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Newsletter Nr. 9: Wie funktioniert die Bodenoffensive?

Infrarotaufnahme israelischer Kampfpanzer

Die israelische Bodenoffensive hat begonnen. Daher werde ich in diesem Newsletter nochmal erklären, was da passiert. Für Laien, bei einem Käffchen.
Das meiste habe ich bereits erklärt. Nur, dass es dabei um die Russen ging. Damit hat das Projekt U.M. eigentlich angefangen. Denn diese Operationen laufen heutzutage immer nach dem gleichen Muster ab.

Prinzipiell kann man es in drei Phasen unterteilen.
Das ist aber kein festgelegter Plan, keine Liste zum Abhaken. Es ist eine Orientierungshilfe. Es geht um Prioritäten.

Phase 1

In der ersten Phase geht es vor allem darum, die Lufthoheit zu bekommen. Das ist Russland in der Ukraine bis heute nicht gelungen.
Die „Palästinenser“, also die Hamas bzw. der Gazastreifen, haben keine Luftwaffe. Doch auch die Flugabwehr gehört zur Lufthoheit. Und damit auch die Abwehr gegen Drohnen und Raketen.

Israel hat den Iron Dome, die „eiserne Kuppel“. Das ist aber nur ein Schlagwort. Damit gemeint sind verschiedene Flugabwehrsysteme, die zusammenarbeiten. Jedes System hat eine andere Entfernung und Höhe, in der es Ziele bekämpfen kann.
Zum Iron Dome gehört beispielsweise das System Arrow, das Deutschland nun auch gekauft hat. (Dazu werde ich in einem kommenden Newsletter noch etwas schreiben.) Das ist für große Marschflugkörper vorgesehen. Aber auch sowas hat der Gazastreifen nicht. Israel nutzt aber auch Patriot, das für die Kassam-Raketen gut geeignet sind.

Israel wird sich bei diesem ersten Schritt also darauf konzentriert haben, Stellungen zu bekämpfen, welche israelische Flugzeuge und Raketen bekämpfen können. Das werden nicht so viele gewesen sein.
Kassam-Raketen zu bekämpfen macht weniger Sinn. Denn die sind sehr mobil. Die Hamas schleppt einfach die Gestänge, die als Abschussrampen dienen, irgendwohin, setzt die Raketen drauf, richtet sie aus und ist wieder verschwunden. Die Gestänge werden meist einfach stehen gelassen. Etwa ein Fünftel dieser selbstgebauten Raketen gehen irgendwo ungeplant runter, auch im Gazastreifen.

Kassam-Raketen

Die nächste Priorität haben dann Kommando-Einrichtungen. Also die Stellungen und Bunker, von wo aus Angriffe koordiniert und gelenkt werden.
Diese Angriffe werden einen großen Teil der Bilder ausgemacht haben, die wir vor allem durch die Hamas verbreitet in den Medien gesehen haben. Denn diese befinden sich im Gazastreifen häufig in Schutzräumen unter Wohnhäusern oder einfach in den Häusern selber.

Zusätzlich wird Israel viele Tunnel angegriffen haben. So wurde beispielsweise gemeldet, dass ein Trupp von Hamas-Terroristen vorgestern versucht hatte, erneut die Grenze nach Israel zu überwinden. Im Nordwesten des Gazastreifens, also am Strand. Schnell gingen Gerüchte rum, das seien Taucher, also Kampfschwimmer, gewesen. Was Unfug ist, die Hamas verfügt nicht über solche Kapazitäten und Kompetenzen.
Die Aufklärung hatte das beobachtet, tatsächlich kamen die Terroristen aus einem Tunnel. Den hat Israel dann durch gezielten Beschuss zerstört.

Im letzten Teil dieser Phase beginnt dann das Shaping, das ich mehrfach erklärt (Öffnet in neuem Fenster) habe. Das „In-Form-Bringen“. Die NATO liebt Shaping.

Das bedeutet, dass man vorher guckt, wo man strategisch günstig in das Gebiet einrücken kann. Und weil das mit gepanzerten Fahrzeugen (Öffnet in neuem Fenster) passiert, versucht man auf diesem Weg Stellungen auszuschalten, von wo aus die Panzer angegriffen werden könnten. Beispielsweise mit Panzerabwehrraketen, von denen die Hamas doch einige zu haben scheint.

Kurz bevor es dann am Boden losgeht, schaltet man die Kommunikation aus. Auch das hat Russland in der Ukraine getan. Was ich in dem Beitrag zu Elon Musk (Öffnet in neuem Fenster) erklärt hatte.
Und genau deshalb gibt es seit gestern kein Internet und keinen Handy Empfang mehr im Gazastreifen. Israel wird ganz gezielt diese Infrastruktur ausgeschaltet haben.

Phase 2

Nun ist alles „in Form gebracht“ und die Bodentruppen können eingesetzt werden.
Das passiert aber nicht mehr durch tausende Panzer, die über den Acker rollen. Die letzte große Panzerschlacht war zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs, so funktioniert das heute nicht mehr.

Vermutlich hat Israel schon seit Tagen kleine Trupps in den Gazastreifen geschickt. Die sich dann wieder zurückgezogen haben. Bestätigt wurde das durch die IDF (Israel Defense Forces, Israelischen Verteidigungsstreitkräfte) aber erst in der Nacht zum Freitag.

Auch diese Trupps betreiben das Shaping, sie bekämpfen Stellungen dort, wo nachher größere Verbände rein sollen.
Und erst heute Morgen hat der Sprecher der IDF bestätigt, dass nun dauerhaft Truppen im Gazastreifen sind.

Auch das läuft grundsätzlich immer sehr ähnlich ab. Kampfpanzer (Israel: Merkava) rollen auf Kampfentfernung an das Gebiet heran. Sie sind vergleichbar schnell, gut gepanzert und vor allem können sie Ziele aus zwei Kilometern bekämpfen.
In ihrem Schutz rollen dann die Schützenpanzer nah an die Ziele heran. Und die haben dann hinten die Infanteristen, die „Fußsoldaten“ drin. Die springen heraus und bekämpfen die „kleineren“ Ziele. Im Falle des Gazastreifens wird das im Häuserkampf passieren. Was so ziemlich das Schlimmste ist. Aus jedem Fenster kann geschossen werden, überall können Minen und Fallen lauern und womöglich hocken da auch noch Zivilisten im Weg, die von der Hamas als Schutzschilde genutzt werden.

Übersicht Waffengattungen

In dieser Phase wird es zu weniger zivilen Verlusten kommen. Da die Soldaten entgegen der Hamas-Propaganda selbstverständlich nicht ungezielt rumballern. Das Problem ist nur, dass ja unter jedem Haus ein Bunker oder Tunnel sein kann. Und das macht die Sache auch für die Zivilbevölkerung sehr gefährlich. Denn wenn ein Panzer schießt, können die nichtmehr vorher anrufen, ob im Haus dahinter noch Zivilisten sind. Vom Erfassen eines Ziels bis zum Brechen des Schusses sind es nur Sekunden.

Das wird überwiegend nachts passieren. Denn die Panzer haben Nachtsicht, die Hamas nicht.

Phase 3

Nun wird man versuchen das eingenommene Terrain zu sichern. Die IDF wird die Häuser durchsuchen, eigene Stellungen einrichten, den Nachschub an Treibstoff und Munition organisieren, und so weiter. Man besetzt den gewonnenen Raum.

Ist der Raum gesichert, hat man also auch die Zivilisten durchsucht und nach Waffen gesucht, kann man sie in den eigenen Rücken lassen. Indem man weiter vorstößt oder sie nach hinten bringt.
Und auch daran sieht man, wie kontrolliert, genau und professionell die IDF vorgehen. Denn gleichzeitig wurde heute gemeldet, dass Israel mehr Hilfslieferungen (von Israel aus!) in den Gazastreifen lassen wird. Um die Zivilbevölkerung in den gesicherten Gebieten zu versorgen.
Ich halte das also nicht für glaubwürdig, weil die Israeli so nette Menschen sind. Sondern weil es plausibel und absolut üblich ist, das so zu machen.

Bisher meldeten die IDF keine gefallenen israelischen Soldaten.

Möglicherweise Monate

Durch dieses kontrollierte und „moderne“ Vorgehen („Gefecht der verbundenen Waffen“ (Öffnet in neuem Fenster)) rechne ich jedoch damit, dass dieser Krieg lange dauern wird. Ich halte derzeit mehrere Monate für möglich. Nicht unbedingt wahrscheinlich, aber möglich.

Da die Hamas und Teile der Bevölkerung vor den IDF zurückweichen und sich in den befestigten Tunneln und Bunkern verschanzen werden. Von dort aus werden sie mit Partisanenangriffen das Vorrücken immer weiter verzögern.
Im Grunde findet dort nun ein riesiger Häuserkampf statt, bis zum Mittelmeer etwa fünf bis 15 Kilometer tief. Der Gazastreifen zählt zu den am dichtesten besiedelten Gebieten weltweit.

Davon wird die Öffentlichkeit nicht viel mitbekommen. Da Israel längst eine breite Zone geschaffen hat, in die niemand mehr hineinkommt. Zehntausende Israeli wurden aus diesem Bereich evakuiert.

Karte des ISW mit der Sicherheitszone

Weil die digitale Kommunikation innerhalb des Gazastreifens de facto zum Erliegen gekommen ist, wird auch von der Seite vergleichsweise wenig Information kommen.
Was in den Nachrichten berichtet wird, wird also noch mehr als bisher ausschließlich israelische Information sein – die sich jedoch als sehr zuverlässig erwiesen hat – oder Hamas-Propaganda sein.

Es wird sich also eine Informations-Routine verfestigen: nachts wird gekämpft, morgens kommen die Informationen der IDF, im Laufe des Tages die Meldungen der Politik, und abends geht das Spiel von vorne los.

Ich werde mich bemühen, in den nächsten Newslettern der kommenden Tage und Wochen aktuelle Meldungen und politische Vorgänge zu erklären.

Aufgrund der Brisanz der Vorgänge habe ich mich dazu entschlossen, auch diesen Newsletter ohne Bezahlschranke zur veröffentlichen. Ich bin sicher, die bezahlenden Abonnenten haben Verständnis. Meine Einstellung dazu habe ich mehrfach erklärt.

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