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Über Insta-Hack-Rezepte, den „Tagesschau“-GAU und Dschungelscheiße

Der Übermedien-Newsletter von Frederik von Castell

Liebe Übonnent:innen,

wenn Sportredaktionen fragen, welchen der beiden Fußballer Lionel Messi oder Christiano Ronaldo man nun „GOAT“ nennen sollte, meint man dort keine Ziegen. Das Wort ist ein Akronym und steht für „greatest of all time“. 

Welchen Sinn hat die Suche nach dem oder der allerallerallerbesten aller Zeiten, dem Messias eines Sports, der sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt selbst, aber auch in seiner medialen Betrachtung verändert und schon deshalb zumindest statistisch kaum zulässige Vergleiche ermöglicht?

Vermutlich nur den, dass Redaktionen wie die von „spox.com“ immer wieder etwas haben (Öffnet in neuem Fenster), worüber (Öffnet in neuem Fenster) sie (Öffnet in neuem Fenster), ähm (Öffnet in neuem Fenster), berichten (Öffnet in neuem Fenster) können (Öffnet in neuem Fenster), egal zu welcher Sportart und selbst wenn absolut gar nichts passiert.

Nun sei der sportlichen Fairness halber hier einmal erwähnt, dass ich von größeren Teilen der Sportjournalismus-Bubble, die oft affirmativ berichtet, grundsätzlich nicht allzu angetan bin. Gerade, wenn es um Fußball geht und wenn auch noch „das Transferfenster“ floskelhaft „geöffnet ist“, wie jetzt, könnte ich mich täglich über clickbaitige Berichterstattung zu wildesten Gerüchten aufregen. Und dass die kritische Distanz zum Objekt der Berichterstattung in Teilen des Sportjournalismus oft erst dann und höchstens halbherzig angenommen wird, wenn der Sport und seine Funktionäre gesamtgesellschaftlich in den Blickpunkt geraten, konnte man Ende 2022 beobachten. Katar (Öffnet in neuem Fenster), Sie erinnern sich.

Umso überraschter war ich, als ich am Freitag einen Kommentar bei „Spox“ (Öffnet in neuem Fenster) las, der sich zumindest in Ansätzen kritisch mit dem Aufeinandertreffen der beiden „GOAT“-Aspiranten Messi und Ronaldo auseinandersetzte. Der Kick fand wieder einmal „in der Wüste“ statt, Messis Mannschaft aus Paris war zum Freundschaftsspiel nach Saudi-Arabien geladen, wo Ronaldo seit kurzem spielt (wobei er sich da selbst nicht ganz so sicher (Öffnet in neuem Fenster) scheint). 

Das Spiel selbst habe trotz seiner sportlichen Irrelevanz zwar mit reichlich Toren, Elfmetern und einer roten Karte den Zuschauern „beste Unterhaltung“ geboten, schreibt Autor Christian Guinin. Aber eben auch:

„Es hätte ein perfekter Abschluss der sich über Jahre aufbauenden sportlichen Rivalität zwischen Ronaldo und Messi sein können, wären da nicht die äußeren Umstände gewesen, die das Spiel letztlich zu einer einzigen Farce verkommen ließen.“

Die äußeren Umstände schlüsselt er anschließend auf: Für kolportierte zehn Millionen Euro sei Paris in den „Wüstenstaat“ für dessen „Sportswashing“ gekommen sein, das Spiel wurde zu einer „politischen Inszenierung“. 

„Verheerend“ nennt Guinin gar, dass vor dem Spiel noch Saudi-Arabiens „Sports-Chairman“ Turki Al-Sheikh „Hand in Hand“ mit dem Präsidenten des Pariser Fußballklubs (Nasser Al-Khelaifi aus Katar) und dem Bollywood-Schaupspieler Amitabh Bachchan auf den Platz kam, um die Spieler zu begrüßen. „Was genau ‚Big B‘, wie Bachchan in seiner Heimat genannt wird, dort überhaupt zu suchen hatte, können wohl nur die Veranstalter selbst beantworten“, schreibt Guinin, und erahnt „marktpolitische Aspekte“ und schiebt hinterher: „Getreu dem Motto: Geld stinkt nicht.“

„Die Krone“ habe dem Ganzen aber die letzte halbe Stunde des Spiels aufgesetzt. Weil die Kameras vor Ort, so beschreibt es Guinin, minutenlang statt grünem Rasen und Fußball nur noch die inzwischen ausgewechselten Stars Ronaldo, Messi, Neymar oder Mbappé auf der Bank filmten (Öffnet in neuem Fenster).

Ich bin da ganz bei Guinin, das ist eine Farce. Und ich möchte ihm und „Spox“ beim Lesen zurufen: Belasst es dabei! Aber am Ende kann oder will es der Autor nicht anders, als das für ihn offenbar eigentliche Problem zu offenbaren. Dass der Sport „einmal mehr zur Zielscheibe politischer Inszenierung“ wird, stört ihn nämlich vor allem wegen  „der beiden GOATs“:

„Ein würdiges Ende der jahrzehntelangen Rivalität zwischen den vielleicht besten Fußballern der Geschichte war es (...) nicht.“

Und weil „Spox“ ist, was es ist, macht es an anderer Stelle zum gleichen Spiel einfach gute Mine. Ein Video (Öffnet in neuem Fenster) („Letztes GOAT-Duell? Messi vs. Ronaldo endet mit Trophäen-Teilung“) fasst das Spiel, Entschuldigung: „das wohl letzte Kapitel  des epischen Kampfes der beiden Veteranen“, in Standbildern zusammen. Und einen eigenen Live-Ticker (Öffnet in neuem Fenster) hatte man natürlich auch am Laufen. Dort heißt es am Schluss:

„Wenn das wirklich das letzte Mal war, dass sich diese beiden Superstars auf dem Rasen gegenüberstehen, war es ein würdiger Abschluss ihrer sportlichen Rivalität.“

Also alles wie immer.

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(Ü) Exklusiv für Übonnent:innen

Wir helfen ja, wo wir können.

Vor zwei Jahren meldete sich die Weimarer Bauhaus-Uni bei uns. Die Leute dort waren ein klein wenig verzweifelt, weil sie nach einem Hacker-Angriff vor vielen Monaten nicht mehr an ihren Instagram-Account kamen. Die Uni hatte alles versucht, hatte viele Mails an Instagram bzw. Facebook geschickt, auch Dokumente, sogar die Kopie eines Sozialversicherungsausweises. Aber es geschah: nichts. Es antwortete immer nur irgendein Max oder eine Debbie oder ein Daniel von Instagram. Und dann passierte wieder: nichts.

Unser damaliger Redaktionsleiter Jürn Kruse nahm sich der Sache also an, und nicht mal 30 Stunden nach seiner Anfrage hatte die Uni, tadaaa ... ihren Account zurück! Übermedien wirkt. Und Jürns Text (Öffnet in neuem Fenster) darüber trägt die schöne (und traurige) Überschrift:

„Instagram-Support braucht nur neun Monate, um der Bauhaus-Universität ihren Account wiederzugeben“.

Geändert hat sich offenbar wenig.

Neulich meldete sich wieder eine Uni bei uns, die Brandenburgische Technische Universität Cottbus Senftenberg (BTUCS), wo sie auch „einigermaßen verzweifelt“ waren, wie eine Mitarbeiterin schrieb. Alle Versuche, Zugang zu ihrem im August 2022 gehackten Account (Öffnet in neuem Fenster) zu erhalten, seien gescheitert. Der Insta-Mutterkonzern Meta stelle sich tot und reagiere nicht auf Anfragen. In ihrer Verzweiflung googelte die Mitarbeiterin deshalb, was man da noch machen kann und ob überhaupt irgendwas – und stieß auf unseren Artikel, der wie der allerletzte Strohhalm gewirkt haben muss.

Es ist wirklich nicht leicht, an Instagram ranzukommen. Auch als Journalist. Die beiden Pressesprecherinnen von damals sind heute nicht mehr bei Meta, und glauben Sie nicht, man würde einfach so einen Kontakt zu einer Pressestelle von Insta finden. Also mal bei den früheren Sprecherinnen anrufen, die beide sehr nett sind und sehr hilfsbereit. Sie sagen, wo man sich hinwenden könne: an eine PR-Agentur (Öffnet in neuem Fenster), die etwa für Bosch und Iglo und Hella Mineralbrunnen arbeitet – und auch die Pressearbeit für Insta und Facebook erledigt.

Als wir ihr schreiben, fragt die Agentur, ob die Uni denn schon instagram.com/hacked (Öffnet in neuem Fenster) ausprobiert habe, das sei „ein neues Formular von Instagram, um Nutzer*innen zu unterstützen, die Probleme beim Zugriff auf ihr Konto haben oder deren Konto möglicherweise gehackt wurde“.

Guter Hinweis. Schlechter Hinweis.

Denn natürlich hatte die Uni das längst versucht. Die Mitarbeiterin schreibt, sie habe alle Vorschläge der Seite befolgt und „circa 50 Video-Selfies hochgeladen“, um sich zu identifizieren. Da der Hacker aber die Telefonnummer geändert und Authentifizierungscodes eingerichtet habe, bringe das alles nichts. Das neue Insta-Formular ist also nicht nur schön neu, sondern offenbar auch nutzlos.

Am Ende musste die Uni eine brandneue Mail-Adresse anlegen, die PR-Agentur hat den Fall „eingereicht“, und dann kam ein Link, über den die BTUCS ihren Account zurückerobern konnte. Großer Jubel! „Wirklich unglaublich“, schreibt uns die Mitarbeiterin, nach fast sechs Monaten „Bangen und Hoffen“ hätten sie ihren Kanal „wirklich wieder zurück“! Sie sei Übermedien dafür „sooo unendlich dankbar“.

(Gern geschehen!)

Möglicherweise müsste sich Instagram da mal etwas ausdenken, wenn dem Konzern irgendwas an seriösen Usern, etwa einer Uni, liegt. Aber danach sieht es auch heute irgendwie nicht aus. Okay, andererseits: Damals dauerte es, mit unserer Hilfe, insgesamt neun Monate, bis der Account wieder an seinen Besitzer zurückging. Und dieses Mal knapp sechs. Das ist ja schon mal eine Verbesserung.

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende,

Ihr Frederik von Castell

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