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Newsletter 19: Special - Leserfragen zum Trump-Theater

In der Nacht zu Samstag haben Präsident Donald Trump und Vize Vance den ukrainischen Präsidenten Selenskyj vor laufenden Kameras in einer nie dagewesenen Weise gedemütigt.
Aufgrund eines Umbaus meiner digitalen Infrastruktur habe ich dazu lediglich ein Posting auf der Facebook Fanpage und dem X-Account veröffentlicht. Daraufhin kamen auf allen Kanälen so viele Fragen, die ich versprochen habe, gesammelt zu beantworten.
Ein Newsletter Spezial. Ohne Bezahlschranke.

Zunächst werde ich mein Posting kopieren und dann die Fragen ohne spezifische Reihenfolge beantworten, die mir von allgemeinem Interesse erscheinen.
Ich plaudere so runter. Weil ich Rheinländer bin und heute Rosenmontag ist.

Das Posting

»Was Trump da gestern abgezogen hat ist weit schlimmer, als die unwürdige und geplante Shitshow, die man quasi sehen konnte.

Man darf Trump gerne für einen narzisstischen Soziopaten halten. Aber nur, weil vielen Mitteleuropäern das Verständnis abgeht, ist er deshalb nicht blöd. Er ist ein wirtschaftsbasierter Machtmensch, Moral und Ethik spielen in seiner Weltanschauung eine untergeordnete Rolle.

Er verfolgt eine Großmachtpolitik, in der die Großen, zu denen auch Russland gehören soll, über das Schicksal der Kleinen entscheiden und in der es ausschließlich um wirtschaftliche Interessen geht.
Dafür ist es gemäß Ockhams Rasiermesser überhaupt nicht nötig, dass er "russischer Spion" ist, von "Putin gesteuert" wird oder was sich sonst schon wieder für Verschwörungsscheiße im Netz finden. Seine Interessen sind völlig identisch mit denen Russlands. Bis es zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Russland käme.
Trump hat genau das so angekündigt.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde versucht eine neue Sicherheitsordnung zu etablieren. Die dieser Großmachtpolitik entgegensteht. Der Kolonialismus wurde beendet, man versuchte das Völkerrecht zur grundlegenden Maxime zu machen und schien verstanden zu haben, dass man selbst die Interessen der Kleinen und sogar Verlierer berücksichtigen sollte. Dies ging über die wirtschaftlichen Interessen hinaus, da es am Ende des Tages die Chance gab, dass alle davon profitieren.

Mit seiner Politik hat Trump und seine Entourage das binnen weniger Wochen abgeräumt. Wir befinden uns in diesem Kontext wieder in einer Situation, wie sie bis nach dem Ersten Weltkrieg herrschte.
Wer das nicht versteht, sollte mal die Kongokonferenz 1884 googeln oder sich fragen, was der Papst damit zu tun hat, dass Südamerika Spanisch und Brasilien Portugisisch spricht.

Ich sehe die Zeichen, dass die europäische Politik das sehr wohl verstanden hat. Auch wenn sie daran hadert, wie damit umzugehen ist.
Nach meiner Wahrnehmung haben viele US-Amerikaner aber noch nicht verstanden, was Trump da international auch für die USA anrichtet. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, dass ein Drei-Eier-Omelette 20 Dollar kostet, Erntehelfer fehlen und laut "America first" zu schreien.

Die NATO ist nicht Geschichte. Die USA sind in ihrer Bedeutung nach und nach zurückgefallen, ihre militärische Bedeutung für die NATO liegt inzwischen unter 50%. Aber die USA sind kein verlässlicher Partner mehr. Und Russland war es nie.
Europa und viele andere Verbündete auf der Welt stehen alleine dar und werden nun damit zurechtkommen müssen. Und ich bin sicher, sie werden es.

Wer nicht versteht oder verstehen will, was das gestern für eine unverschämte Schmierenkomödie war, der denkt in den gleichen Kategorien wie Trump. Und er hat nicht nur einen massiven Mangel an Moral und Erziehung, Würde und Rückgrat. Sondern er hat absolut nichts aus der Geschichte gelernt.

Ich sehe keinen Dritten Weltkrieg. Aber ich sehe die Gefahr vieler Kriege auf uns zukommen. Weil den Diktatoren dieser Welt gerade demonstriert wird, dass sie machen können, was sie wollen, so lange sie die Wirtschaftsinteressen anderer nicht stören.
Das betrifft nicht nur die Ukraine, sondern auch Georgien, Palästina, den Sudan und vieles mehr.

Darüber sollten vor allem selbsternannte deutsche Patrioten mal einen Augenblick nachdenken, die nicht zu verstehen scheinen, dass sie nicht zu den Großmächten gehören, die in einer "multipolaren" Welt das Sagen haben sollen.

Und nur nebenbei: Viele scheinen es für gegeben hinzunehmen, dass die Ukraine ohne die US-Hilfen verloren ist.
Sorry, sehe ich nicht.
Die USA haben als einzelnes Land zwar den größten Anteil gehabt. Sie liegen aber weit hinter Europa zurück. Ich habe dazu von Trump noch nicht eine einzige korrekte Zahl gehört.
Europa verfolgt eine Hilfe zur Selbsthilfe, es passiert sehr viel in der Ukraine.«

Nachtrag: Zu diesem Zeitpunkt hat es bereits ein großes Treffen europäischer Regierungschefs in London gegeben und eine „Koalition der Willigen“ (Anspielung auf den Dritten Golfkrieg – Irak) will sich gründen. Großbritannien hat einen Kredit von über einer Milliarde veranlasst, neben vielen andere Projekten, die derzeit laufen.

Die Fragen

Ich möchte vorwegschicken, was ich seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine versuche zu erklären. Und wo ich wieder und wieder widersprechen muss.

Ein Krieg einer solchen politischen Größenordnung - militärisch ist er nicht besonders groß – ist kein Pokerspiel, bei dem jeder einmal Karten bekommt und dann damit zurechtkommen muss. In diesem Krieg hat sich bereits sehr viel verändert. Und übrigens standen die Aussichten der Ukraine nie besser als heute.

Was Medien und andere MilBlogger gerne tun ist, das Jetzt zu beurteilen. Wie ein Auswerter, der den Ist-Zustand beschreibt. Man muss aber denken wie ein Analyst, der sich auch mit den (geo)politischen Gegebenheiten beschäftigt. Dessen Perspektive also mindestens sechs Monate, eher ein Jahr, nach vorne gerichtet ist.

Um ein Beispiel zu nennen: Über weite Strecken war die Versorgung mit Artilleriemunition ein großes Problem. Aufgrund dessen ein schneller Verlust der Ukraine vorhergesagt wurde. In diesem Bereich haben die USA dann tatsächlich viel getan.
Inzwischen ist die Situation aber eine gänzlich andere. Unter anderem hat Dänemark ganz aktuell einen Fertigungsvertrag mit dem norwegisch-finnischen Konzern Nammo geschlossen, der in einem neuen Werk in Dänemark Munition produzieren soll. Rheinmetall baut ein neues Werk in der nähe von Celle.
Es tut sich sehr viel, weshalb auch ohne Trump fraglich wäre, in wie weit US-Lieferungen von Munition überhaupt noch relevant gewesen wären.

Ich könnte viele solcher Beispiele nennen.
Die Ukraine hat nicht nur den Bau von Seedrohnen perfektioniert, wegen denen die Reste der russischen Schwarzmeer-Flotte de facto wirkungslos sind, es baut gerade eine Korvette, die Flugabwehrfähigkeiten haben wird und wodurch somit das nördliche Schwarzmeer nahezu sinnlos für Russland würde.
In der vergangenen Nacht wurde die Baschneft Raffinerie in Ufa in Russland getroffen. Über 1300 Kilometer von der Ukraine entfernt. Was bedeutet, die Ukraine verfügt inzwischen über Drohnen mit einer solchen Reichweite, die sie selber gebaut haben muss.
Es wird insgesamt sehr viel über Waffenlieferungen berichtet, aber sehr wenig über das Geld und was die Ukraine damit macht. Und es werden Menschen Kompetenzen und Fachwissen zuerkannt, die das überhaupt nicht beachten.

Screenshot eines Videos der Baschneft Raffinerie in Ufa vergangene Nacht.

Foto: Screenshot eines Videos der Baschneft Raffinerie in Ufa vergangene Nacht.

Die trumpsche Politik vermittelt das Gefühl, ein Friede sei erreichbar, wenn Selenskyj nur wolle. Das soll sie, das ist der Zweck.
Von Anfang an habe ich gesagt, dass dieser Krieg mindestens vier Jahre dauern wird. Dabei bleibe ich. Was wir sehen und was uns vermittelt wird, ist ein Framing, eine Einflussname.

„Wie ist die Stationierung von US Militär in Deutschland unter diesen neuen Umständen einzuordnen?“

Unverändert.
Europa ist die wichtigste Plattform der USA, ein vorgeschobener Außenposten so zu sagen. Auch wenn dort eingespart werden wird, wie jetzt in Griechenland, wird sich im Großen aber nichts ändern.
Ebenfalls unverändert bleibt, dass die USA nach wie vor unsere Verbündeten sind und Teil der NATO. Ich sehe nicht, dass sich das ändern wird.

Die Unsicherheit kommt wohl von woanders.
Im NATO Bündnisfall wird erst von allen beschlossen, ob es überhaupt ein Bündnisfall ist. Also wenn Russland beispielsweise Polen angreift. Und dann, welches Land wie viel Hilfe schicken will.
Das bedeutet es, wenn gesagt wird, dass die USA „kein zuverlässiger Partner mehr“ sind. Die Verbündeten können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die USA helfen. Oder in welchem Umfang. (Gilt alles nur für einen konventionellen Angriff (Öffnet in neuem Fenster).)

Was immer wieder vergessen wird ist, dass es darüber hinaus nicht nur europäische bilaterale (zwischenstaatliche) Verträge gibt, wie beispielsweise mit Großbritannien. Sondern auch eine EU-Klausel. Und die sagt, dass wenn ein EU-Mitglied angegriffen wird, alle anderen Staaten helfen müssen. Und zwar mit allem, was „in ihrer Macht steht“. Also sofort „all in“.
Deshalb sehe ich den russischen, asymmetrischen Angriff eher auf Europa, denn auf die NATO. Denn das ist viel gefährlicher für Russland, wenn Russland angreifen will.

„Warum schicken europäische Staaten nicht schon längst Söldner-Bataillone in die Ukraine zur Unterstützung?“

Weil es solche „Söldner Bataillone“ nicht gibt. Es gibt höchstens private Firmen, die aber zumeist in den USA sitzen. Würden diese von Europa bezahlt werden, würde Russland es entsprechend den europäischen Staaten anlasten.

Frankreich hat die Fremdenlegion, so etwas ähnliches gibt es übrigens in Spanien auch. Diese gehören aber zu den regulären Streitkräften. Man könnte also gleich reguläre Truppen schicken.

„Das Vereinigte Königreich soll militärisch / logistisch sehr abhängig sein von den USA. […] Gibt es da Ihrer Ansicht einen Weg wie sich das Vereinigte Königreich auch von den USA emanzipieren kann um sich für Europa stark zu machen?“

Das ist genau falsch. Gerade Großbritannien ist sehr unabhängig von den USA, Frankreich übrigens auch.

Mein Fachbereich hat sehr direkt mit den Briten zusammengearbeitet, da sie im Bereich Aufklärung noch einen Nimbus aus dem Weltkriegen haben. Daher bin ich da sehr sicher. Beide Länder verwenden fast ausschließlich Waffensysteme, die sie selber produziert haben. Und beides sind Atommächte.

„Wenn Deutschland eh so viel macht in der Ukraine, warum der Krieg dann so lange dauert. Sind wir zu ungeduldig? Und wieso merkt man das in der medialen Welt kaum.“

Wie ich ansatzweise schon erklärt habe: Durch die ad hoc Berichterstattung und die entsprechenden Kommentare kommt die Erwartung auf, es müsste ja langsam mal vorbei sein.

Tatsächlich ist es aber völlig anders.
Die Unterstützer haben der Ukraine vor allem Geld gegeben. Das wird aber wenig berichtet, weil es super differenziert ist, welche Verträge dort geschlossen wurden. Anleihen, Kredite, Geschenke… Das macht sich nicht gut in Schlagzeilen.
Die Deutschen waren beispielsweise die zweitgrößten Nutznießer des Irakkriegs, obwohl sie gar nicht daran teilgenommen haben. Und das Geld an Griechenland kommt auch doppelt- und dreifach wieder rein.
Einige Waffensysteme wurden abgegeben, die man halt noch so auf Halde hatte. Die standen rum, die waren entbehrlich.

Die AfD hat in ihrem Wahlprogramm beispielsweise behauptet (Öffnet in neuem Fenster), dass die Bundeswehr starke Einschnitte hätte, weil so viel Zeug an die Ukraine gegangen sei. Das ist Unfug.
Die Leopard waren eine alte Version – genau die, auf der ich bereits Anfang der 90er gelernt habe.

Die Gepard waren ausgemustert und erst der Ukrainekrieg hat aufgrund des massiven Einsatzes von Drohnen gezeigt, dass die „Flugabwehrkanonen“ ja doch noch zu etwas gut sind. Das hatte damals niemand auf dem Schirm.
Und so zieht sich das durch.
Insgesamt wurde sehr wenig geliefert, was tatsächlich derzeit „State of the Art“ ist. Die Panzerhaubitze 2000 beispielsweise. Aber davon halt sehr wenige.

Der Gepard, Flugkanonenabwehrpanzer.

Foto: Der Gepard, Flugkanonenabwehrpanzer.

Eine ausführliche Liste gibt es durch die Bundesregierung hier… (Öffnet in neuem Fenster)

„Was würde sich ändern, gesetzt den Fall, Trump würde demnächst altersbedingt ins Grab sinken? Und was, wenn seine Amtszeit vorbei ist, würde sich etwas ändern, würde überhaupt eine neue Wahl stattfinden?“

Also noch sind die USA ja ein demokratischer Staat.
Was derzeit passiert ist, dass sie nur in Nuancen Demokratie anders bewerten. America First ist gerade angesagt. Aber da ich nicht nur Social Media, sondern auch u.a. die Washington Post und das Wall Street Journal intensiv verfolge, habe ich den Eindruck, es macht sich langsam Widerstand breit. Auch Trump-Wähler kommen immer mehr unter die Räder.
Würden Trump und Konsorten danach streben die Neuwahlen auszusetzen, würde ich mit einem Bürgerkrieg rechnen.

Würde Trump sterben, würden die üblichen Mechanismen greifen.
Zunächst würde Vance die Macht übernehmen. Und sein Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz (Öffnet in neuem Fenster) hat gezeigt, dass er nicht so viel besser ist.

Ähnliches gilt übrigens für Putin. Auch wenn die Nachfolge dort eher ungewiss ist. Aber Russland wird auf Jahre hinweg ein nationalistischer, autoritärer, imperialistischer Staat bleiben. Die Jedinaja Rossija (Einiges Russland, Единая Россия) regiert dort seit 2003 unanfechtbar mit überwiegender Mehrheit. Putin ist nicht einmal Parteimitglied, was etwas über die mafiösen Strukturen aus St. Petersburg sagt.

Foto: Medwedew wird gerne vergessen.

„Wenn USA der Ukraine die Unterstützung mit Satellitenaufklärung verweigert - das wäre fatal, oder?“

Da wird immer wieder einiges durcheinandergeworfen.
Leider ist meine Homepage nach wie vor wegen Hacker-Angriffs down (in Arbeit), dort hatte ich einen ausführlichen Beitrag dazu veröffentlicht, wie Musk sich in den Ukrainekrieg eingemischt hat.

Bei Starlink geht es nicht um Aufklärung.
Starlink ist im Grunde ein Internetprovider wie Vodafone, Telekom oder sonst wem.
Der Vorteil ist, dass die Verbindung nicht über Kabel geht, sondern über Satelliten. Somit braucht man keinen Vertrag mit einem Provider und einen Termin mit dem Techniker machen (wie ich genau jetzt gerade), sondern kann eine Schüssel aufstellen, die automatisch Satellitenkontakt sucht, und dann läuft das.
Profi-Terroristen und Auftragskiller nutzen deshalb auch gerne Satelliten-Handys, die in Burkina-Faso oder so registriert sind.

Was daran wichtig ist, ist die Kommunikation. Vor allem die UTM-Koordinaten.
Universales Transversales Mercatorsystem: muss ich nicht einmal googeln, da ich u.a. Kartenkunde unterrichtet habe, ist das leider in mein Hirn eingebrannt. Bundeswehr, man lernt fürs Leben.

Jeder kennt das: Ein Routenplaner oder die Werbeanzeigenschaltung auf Social Media weiß, wo sein oder ihr Handy sich gerade befindet. Das ist UTM. Und das nutzen beispielsweise auch Drohnen; aber auch Flugzeuge. Und das ist existenziell wichtig dafür, Drohnen und Anderes steuern zu können.

Dafür gibt es aber auch andere Systeme und Möglichkeiten.
Nur als spontane Beispiele: Der Tornado hat die Daten eingespeist. Der Leopard hatte das gar nicht in der heutigen Form. Und ich kann mir nur sehr schwer vorstellen – ohne Googeln – dass die Panzerhaubitze 2000 sich darauf verlässt. Das System Taurus hat das übrigens zwar drin (Öffnet in neuem Fenster), aber hat noch drei (!) andere Systeme, weshalb es da gar nicht gestört werden kann.
Solche Systeme gibt es noch nicht lange und man konnte davor ja auch alles finden und treffen.

Das deutsche Taurus an einem Jäger90 im Testflug.

Foto: Das deutsche Taurus.

Deshalb bin ich sehr skeptisch mit Aussagen, dass Starlink für die Ukraine so existenziell wäre.
Wann immer ich nachgefragt habe, habe ich keine konkrete Antwort bekommen. Was meinen Eindruck untermauert, dass viele dieses Szenario verbreiten, ohne tatsächlich Ahnung davon zu haben.
Dazu muss man nämlich sehr im Futter stehen, auch bei den Abwehrmaßnahmen, die häufig darauf beruhen, dass die Verbindung zu den Satelliten gestört wird.

Nach dem, was ich derzeit weiß, sehe ich keinen Zusammenbruch der Ukraine, wenn Starlink abgeschaltet würde.
Zudem ist gerade nicht die Ukraine der Kunde, sondern Polen. Die haben nämlich Internetz für alle in der Ukraine bezahlt.

„Was, wenn die USA uns alle Dienste abschalten, wie Google, Facebook, usw.?“

Diese Frage kam mehrfach. Und ich finde sie – wie viele andere Fragen – irgendwie „aus der Realität entrückt“.

Es handelt sich um privatwirtschaftliche Konzerne, nicht um Trumps persönliche Machtinstrumente.
Es laufen in Europa noch langwierige Prozesse um europäische Forderungen bei den Betreibern dieser Netzwerke durchzusetzen. Die Frage wäre also, wie viele Rechtsanwälte aufmarschieren würden, würde die US-Regierung versuchen, diesen Giganten wie Meta (Facebook, Instagram) und Alphabet (Google, YouTube) das Geschäft zu verbieten. Zumal die meisten für Europa gar nicht aus den USA operieren, sondern von Unterunternehmen aus, die zumeist in Irland sitzen.

Was positiv wie auch negativ immer unterschätzt wird: Das sind vor allem Aktienunternehmen. Und die sind davon abhängig, was andere von ihnen halten und welchen Gewinn sie sich erhoffen.
Nur einmal angenommen, die US-Regierung würde auch nur versuchen, denen die Geschäfte in Europa zu verbieten. Wo es übrigens weit mehr Nutzer als in den USA gibt. Die Aktien würden in einem nie dagewesenen Börsencrash ins Bodenlose stürzen und die Regierung würde auf einen Schlag hunderte Milliarden verbrennen. Darüber kann jeder nachdenken, der heute Social Media nutzt und eine Werbung einer europäischen Firma ausgespielt bekommt.
Das ist das genaue Gegenteil von dem, was ich derzeit von Trump erwarten würde.

Wer eine solche Frage stellt – und das meine ich nicht böse – hat gar nicht verstanden, wie mit diesem Internetz Geld verdient wird. Der Umsatz von Alphabet liegt nicht sehr weit hinter dem Jahreshaushalt von Russland zurück.

„Wenn die USA massive wirtschaftliche Interessen in der Ukraine haben, war es doch ungeschickt von Trump, oder?“

Die USA haben Interessen, aber im Sinne des Zugewinns. Sie sind nicht direkt davon abhängig. Marktwirtschaftliche Entwicklungen mal außen vor.

Es geht vor allem um Seltene Erden. Eigentlich heißen die „Metalle seltener Erden“ und sind sehr selten. Wie der Name andeutet.
Wer es genauer wissen will, muss selber googeln, das ist hier nicht das Thema und ich habe keine Ahnung von Schemie oder Füsik.
Gebraucht werden diese Metalle unter anderem bei Plasmabildschirmen. Jeder von uns hat mit seinem Handy seltene Erden in der Tasche.

Aus meiner vorherigen Tätigkeit weiß ich, das Philip Morris International (Marlboro), zu dem ich sehr gute Kontakte hatte, ein neues Produkt im Bereich der Tabakerhitzer verschieben musste, weil Seltene Erden fehlten. Und deshalb geben Hersteller Nachlässe für Altgeräte.

In Europa gibt es für das geläufigste Extraktionsverfahren nur noch eine Produktion in Frankreich und Estland. Alles andere ist in der Hand der Chinesen. (USA-China-Wirtschaftskrieg, merkst‘e selber, nä? *zwinkazwonka)
Trump will also seine kurzen Finger an die Seltenen Erden in der Ukraine bekommen.

Und wenn man das weiß, wird alles andere sehr offensichtlich.
Zunächst bietet Trump der Ukraine einen „Deal“ an, in dem die Ukraine den USA die Rechte zur Abschöpfung gewährt. (Der Volltext wurde übrigens vom Wall Street Journal geleakt, ist gespeichert.)
Dann spricht Trump mit Russland.
Und dann wechselt Trump scheinbar (!) die Seiten, weil er nicht das bekommt, was er will. Weil die Ukraine sich geweigert hat, die Zugeständnisse zu machen, die er erwartet hat.
Um den Druck zu erhöhen, veranstaltet Trump die Shitshow, über die wir gerade sprechen.

Aber bitte keine Verschwörungsmythen! Es dreht sich nicht alles um Seltene Erden.
Wie bereits erklärt, will Trump eine Großmachtpolitik wie zu Zeiten des Kolonialismus. Die Seltenen Erden sind lediglich eine von vielen Interessen, die er bezüglich der Ukraine vertritt. Andere dürften der Rüstungsexport sein, die Bindung an US-Unternehmen und so weiter.

Mannheim und Resümee

Da ich sehr viel Zeit auf Social Media verbringe, hat sich bei mir ein Eindruck sehr verfestigt:

Viele Fragen kann ich gar nicht beantworten, weil ich sie nicht einmal verstehe.
Jeder Theorie, jedem Gedankengang, liegt ja eine Grundannahme zugrunde. In diesem Beispiel meinetwegen, dass die Hilfe der USA für die Ukraine existenziell ist. Oder dass die USA so viel für die Ukraine getan haben. Oder – wie gelesen – dass die Ukraine schon immer zu Russland gehörte.
Und in vielen Fällen sind solche Grundannahmen eben falsch oder zumindest zu hinterfragen. Und ganz häufig lese ich da russische Propaganda heraus.

Wer beispielsweise argumentiert, dass in der Ukraine Wehrpflichtige zum Kriegsdienst gezwungen werden, sollte mir doch bitte mal erklären, wie das im Zweiten Weltkrieg oder in Russland so gelaufen ist. Und was er denkt, wie das in Deutschland laufen würde, würden wir angegriffen.

Ich hoffe aber, die größten Fragen wenigstens halbwegs beantwortet zu haben.
Sollte es noch drängende Fragen geben, dann bitte auf den üblichen Kanälen.
Mitglieder können auch auf Steady PN schicken, die ich natürlich bevorzugt versuche zu beantworten.

Und ich hoffe ich konnte vermitteln, dass man einiges nicht mal eben beantworten kann und man – wie ein Kommentator schrieb – manchmal doch um mehr als eine Ecke denken muss.

Das, was wir erleben, meine Damen und Herren, ist eine tatsächliche Zeitenwende. Wir sind dabei, wie Geschichtsbücher geschrieben werden. Etwas, was den letzten Generationen Deutschland völlig abgegangen ist. Weil wir dachten, es läuft immer so weiter.
Ich ordne das, dessen Zeuge wir werden, auf der historischen Höhe der französischen Revolution oder der Neuordnung nach dem Zweiten Weltkrieg ein.
Wir müssen es nur noch merken.

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