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VH50 Chinas Schmach - oder wie Geschichte die Zukunft prägt

Leonida Gioannetti, LE TRUPPE INTERNAZIONALI ED IL GRAN COLOSSO CHINESE, LA RANA, 1900

Visual History feiert in diesem Monat seinen ersten Geburtstag! Die heutige Karikatur möchte ich aus diesem Anlass einem besonders wichtigen Thema widmen. Außerdem stammt die obige (farbige!) Zeichnung aus einer besonders interessanten, heute leider vergessenen Zeitschrift. Dazu unten mehr.

China heute: Kampf um Hegemonie

Chinas rasante Modernisierung hat das Land zu einer führenden Wirtschafts- und inzwischen sogar Technologiemacht werden lassen. Der scheinbar unaufhaltsame ökonomische Aufstieg des Reichs der Mitte wirft dabei existentielle Fragen auf: Droht eine Konfrontation zwischen den USA und China, zwischen der alten Supermacht und der Supermacht der Zukunft? Wenn dem so ist, wird diese Auseinandersetzung nur auf dem Feld der Wirtschaft, der Propaganda und der Ideologie ausgetragen? Oder drohen militärische Zusammenstöße?

Was will China? Für den amerikanischen China-Experten Michael Schuman ist die Antwort auf diese Frage relativ einfach: China will das, was es immer wollte. China war in seiner Geschichte so gut wie immer eine Supermacht — und es will wieder eine Supermacht sein. Den Niedergang im 19. Jahrhundert, der um das Jahr 1900 seinen Höhepunkt erreichte, wird als tiefe Schmach empfunden. Damals hatte der „chinesische Koloss“ dem Imperialismus der Europäer (sowie Japans) nichts entgegenzusetzen.

Und welche Folgen hätte es für freiheitlich-demokratische Gesellschaften, wenn sich die pseudo-kommunistische Diktatur im Systemwettbewerb mit dem Westen als überlegen erweist?

Diese tiefe nationale Demütigung durch die Kolonialmächte prägt das Geschichtsbewusstsein vieler Chinesen bis heute – gefördert durch die kommunistische Führung. Das zentrale Narrativ Xi Xinpings lautet: Ein einiges, starkes, nationalbewusstes und zentralistisch regiertes China sei notwendig, um einerseits das Chaos, die Verwüstungen und Demütigungen aus der Zeit vor der Machtergreifung der KPCh zu vermeiden, andererseits das Land vor den Hegemonialansprüchen des Westens zu bewahren. (Hanns Hilpert)

LA RANA

LA RANA war eine humoristische Wochenzeitung, die im November 1865 von Leonida Gioannetti und Augusto Grossi in Bologna gegründet wurde. Besonders faszinierend sind die Farbkarikaturen, von denen die Mehrzahl über Italien hinausblickt. Die Tatsache, dass sich viele mit wichtigen Themen europäischer Politik befassen, macht sie m.E. für die Forschung besonders interessant. Umso erstaunlicher, das LA RANA heute selbst unter Karikaturforschern praktisch vergessen ist.

Die Zeitschrift geriet 1873 in eine schwere Krise, als Grossi beschloss, die Redaktion zu verlassen und Il Papagallo zu gründen – diese Zeitschrift wird in einer der nächsten Ausgaben von Visual History vorgestellt werden.

1911 stellte der „Frosch“, so die deutsche Übersetzung, sein Erscheinen ein.

 

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Hilpert, Hanns, Chinas gelenkte Erinnerung. Wie historische Ereignisse erinnert, glorifiziert, umgedeutet und verschwiegen werden, SWP-Aktuell 2019/A 70, 18.12.2019, https://www.swp-berlin.org/publikation/chinas-gelenkte-erinnerung (Öffnet in neuem Fenster)

Naß, Matthias: Drachentanz. Chinas Aufstieg zur Weltmacht und was er für uns bedeutet, München 2021

Schuman, Michael: Die ewige Supermacht, Berlin 2021

Kategorie Geschichte

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