VademecUM: Medienkompetenz
Medienkritik ist quasi der Kern meiner Tätigkeit. Schon vor U.M.
Aber ich gehöre sicher nicht zu dem Lügenpresselemuren und Mainstreammedienmungos. Und Zustimmung in oder aus der Richtung gefällt mir nicht.
Bevor ich es ausführlicher thematisieren, dies vorab:
Wir leben im Informationszeitalter. „Netz 2.0“ bedeutet, dass jeder Inhalte ohne größere Fachkenntnisse online stellen und damit öffentlich zugänglich machen kann. Und, womit einige wohl nicht gerechnet haben, damit auch eine größere Zahl von Menschen erreichen.
Das hat zu einer Dezentralisierung der Informationen geführt. Meine Tätigkeit ist tägliches Beispiel dafür.
Es gibt inzwischen viele, völlig seriöse, freie Journalisten, die mit verschiedenen Geschäftsmodellen ihre Inhalte zugänglich machen. Die Nachrichtenmedien - und nur um die geht es mir erst einmal – verlieren mehr und mehr Anteile des Informationsmarktes.
Und das hat zu zwei gravierenden Bewegungen bei den tradierten Nachrichtenmedien geführt.
Die erste Bewegung ist die Agenturpresse.
Es gab auch vorher schon Presseagenturen. Doch deren Marktmacht hat weit zugenommen.
Agenturen machen das, was früher das Informanten- und Korrespondentennetzwerk getan hat. Es ist eine Art Outsourcing, denn so etwas ist teuer. Agenturen wie die dpa, AFP, AP, Bloomberg, Reuters usw. tun das, was Nachrichtenmedien früher gemacht haben. Sie sammeln Informationen, bereiten sie auf und verkaufen sie an die Medien, die das früher selber gemacht haben.
Damit habe ich drei Probleme:
Zum ersten frage ich mich als gelernter Kaufmann, wozu ich noch Zwischenhändler brauche und bezahlen soll, wenn ich meine Ware – die Information – doch direkt bei der Quelle bekommen könnte. Denn wir alle bezahlen das auf die eine oder andere Art.
Was wir in den Medien täglich lesen, hören und sehen, ist zu locker über 90% nur noch eine Ware, die das Medium selber gekauft hat. Es sind Informationssupermärkte. Und damit das möglichst keiner zu sehr hinterfragt, wird es verschleiert.
Das zweite Problem ist das so genannte Agenturprivileg.
Verkauft eine Agentur einer Zeitung eine Geschichte, ist die dafür kaum noch haftbar zu machen. Da kann der größte Unfug drinstehen, es macht keinen Sinn, sie dafür zur Rechenschaft ziehen zu wollen. Die verantwortliche Agentur sitzt irgendwo ganz wo anders und macht es umso schwerer, gegen falsche Informationen vorzugehen.
Das dritte Problem ist die Gewichtung.
Angenommen es findet ein Ereignis statt. Dann berichten zwei Agenturen darüber. Die verkaufen ihre Geschichten aber an hunderte „Outlets“. Und so sehen die Nutzerinnen und Nutzer, dass überall plötzlich die gleichen Schlagzeilen auftauchen. Was natürlich dazu führt, dass diese Information, dieses Ereignis, als besonders wichtig wahrgenommen wird. Aber die Relevanz ist längst von der Platzierung der Information auf den Titelseiten abgekoppelt. Priorität hat, was geklickt wird, nicht was wichtig ist.
Die zweite, stattgefundene Bewegung, ist ebenfalls eine rein wirtschaftliche.
Klar, viele wissen, dass Privatsender viel Werbung einblenden, weil sie damit ihr Geld verdienen. Doch die meisten Menschen werden sich nicht wirklich klar machen, dass auch Nachrichtenmedien vor allem zuerst einmal Unternehmen sind. Und Information eine Ware.
Nun kann ein Unternehmen auf verschiedene Arten seine Ware absetzen.
Beispielsweise kann es seine Ware stark bewerben. Das wäre beispielsweise die Bild, die mit immer krasseren Überschriften und an literarischer Genialität grenzende Wortschöpfungen Sensationen generiert.
Das Unternehmen kann aber auch auf Qualität setzen, indem es an seinen Produkten feilt und schraubt und für die Qualität dann mehr Geld nimmt. Das wären verschiedene Leitmedien, wie die FAZ, Die Zeit, die Washington Post oder der Guardian.
Und einige Unternehmen gehen hin und spezialisieren sich. Beispielsweise auf eine bestimmte Art von Ware. Das wären bei den Medien dann Fachzeitschriften. Oder Sie spezialisieren sich auf einen gewissen Kundenkreis. Was bei Medien bedeutet, dass sie tendenziell eine Perspektive und Erzählweise einnehmen, von der sie glauben, dass viele Menschen das kaufen. Weil es ihre eigene Weltsicht bestätigt (confirmation bias). Sie „spezialisieren“ sich. Das wären die Berliner Zeitung, die immer rechtspopulistischer wird, die taz, die so links ist, dass es schon Linken weh tut, die NZZ oder Fox News.
Und das alles zusammengenommen führt zu dem größten Problem, dass es derzeit gibt.
Die Öffentlichkeit, auch die Jüngeren, haben nach wie vor die Erwartungshaltung, dass Nachrichtenmedien neutral „die Wahrheit“ erzählen. Das Bewusstsein dafür, dass Informationen eine Ware und Medien die Verkäufer sind, ist bedauernswert.
Die technischen Möglichkeiten und die damit einhergehende Veränderung der Medien hat die Medienkompetenz überholt.