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Folge 17

Etwas Altes: Meine Zukunft

(2015)

Etwas Neues: Böse #ffee

Eine meiner großen Ängste ist es, wenn ich zu Partys einlade, liebe Menschen zu vergessen. Es ist keine unbegründete Angst, weil ich seit meiner schweren Anämie vor ein paar Jahren ein absolutes Matschgedächtnis habe. (Vielleicht war ich sogar fast mein ganzes Leben lang anämisch, dazu irgendwann mehr.) Obendrauf kommt noch die 2020/21-Coronaverspultheit – hier können jetzt vermutlich sehr viele Menschen connecten – es ist mitunter so arg, dass ich vorübergehend die Existenz von Personen ganz vergesse, obwohl ich sie wirklich sehr gernhabe. Diese Befürchtung, unbeabsichtigt Leute zu übergehen, nenne ich die Böse-Fee-Angst, denn im Märchen Dornröschen ist es ja eine nicht zur Party eingeladene 13. Fee, die berechtigten Ärger verspürt und sehr heftig reagiert, indem sie der Titelfigur per Fluch den Tod wünscht. (Bitte verflucht mich nicht, falls ich euch mal nicht einlade, obwohl ihr damit rechnen könnt; kommt einfach trotzdem zur Party, denn die ca. drei Personen auf der Welt, die ich näher kenne und wirklich furchtbar finde, wissen das sehr genau. Bitte verflucht mich auch nicht, wenn ich euren runden Geburtstag vergesse, weil ich drei Monate vorher angefangen habe, eine Geschichte für euch zu schreiben, die nicht gleich gelang, woraufhin ich den Geburtstag dann gleich ganz vergessen habe ... Es bin nicht ich, es ist mein Matschgedächtnis.)

Die Böse-Fee-Angst kenne ich auch in digitaler Form, sie wird ausgelöst, wenn ich auf Twitter Folgeempfehlungen (#ff) schreibe. Sammel-#ff schreibe ich aktuell gar nicht mehr, weil die Wahrscheinlichkeit, dass man bei einer Liste mindestens zwei Personen erwischt, die sich nicht mehr leiden können, in den letzten Jahren exponentiell gewachsen ist. Die Böse-#ffee-Angst betrifft aber etwas anderes, ich befürchte, Menschen zu vergessen, die mir sofort einfallen müssten, weil ich ihre Tweets und sie toll finde und die vielleicht auch damit rechnen, weil sie von meiner Wertschätzung wissen. Hier habe ich weniger Angst davor, selbst verflucht zu werden, als unbeabsichtigt bei anderen das Gefühl fehlender Relevanz zu erzeugen oder zu verstärken. Es ist leider ein aus struktureller Ungerechtigkeit resultierender Fluch, dass sich immer die besonders wenig toll finden, die sachlich am wenigsten Grund dazu haben. Bitte prägt es euch für den Fall der Fälle ein: Wenn ich euch mal nicht empfehle – es seid nicht ihr, es ist mein Matschgedächtnis! 

An dieser Stelle verteile ich einmal großzügig symbolisch goldene Teller an alle Feen im Internet, ihr sollt unbedingt alle mit am Tisch sitzen.

Etwas Geborgtes: Ein Zitat

»Wann wirst du deinen Mund aufmachen und Geld für deine Arbeit fordern?« Lavinia Branişte, Sonia meldet sich (Öffnet in neuem Fenster), S. 92

Etwas Uncooles: Arme, die Gerechtigkeit für Reiche einfordern

Ich war vor zwei Wochen in München, um beim Geburtstag meiner Mutter dabei zu sein. Es gab einen Außengastro-Restaurantbesuch mit zwei ihrer engsten Freundinnen. Die eine, L., sie ist Mitte 80, ist schon immer so eine Art wahlverwandte Tante für mich gewesen. L. ist ein sehr lieber, sanfter, unglaublich hilfsbereiter Mensch. Ich habe immer ein bisschen bedauert, dass sie nicht auch etwas mehr für sich persönlich gewollt, gefordert und bekommen hat, aber auf eine Art hat sie ihr Glück oder zumindest einige Zufriedenheit in extremem Altruismus gefunden. Dieses Mal aber ist die Selbstaufgabe zugunsten von anderen etwas entgleist, als L. uns allen Ernstes erzählte, dass sie im Fernsehen eine Reportage gesehen habe, in der ein Historiker davon berichtete, sein geerbtes Haus im Wert von zwei Millionen Euro wegen der Erbschaftssteuer (und den Grünen) nicht mehr halten zu können. Wunderschön, so L., sei das historische Haus gewesen und der Mann sehr sympathisch. Nun muss man wissen, dass meine Wahltante von sechzehn Jahren an durchgehend gearbeitet hat, ihr wurde kein Abitur und Studium zugestanden, sie konnte also kein sympathischer Historiker werden. Geerbt hat sie auch nicht, sondern immer zur Miete gewohnt. Heute muss sie von einer winzigen Rente leben, so dass sie sich so gut wie nichts leisten kann und große Sorge hat, demnächst ein betreutes Wohnen in München nicht finanzieren zu können. Sie erwägt, dann aufs Land zu ziehen, was soll sie auch machen, wenn ihr das Geld für die Stadt fehlt ... – L. muss also seit über zwanzig Jahren mit zu wenig Geld klarkommen, trotzdem hat sie Mitleid mit einem unbekannten Millionenerben. 

Foto aus den späten 1950ern: rechts meine Mutter, links L. mit schon immer zu viel Herzchen vorm Kopf

Es war sehr wohltuend, zu erleben, dass nicht nur ich ausrastete – erwartbar –, sondern auch meine Mutter und die andere Seniorin. Aus beiden brach spontan ein johlendes Eat the rich heraus, natürlich in nicht ganz so drastischen Worten. Wenn ich veranschlage, dass hier zwei von drei alten Damen sich nicht länger verarschen lassen wollen, würde ich sagen: Es gibt auch bei den alten Wählenden durchaus noch Hoffnung.      

Rubrikloses

Drei Füchse und ein Gartenhandschuh (#Fuchsnews)

Mein erstes öffentliches Panel, bei dem ich die Artengrenze überschritten habe, ich bin die Katze mit Smartphone oben links. 

Nur 14 Monate verspätet! Bitte kaufen (Öffnet in neuem Fenster), lesen, besprechen. 

Aktuell bin ich Au pair für einen weiteren Garten und eine weitere Katze und bedauere, dass das nicht mein Hauptberuf ist.

Mehr #Fuchsnews

Guerlica 

Zurück zur Bio-Logik, zu den Bio-Logistiker*innen, wir sehen uns in einer Woche wieder.

– Seid lieb, nur nicht zu Nazis.

FrauFrohmann

Wer mag und kann, gern New Frohmanntic als zahlendes Mitglied mit persönlich passender Beitragshöhe unterstützen. Bitte kauft und lest auch Bücher aus dem Frohmann Verlag (Öffnet in neuem Fenster). Lieben Tag! Dankeschön.

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