#11 | Dez 24: Männer zu Stein verwandeln
Im Verbitterten Newsletter findest du jeden Monat meine FLINTA-Empfehlungen aus Kultur und Medien – von Serien bis Podcasts. Lasst uns männlich dominierte Narrative hinterfragen und neue Perspektiven kennenlernen. Plus: Ein Blick hinter die Kulissen meines Podcasts Verbittert Talentlos. (Öffnet in neuem Fenster)
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Hier sind meine FLINTA-Highlights des Monats:
Nach der Folge über Monster und Mütter (Öffnet in neuem Fenster), habe ich weiter recherchiert und bin auf dieses Buch gestoßen: Women & other Monsters von Jess Zimmermann. Leider gibt es das Buch nur auf Englisch, daher ist mir die Lektüre nicht so leicht gefallen. Der Text ist jedoch bewusst nicht akademisch gehalten, sondern verbindet auf emotionale Weise persönliche Erfahrungen mit literaturwissenschaftlicher Analyse.
Zimmermann untersucht weibliche Monster aus der antiken Mythologie und zeigt, wie sie für Tabus stehen, die noch immer die Vorstellungen von Weiblichkeit prägen. Sie verknüpft die tradierte Scham und die Rollenmuster, die wir erlernen, mit den Geschichten, die uns umgeben.
Zimmermann deutet die Monströsitäten, die mit Weiblichkeit und weiblichen Körpern assoziiert werden, als Zeichen der Macht:
„We can birth from our bodies every one of men’s fears.“ (S.198)
Medusa: Ihr „Makel“ ist ihre Hässlichkeit, die Männer erstarren lässt. Das Kapitel How to turn a man to stone beschreibt, wie weibliche Stärke zur Gefahr stilisiert wird.
Charybdis: Der tödliche Strudel steht hier für das Tabu des weiblichen Hungers. Zimmermann schreibt: „Eine Frau mit Appetit gilt als gierig. Ihr Hunger überschreitet stets das Maß, denn er sollte eigentlich gar nicht existieren.“(S.32)
Skylla steht als Symbol für die Vagina dentata (männliche Kastrationsangst) trägt Skylla einen Unterleib aus wilden Hunden. Einst eine Nymphe, wurde sie aus Eifersucht von Zirze verwandelt.
Die Sirenen verkörpern die Verführungskraft, die reguliert werden muss. Doch aus ihrer Perspektive könnte die Geschichte Singing for bread heißen: Weibliche Verfügbarkeit wird zur Währung gemacht.
Die Harpien werden bei Zimmermann zum Sinnbild für das Stehlen von männlichem Besitz und die Bedrohung männlicher Besitzansprüche.
Furien sind Richterinnen und Wächterinnen. „Sie tragen Schwarz oder Blutrot, manchmal tropft tatsächliches Blut von ihnen.., und sie atmen giftige Dämpfe aus. .. Sie sind definitiv nicht nett – aber Nettigkeit ist oft das Gegenteil von Gerechtigkeit. Nettigkeit ermutigt dich, Ausnahmen zu machen, still zu bleiben, zu beschwichtigen, an die vielversprechende Zukunft dieses Jungen zu denken.”(S.121)
Die Hydra steht für feministische Allianzen. Das Kapitel Come back twice as hard zeigt, wie Zusammenhalt das Patriarchat herausfordert. Umso stärker versucht es, Frauen in Konkurrenz zueinander zu setzen.
„Von Frauen und Mädchen wird erwartet, dass sie auf beruflicher und sozialer Ebene sowie auf dem Spektrum von Flirts bis zur Ehe um die Aufmerksamkeit von Männern konkurrieren. .. Man muss auf den Bedingungen gewinnen, die das Patriarchat aufgestellt hat, damit Frauen immer mit sich selbst und untereinander kämpfen: .. Es geht darum, hübsch genug, dünn genug, beliebt genug, cool genug zu sein und von Männern begehrt zu werden – selbst wenn Männer nicht das sind, was man selbst begehrt. Bald wird es auch darum gehen, die perfekte Beziehung, die perfekte Ehe, die perfekte Familie zu haben und das eigene Zuhause und Berufsleben auszubalancieren, ohne dabei sichtbar erschöpft zu sein. Man wird ständig dazu eingeladen, sich mit anderen Frauen – und nur mit anderen Frauen – in jedem einzelnen dieser Aspekte zu vergleichen.“ (Laurie Penny Article @ The Baffler)
(Öffnet in neuem Fenster)Priscilla war erst 14 Jahre alt, als sie 1959 Elvis in Deutschland traf, wo er beim Militär stationiert war. Ein Teenager, der dem größten Mädchenschwarm seiner Zeit begegnet – und von ihm ausgewählt wird. Die junge, unerfahrene und natürlich wunderschöne Priscilla wird die Frau an seiner Seite, oder besser gesagt, die Frau in seinem Schatten. Sechs Jahre später heiraten sie, und bald darauf wird Priscilla mit ihrer Tochter Lisa-Marie schwanger.
Beim Schauen des Films Priscilla musste ich immer wieder an das Kapitel über die Sphinx aus Women & Other Monsters denken. Die Sphinx, so die Legende, hütete okkultes Wissen, das Männern verborgen blieb. Ihr „monströser Makel“ war also, dass sie mehr wusste – und dieses Wissen nicht teilte.
„Männer mögen es nicht, wenn Frauen sie übertreffen. Einige von ihnen werden lügen, um das zu verhindern. Einige werden dich verletzen. Einige werden dich jung finden und klein halten. Und einige von ihnen werden dich in einer Geschichte wie in einem Käfig gefangen halten.“
(Women & other Monsters)
Im Film bleibt Elvis eine Nebenfigur, aber eine prägende: kontrollierend, besitzergreifend, herablassend. Selbst die Art, wie er „Baby“ zu ihr sagt, klingt nicht liebevoll, sondern zeigt die Machtverhältnisse. Er hat sich tatsächlich ein ein „Baby“ zur Frau gebommen. Er wünschte sich ein Mädchen, das unerfahren, jung und naiv ist. Er legte es auf eine Beziehung an in der er alles bestimmt und sie dominiert, in der er der erfahrene Mann von Welt, der beste Liebhaber und das unfehlbare Idol ist. Er wird zu ihrer ganzen Welt und macht ihre Welt zugleich winzig klein. Diese Welt besteht im Grunde nur noch aus dem hochflorigen weißen Teppich, der überall in dem riesigen Anwesen ausgelegt ist. Für Priscilla wirkt Elvis anziehend und angsteinflößend zugleich. Für uns Zuschauende wirkt er wie ein pädophiler Vollidiot, der nicht Manns genug ist, eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen
„Wenn man die Dinge so gestaltet, dass die Andere keine Möglichkeit hat, einen herauszufordern – weil .. sie die Erfahrung oder die Ressourcen nicht hat .. – dann bleibt die eigene Position gesichert.“
(Women & other Monsters)
Der Film ist sehr ruhig und langsam erzählt, stellenweise langweilig und enthält kaum Handlung. Sophia Coppola zeigt keine klassische Biografie, sondern eine Fallstudie über Machtdynamik – die Dekonstruktion eines Idols. Aus einer weiblichen Perspektive erzählt, wirkt der Film wie eine Gegenerzählung zu männlich dominierten Mythen. Er entlarvt, wie sehr männliche Narrative unsere Wahrnehmung und Werte prägen.
Im letzten Monat hab ich zwei Serien in der ARD-Mediathek geglotzt, die ich euch empfehlen kann, wenn ihr – so wie ich – abends im Binge-Mode seid.
In Schwarze Früchte (Öffnet in neuem Fenster)folgen wir Lalo, er ist Anfang 20, und steht einerseits am Anfang seines Erwachsenenlebens und dennoch wirkt sein Leben zeitweise wie eine Sackgasse. Die Serie trifft damit einen empfindlichen Punkt in einer Art Übergangsphase im Leben. Ich fühl mich als Millenial schon ein bisschen voyeristisch, wenn ich der Gen Z so beim Heranwachsen zusehe und gleichzeitig ist es beruhigend oder auch beunruhigend, dass sich die Problem und der allgemeine Weltschmerz offenbar doch nicht so sehr zwischen den Generationen unterscheidet. Nebenbei werden race und intersektionale Diskriminierung schmerzhaft, lustig und verunsichernd unter den Plot gemischt.
Die Figur von Lalo ist mir so nah gegangen, wie seit Hannah in Girls! keine mehr. Man glaubt Lalo zu kennen, der von Lamin Leroy Gibba (der auch das Drehbuch geschrieben hat) so vielschichtig und natürlich gespielt wird und der echt oft „Voll!“ sagt.
Bad Influencer ist (Öffnet in neuem Fenster) eine recht aufgedrehte und extrem kurz erzählte satirische fiktionale Serie über Donna, die zur feministischen Influencerin @AngryKilljoyFeminst wird um den Pick-up Artist Pascal auszuboten.
Ich find das ARD Cover wieder total daneben. Das soll wahrescheinlich eine Youtube-Ästhetik nachahmen, um die „junge“ Zielgruppe anzusprechen. Auf mich wirkt es wie ein sich anbiderndes kontroverses Reportage-Format und ich hab es nur angeklickt, weil ich einen Trailer auf Insta gesehen hab. Also lasst euch davon nicht abschrecken.
Bleibt unbequem. Eure Susi!
Ein Re-Upload von VERBITTERT TALENTLOS erscheint am Do 12.12.24 | 👸🚗 Sei kein Mädchen: Wie geht geschlechteroffene Erziehung?
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