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Einfach machen

Seit Jahren träume ich davon Klavier spielen zu können. Naja, eigentlich seit Jahrzehnten. Wie alt man sich fühlt, wenn man in Jahrzehnten redet. 

Als der Exmann noch bei uns wohnte, hatten wir ein echtes Klavier, aber auf dem konnte ich nicht lernen, weil ich immer das Gefühl hatte, dass mir alle zuhören. Nicht nur die Kinder, das ginge ja noch, aber alle außerhalb der Wohnung. Natürlich hört in Wahrheit keiner zu, aber in meinem Kopf lachten sich alle kaputt über meine holprigen Anfänge. Außerdem konnte ich abends nicht üben, wenn die Kinder schliefen, weil das zu laut war. Ein E-Piano wollte ich immer. 

Aber ich hab ja eh keine Zeit. Ist ja so schon zu wenig Zeit für alles. Wann soll ich da noch Klavier spielen? Und Geld ist auch nicht da für ein Klavier. Kostet ja alles Unmengen. 

Und dann hatte ich genug von diesem Geträume vom abendlichen Geklimper. Ich hatte genug davon mir die Musikstücke von Ludovico Einaudi anzuhören und mich selbst zu bemitleiden, dass ich nicht spielen konnte. Also kaufte ich ein Klavier. Ein schönes. Nicht sehr billig, daran zahle ich jetzt eine Weile. Aber seitdem es im Wohnzimmer steht, macht es mich glücklich. Jeden Tag. Marie Kondo hätte ihre wahre Freude an meinem Gefühl, wenn ich das Piano anschaue. 

Und seitdem es da steht, spiele ich darauf. Fast jeden Tag. Ich lerne und lerne, übe und übe. Ich holpere und werde besser. Und das allerbeste: Ich habe die größte Freude dabei. Manchmal sitze ich Stunden am Klavier und merke es nicht. Die Zeit fehlt mir überhaupt nicht im Tag. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dass die Tage viel erfüllter sind. Weil ich die Lücken nicht mit Handy und Social Media befülle, sondern mit Klavierspielen. Das fühlt sich unglaublich gut an.

Heute kommen die bestellten Noten an. Alles Stücke von Ludovico Einaudi. Ich bin noch längst nicht soweit die spielen zu können. Aber sie sind meine Inspiration und mein Motor. Ein paar Teile werde ich üben können, während ich weiter die Grundlagen lerne. Und eines Tages werde ich das erste Stück spielen können. Das spüre ich jetzt schon, das Glücksgefühl.

Wir schieben so viele Dinge auf. "Später mal..." oder auch gern unter Eltern: "Wenn die Kinder aus dem Haus sind." Aber das ist noch so lange hin. Das Leben aber passiert jetzt. Genau hier. Wir verpassen so viel, wenn wir es auf Instagram verbringen. 

Was wolltest du schon immer mal machen? Lernen? Ausprobieren. Go for it. Das Leben wartet nicht auf dich. 

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