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Was ich von Ed Sheeran gelernt habe

In der Klavier App, über die ich seit Jänner mit den Kindern Klavier lerne, gibt es sehr viele bekannte (und mir unbekannte) Songs, die man da nach und nach spielen kann. Manche noch ganz leicht zu begleiten mit einfachen Noten, andere werden dann immer komplizierter und herausfordernder. Ist ja auch der Sinn der Sache. 

So stolperte ich über den Song "Perfect" von Ed Sheeran. Ich kannte Ed bis dahin nur vom Hörensagen, hatte seine Musik bisher komplett ausgeblendet. Nicht bewusst, sondern er kam mir nie wirklich in meinen Playlists unter, Radio höre ich nie. Als er letztes Jahr zwei Konzerte im Stadion hier in Wien gab, war ich nur überrascht, wie bekannt er doch ist. Dennoch befasste ich mich nicht mit ihm. Das war auch typisch für mich. Je bekannter und beliebter so mancher Popstar, Musiker, Schauspieler oder sonstwer war, desto weniger interessierte mich das. Die breite Masse versuchte ich immer zu vermeiden. Das hat verschiedene Gründe. Irgendwie war ich schon immer ein bisschen anders als die anderen. Das meine ich nicht im überheblichen Sinne, aber ich tickte einfach oft anders und mir wurde das auch immer vermittelt und bestätigt. Verbal oder non verbal. Mein Leben lang haderte ich damit, dass ich nicht rein passte. Gleichzeitig wollte ich oft nicht so sein, wie alle. Wollte mich abheben, anders sein. Weil ich spürte, dass in mir mehr los war als der Alltag hergab. Das hat mir natürlich als Jugendliche und junger Mensch, Studentin das Leben oft schwer gemacht. Es hat mich verletzt, wenn mir gesagt wurde, ich sei weird, der Spitzname "MadNad" begleitete mich während meiner Zeit in den schottischen Highlands. Der tat weh. Erst heute weiß ich, dass ich gar nicht so viel anders bin als andere und dennoch ganz anders ticke. Beides ist okay. Aber da hinzukommen, zu erkennen: Ja, ich denke manchmal anders, ich sehe Dinge anders und bin dennoch hier einer von allen und kann dennoch dazugehören, das hat mich sehr erleichtert. 

Aber zurück zu Ed Sheeran. Ich spielte also "Perfect". Anfangs natürlich noch sehr holprig, aber ich wurde immer besser und dabei verliebte ich mich immer mehr in dieses Lied. Wohl auch, weil es teilweise eine ganz persönliche Geschichte von mir berührt. Die Kinder verliebten sich auch in das Lied und wir begannen das Original zu hören und darüber hinaus mehr Ed Sheeran zu hören. Ich war neugierig geworden. Plötzlich lief sein Album hier hoch und runter. Ich entdeckte noch andere Songs, die mir gefielen und während ich im Malflow war, merkte ich nicht mal mehr, wie oft seine Lieder abgespielt wurden. Und jetzt muss ich sagen: Ich mag Ed Sheeran und würde er heuer nach Wien kommen zum Konzert, würde ich sicher hingehen. Ach guck. 

Die Sache ist: Niemand hat mir gesagt, wie toll er ist. Hätte auch nichts gebracht, denn ich hatte (und habe) ja meinen eigenen Kopf. So wie mir niemand sagen muss, welche Filme gut sind, welche Klamotten grad voll im Trend sind. Ich muss da allein hinfinden. Das war schon immer so. Wenn alle über Stranger Things oder Game of Thrones reden, kann ich komplett ausschalten. Als damals, als ich in Schottland lebte, die letzte Folge Friends ausgestrahlt wurde und alle völlig fassungslos vorm Fernseher saßen, verstand ich den Hype nicht. Zwei Jahre später beschloss ich, die Folge auszuprobieren und heute ist sie meine all time favourite Serie, die ich noch hundertmal schauen und darüber kichern werde.

Ich kann mich nur für etwas begeistern, was mich berührt, was mich packt, was mich anspricht. Und was ich für mich selbst entdecke. Klar kann man inspiriert werden von anderen. Aber nur, wenn es mir nicht ausfgezwungen wird. Wenn jemand sagt: DAS musst du unbedingt ausprobieren, anschauen, auschecken... schalte ich ab. Sehe ich etwas bei anderen oder im Vorbeigehen, kann es mich packen. Es muss dabei meine Entscheidung sein. 

Und ich glaube, dass ich genauso gut niemanden von etwas überzeugen kann, was ihn oder sie nicht interessiert. Jede und jeder muss das für sich selbst entdecken. Wir wollen so oft andere von unserer Meinung, unserer Begeistertung überzeugen. Wollen, dass sie sehen und verstehen, was wir entdeckt haben. Aber das geht nicht einfach verbal. Faszination entsteht über das eigene Entdecken. Manchmal ist es auch so, dass mich Dinge nicht loslassen, dass sie mir immer wieder begegnen, bis ich irgendwann sage: Na jetzt aber her damit. 

Aber es ist noch etwas ganz anderes, was mich an dem Beispiel Ed Sheeran fasziniert. Er ist ja wie ich ein künstlerischer Kopf. Und wir wollen ja gern mit unserer Kunst, sei es Musik, Text, Malerei oder was auch immer, Menschen erreichen. Mich konnte er nicht erreichen. Nicht sofort. Aber jetzt, Jahre später, hat er mich. Das hat mich entspannt. Denn auch ich kann im Moment nicht so viele Meschen erreichen, wie ich gern möchte. Aber das heißt nicht, dass ich etwas verpasse, dass mein Zeitfenster gleich vorbei ist und sich dann einfach niemand für mich interessieren wird. Das mag vielleicht komisch klingen oder ganz und gar logisch. Aber für mich war es das bisher nicht. Ich habe nämlich immer so eine gewisse Ungeduld und denke: JETZT ist die Zeit für dieses Thema oder diese Art von Kunst. Wenn ich nicht JETZT loslege und alle erreiche da draußen, fährt der Zug ohne mich ab. Totaler Quatsch. Apropos Zug, ich sitze grad im Zug. Hat aber nix damit zu tun. 

Jedenfalls freue ich mich jetzt einfach, dass ich plötzlich Ed Sheeran mag. Ich freue mich, dass ich selbst zu ihm gefunden hab, dass es über das Klavierspiel kam und ich den schönen Song "Perfect" entdeckt habe. Ich freue mich, dass ich darauf vertrauen kann, dass die guten Sachen zu mir finden, wenn ich offen und bereit bin dafür. Denn das ist doch der Schlüssel zu all dem, oder? Dass wir uns immer für alle Möglichkeiten öffnen. Egal wie unmöglich sie uns scheinen. Ich bin dankbar für diese Offenheit, die immer größer wird. 

Kategorie Alltagsgedanken

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