein, dass Ihre Verlagspartner perspektivisch dabeibleiben und ich deren Inhalte lesen kann?

Das können wir als Start Up natürlich nicht ganz so versprechen. Wenn ein Artikel aus der ZEIT auf Italienisch in der Übersetzung lachhaft wirkte und als Negativbeispiel viral ginge, wäre das ein Drama und dann würde ich nicht auf Vertragserfüllung pochen.

Wir haben uns für einen überschaubaren Zeitraum abgesichert. Umgekehrt können wir aber auch einem Verlagspartner sagen, dass das onboarding ganz schnell geht. Das haben wir jetzt schon oft genug durchdekliniert, weil wir sehr automatisiert und technologiegetrieben sind.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Verlagspartner aus?

Wir haben unsere Werte formuliert. Wir haben zum Beispiel auch eine bulgarische und ukrainische Publikation, auf die wir sehr stolz sind. Natürlich kann man von einer ukrainischen Zeitung im Moment keine objektive Berichterstattung erwarten.

Unser Mitarbeiter in Italien legt eine hohe Messlatte, aber innerhalb der Meinungsfreiheit machen wir ganz gezielt Werbung damit, dass man als Abonnent auch mit Inhalten in Berührung kommt, die nicht unbedingt gefallen.

Wie machen Sie auf sich aufmerksam?

Wir haben einen sehr bescheidenen eigenen Auftritt, weil wir ein Netzwerk und keine Plattform sein wollen.  Wir wollen Partner werden und keine eigene Premiummarke aufbauen. Das ist nicht mein Anspruch. Ich bin ein Freund dezentraler und föderaler Strukturen. Wir wollen den Journalismus nur sichtbar machen.

Wir konzentrieren uns auf die Übersetzung. Wir setzen darauf, dass unsere Verlagspartner auf uns aufmerksam machen und kompreno als zusätzliches Angebot bewerben, als ein Instrument der Kundenbindung. Unser Anreiz ist, die Verlage an den Einnahmen zu beteiligen. So bekommen wir Kompreno ganz gut in den internationalen Markt eingeführt.

In Nordeuropa ist man eher bereit, Geld für journalistische Inhalte zu bezahlen. 25 Euro im Monat ist eine Stange Geld, andererseits zahlt man für ein Zeitungsabo in Deutschland mehr. In Italien und Spanien ist das anders.

Hier sind wir, das muss ich ehrlich sagen, immer noch ein wenig am Austarieren.

Worüber ich gestolpert bin: Dass Kompreno gezielt Artikel anbietet, die den eigenen Interessen entsprechen. Muss das sein?

Die Vorauswahl beruht auf den angegebenen Interessen, ja. Die Auswahl hängt aber nicht davon ab, was Ihre Freunde gut finden, und unser Algorithmus lernt auch nicht, was Sie gerne lesen, so dass die Auswahl immer spezifischer wird. Sie können auf unserer Plattform grenzenlos alles durchstöbern und durchlesen. Wenn Sie nach einem Stichwort suchen wollen, gibt es keine Schranken.

Woher stammt das Wort kompreno?

Aus der Esperanto-Sprache. Diesen völkerverbindenden Anspruch fanden wir ganz schön.

Was motiviert Sie?

Naja, es ist ja tatsächlich ein Traum, der wahr wird. Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß, wenn ich morgens meinen Laptop hochklappe und „zur Arbeit“ gehe. Und ja, kompreno ist auch ein Stückweit idealistisch.

www.kompreno.eu

Mehr Menschen kennenlernen?

https://steadyhq.com/de/vonmachzumensch/posts (Öffnet in neuem Fenster)